Nachhaltiger Stimmungswandel in den Rohstoffen - oder nur ein Strohfeuer?

Associate Director - Head of German Speaking Regions
ETF Securities (UK) Limited, London
etfsecurities.com
14.03.2016
Herr Hein, bei vielen Rohstoffen scheint sich bei Investoren ein Stimmungswandel eingestellt zu haben. Wie erleben Sie die teilweise markanten Preissteigerungen?
Die Stimmung an den Rohstoffmärkten hat sich in diesem Jahr in der Tat sehr positiv entwickelt. Das kann man sowohl an den rückläufigen CFTC Short Futures-Positionierungen, aber auch an den Anlagen in börsengehandelten Produkten (ETPs) entnehmen. Am meisten davon profitiert haben Gold-ETPs mit Nettomittelzuflüssen in Höhe von ca. 1,43 Mrd. US-Dollar. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres lag diese Zahl in Gold-ETPs bei über 100 Mio. US-Dollar Abflüssen. Mit erhöhten Sorgen um die Liquidität des europäischen Bankensektors, der Gefahr eines «Brexit» sowie der Ungewissheit über die US-Präsidentschafts-Kandidaten ist es keine Überraschung, dass die Anleger vermehrt zum Gold als Diversifikation und sicheren Hafen greifen. In den letzten zwei Wochen sind aber auch vermehrt Gelder in Silber-ETPs investiert worden (115 Mio. US-Dollar). Nach der starken Preisentwicklung in Gold erwarten Investoren nun, dass Silber sich ähnlich gut entwickelt, da eine Korrelation von ca. 80 Prozent vorliegt. Öl-ETPs sehen ebenfalls weiterhin positive Nettomittelzuflüsse, da Investoren die günstigen Preise als interessante Einstiegskurse sehen und auf eine rückläufige Ölproduktion in den USA setzen.
Bei welchen Rohstoffen ging es am meisten nach oben?
Von der Preis-Performance her steht Gold in diesem Jahr mit einem Plus von 19,5 Prozent am besten da (Stand 10.03.2016). Ein schwächerer US-Dollar aufgrund abnehmender Erwartungen an weitere Zinsanstiege in den USA gekoppelt mit der Suche nach einem sicheren Hafen, waren in diesem Jahr die Haupttreiber des Goldpreises. Silber legte in diesem Zeitraum um 10,5 Prozent zu, was aufgrund der hohen Korrelation noch Luft nach oben zulässt. Zinn konnte sich von seinem niedrigen Niveau um 14,5 Prozent steigern. Trotz dieser Gegenbewegung hat das Industriemetall lediglich 20 Prozent seiner Verluste seit dem Preisverfall im Jahr 2009 zurückerobert. Auch wenn Ölpreise im vergangenen Monat sehr volatil waren, konnten sich die Preise um 30 Prozent erholen. Brent als auch WTI handeln wieder oberhalb der 40-US-Dollar-bbl-Marke, nachdem beide Benchmarks im Januar noch bei unter 30 US-Dollar lagen.
Welche Produkte können Sie dafür anbieten?
ETF Securities ist ein globaler Pionier in Exchange Traded Products (ETPs) und wir haben im Jahr 2003 das weltweit erste Gold-ETP entwickelt. Vor unserer Innovation war es in der Regel nur institutionellen Anlegern vorbehalten, in Rohstoff-Wertpapiere investieren zu können. Jetzt ermöglicht unsere Auswahl an ETPs den Anlegern eine Vielzahl von Investment-Alternativen; währungsgesichert oder nicht, physisch hinterlegt oder vollständig besichert über ein Swap-basiertes Produkt. ETF Securities ist Europas Marktführer in Rohstoff-ETPs und bietet Zugang zu sämtlichen Bestandteilen des Bloomberg UBS Index-Universums (Einzelrohstoffe, Sub-Sektoren aber auch breite Rohstoffkörbe) sowie Öl-Produkten mit längeren Laufzeiten, um die Rollverluste zu minimieren.
Wurden die demzufolge auch am meisten nachgefragt?
Insgesamt hat ETF Securities in Europa in diesem Jahr über 2 Mrd. US-Dollar Nettomittelzuflüsse verzeichnet. Der Grossteil davon war in Edelmetall- und Öl-Produkten. Interessanterweise haben die meisten Investoren, die in Öl-ETPs investiert haben, Produkte gewählt, die den Front-Month-Kontrakt abbilden, obwohl es dort in der Kurve sehr grosse Rollverluste aufgrund der Kurvenkonstellation gibt. Es scheint also, dass Investoren auf eine baldige Erholung in den Ölmärkten setzen und somit höhere Rollverluste in Kauf nehmen.
Die sind alle am Xetra-Segment der Deutschen Börsen gelistet?
Im Interesse der Investoren und der Liquidität in den Produkten überprüfen wir die Listings in Europa regelmässig. In der Regel bieten wir mindestens einen Euro-Handelsplatz pro Produkt an; oftmals ist dies Xetra, insbesondere für die gängigen und liquiden Rohstoffe. Darüber hinaus gibt es auch Listings an der Börse Stuttgart und anderen lokalen Börsenplätzen in Deutschland, um möglichst allen Kunden einen Marktzugang zu ermöglichen. Sollte es für ein Produkt mit sehr geringer Nachfrage in Deutschland keinen entsprechenden Handelsplatz geben, unterstützen uns starke Partner, die einen Zugang zu der Borsa Italiana oder auch LSE ermöglichen.
Was sagt Ihr Research für die kommenden Monate voraus?
Wir erwarten, dass sich Industriemetalle wie Kupfer, Zink und Nickel im Zuge der sich verbessernden Anlegerstimmung weiter erholen werden. Alle drei Metalle werden voraussichtlich in diesem Jahr in einem Angebotsdefizit sein, da die Minenbetreiber die Produktion weiter zurückfahren, wenngleich das wirtschaftliche Wachstum weiter auf Expansionskurs bleiben dürfte (auch wenn China ein geringeres Wachstum anvisiert). Wie erwähnt dürfte Silber eine Aufholjagd auf die Goldentwicklung starten und die historische Korrelation wieder herstellen. Da Silber ein Nebenprodukt der Minenproduktion anderer Metalle ist, wird eine Angebotsverknappung auch in diesem Jahr gezwungenermassen zu einem Angebotsdefizit führen. Auf die gleiche Weise wie Silber zu Gold aufschliessen sollte, dürfte Palladium zu Platin aufschliessen. Starke Autoverkäufe (eine primäre Quelle der Nachfrage für beide industriell genutzten Edelmetalle) werden die Nachfrage unterstützen. Autoverkäufe mit Benzinmotoren, wovon Palladium stärker profitiert als Platin, sollten Diesel-Pkws im Absatz übertreffen.
Das Stilllegen von Ölförderanlagen in den USA im vergangenen Jahr gemeinsam mit einem Rückgang von Investitions- und Explorationsausgaben wird sich negativ auf die weltweite Ölproduktion auswirken. Angebotsrückgänge und eine anhaltend steigende Nachfrage dürften die Ölpreise im Laufe des Jahres ansteigen lassen.
Jan-Hendrik Hein leitet das Vertriebsteam für den deutschsprachigen Raum bei ETF Securities. Hein bietet in diesem Zusammenhang regelmässig Seminare über die Eignung und den Einsatz von Rohstoffen zur Portfoliodiversifikation sowie den richtigen Einsatz von Short- und Hebel ETPs an. Bevor er im Jahr 2011 bei ETF Securities anfing, arbeitete Jan-Hendrik Hein bei der Commerzbank im Debt Capital Marktes Team in Frankfurt und London. Er hält einen BA Business Administration mit Schwerpunkt Finanz- und Betriebswirtschaft von der Amerikanischen Internationalen Universität in London, den er Summa Cum Laude abschloss.