Nachhaltige Entrepreneurs: «Denken in Generationen statt in Quartalen»

20.10.2017
Frau Olsen, wie steht es um die Nachhaltigkeit in eigentümergeführten Unternehmen?
Nachhaltigkeit hat in eigentümergeführten Unternehmen einen wichtigen Stellenwert, und dies losgelöst von den klassischen ESG-Kriterien (Environmental Social Governance): Eigentümerfamilien sind typischerweise mit einem Grossteil des eigenen Vermögens in ihren Unternehmen investiert, nehmen Führungsverantwortung wahr und kontrollieren das Unternehmen über Einsitz im Management oder Aufsichtsrat. Aus diesem Grund sind sie an der langfristigen Wertentwicklung und nicht an kurzfristiger Gewinnmaximierung interessiert. Der Leitsatz «Denken in Generationen statt in Quartalen», also ein überdurchschnittlich langer Zeithorizont, passt sehr gut dazu. Darüber hinaus verfügen familiengeführte Unternehmen über ausreichend Kapitalreserven, eine niedrige Verschuldung und kontinuierliche gute Cashflows, um ihr Wachstum zu finanzieren.
Und losgelöst von diesen finanzbasierten Kriterien?
Inhabergeführte Unternehmen zeichnen sich auch durch ein immaterielles Wertesystem aus, in dem Langfristigkeit und Nachhaltigkeit im Umgang mit Lieferanten, Mitarbeitenden und Kunden einen hohen Stellenwert haben. So wird in der Krise zwischenzeitlich aus einem Ingenieur ein Gabelstapler gemacht, entgegen der prozyklischen Hire-and-Fire-Mentalität, von der manche nicht-familiengeführte Unternehmen geprägt sind. Auch nehmen viele Familienunternehmen durch ihr soziales Engagement, sei es durch den Bau von Sportstätten, Ausbildungseinrichtungen oder die Förderung von Kunst und Kultur eine starke, meist regional geprägte gesellschaftliche Verantwortung wahr.
Suchen Sie bei der Auswahl Ihrer Titel gezielt nach Nachhaltigkeit?
Auch wenn eigentümergeführte Unternehmen vielfach ESG-Kriterien erfüllen, selektionieren wir unsere Portfolio-Unternehmen primär nach traditionellen, fundamentalen quantitativen wie qualitativen Kriterien. Mittels einer «Entrepreneurial Due Diligence» werden aber auch weiche Einflussfaktoren rund um den Eigentümer erfasst, zum Beispiel Themen wie Nachfolgeproblematik, Motivation der Gründer-/Nachfolgegenerationen, Zweckmässigkeit der Struktur und Organisation, Anreiz- und Wertesysteme, etc. Diese sind aber nicht zwingend deckungsgleich mit ESG-Anforderungen.
Und bietet das einen Vorteil für den Anleger?
Ja: Wissenschaftliche Untersuchungen weisen auf einen Performancevorteil hin, so verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren der CS Family Business Index gegenüber dem breiten MSCI Weltaktienindex eine jährliche Überschussrendite von rund 2 Prozent. Bellevue Asset Management zählt zu den Pionieren in dieser Asset-Klasse und ist als unabhängige Investmentboutique auch ein eigentümergeführtes Unternehmen. Seit ihrer Auflegung übertrafen alle Entrepreneur-Strategien nicht nur ihren jeweiligen Benchmark, sondern zählten regelmässig zu den Spitzenfonds in ihrer Vergleichskategorie.
Birgitte Olsen ist Senior Portfolio Managerin für europäische Aktien. Sie arbeitet seit 2008 bei Bellevue Asset Management. Zuvor war sie unter anderem für Vontobel sowie für Generali tätig. Heute ist sie für die Anlagefonds «BB Entrepreneur Europe», «BB Entrepreneur Europe Small» sowie «BB Entrepreneur Switzerland» und für institutionelle Mandate verantwortlich. Die gebürtige Norwegerin, die in Genf aufwuchs, verfügt über einen Abschluss der Universität St. Gallen und ist CFA-Chartholder.