«Nachhaltiges Investieren avanciert zum Must-have»

Leiter Passive & ETF Schweiz und Liechtenstein, Asset Management
UBS AG, Zürich
ubs.com
25.10.2018
Herr Müller, die Nachfrage nach Anlageprodukten, die ökologische, soziale und Faktoren zur Unternehmensführung berücksichtigen, steigt stetig. Worin liegt Ihrer Meinung nach der Reiz von ESG-Investments, wie der Dreiklang im Englischen abgekürzt wird?
Die Ursprünge des ESG-orientierten Investierens reichen bis in die 70er-Jahre zurück, als Anleger erstmals bestimmte Wertpapiere oder sogar ganze Branchen mithilfe eines ESG-Screenings aus ihren Portfolios ausschlossen. Branchen wie Öl und Gas, Kohlebergbau und Stromversorger boten sich für einen solchen Ausschluss an. Heutzutage sind solche Anlagen nicht mehr bloss massgeschneiderte Einzellösungen, sondern gehören mehr und mehr zum Mainstream. Neben Ausschlusskriterien hat die ESG-Integration an Bedeutung gewonnen. Für Anleger werden nachhaltige Anlagen immer attraktiver, da das Bewusstsein für ESG-Belange in der gesamten Gesellschaft wächst. Zudem konnten Bedenken, dass Anleger ihre Erträge für gute Taten opfern müssen, mittlerweile widerlegt werden.
Handelt es sich dabei um einen globalen Trend?
Ich würde sogar sagen, es handelt sich um mehr als einen Trend. Nachhaltiges Investieren avanciert derzeit für Investoren aus allen Teilen des Anlagespektrums von einem «Nice-to-have» zu einem «Must-have». Das Wachstum des verantwortlichen Investierens wird vor allem durch die Kundennachfrage angetrieben. Unter Privatanlegern sind entsprechende Ansätze bereits seit mehr als zehn Jahren populär. Inzwischen investieren auch institutionelle Anleger verstärkt in Unternehmen, die hohe ESG-Bewertungen aufweisen. Der weltweite Wandel hin zum nachhaltigen Investieren wird von der allgemeinen Forderung nach mehr Transparenz und Offenlegung angetrieben. In der Anlegergemeinde spiegelt sich dieser Trend in den Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen wider, deren Unterzeichner sich freiwillig verpflichten, ESG-Themen in ihre Anlagepraxis einfliessen zu lassen. Diese Prinzipien wurden 2006 eingeführt und bis heute von mehr als 1’500 Institutionen in 50 Ländern mit einem investierten Vermögen von 62 Billionen US-Dollar unterzeichnet.
Das klingt in der Tat nach einem grundlegenden Wandel. Bei sozial verantwortlich ausgerichteten ETFs stellt sich aber natürlich die Frage nach der Umsetzbarkeit. Was müssen Anleger bei der Investition in diese SRI-ETFs beachten?
Die Kosten der Nachbildung eines Index sind bei ETFs mit einem SRI-Ansatz vergleichsweise höher als bei ETFs, die auf den nach Marktkapitalisierung gewichteten übergeordneten Indizes basieren. UBS verzichtet bei SRI-ETFs bewusst auf die Zusatzerträge von Wertpapierleihgeschäften, da es keine nach SRI-Kriterien überprüften Sicherheiten (Collateral) gibt und durch das Akzeptieren von nicht-nachhaltigen Sicherheiten der Grundgedanke untergraben würde. Hinzu kommt, dass die Geld-Brief-Spannen bei SRI-ETFs grösser sein können als bei Nicht-SRI-ETFs. Das liegt daran, dass es für die Market Maker aufgrund fehlender Futures-Kontrakte auf SRI-Indizes schwieriger ist, Positionen abzusichern. Trotz all dieser Herausforderungen sind sozial-verantwortliche Investments aber attraktiver geworden.
Wirklich? Wie kommt das?
Das liegt zum einen am wachsenden Bewusstsein für ESG-Fragen. Zum anderen bietet nachhaltiges Investieren einen Mehrwert, bei gleichem Risiko-Rendite-Profil wie bei einem breiten Marktportfolio. Unternehmen, die ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Verluste agieren, leiden irgendwann unter den Konsequenzen. Das können zum Beispiel staatliche Sanktionen oder ein Vertrauensverlust der Zielgruppe sein. Beides führt zu sinkenden Umsätzen, was Anleger natürlich zu spüren bekommen. Wer vorausschauend investiert, gewinnt am Ende mehr.
Finanzielle Gewinne sind bei nachhaltigem Investieren nur eine Seite der Medaille. Inwiefern können ETFs auch positive Effekte auf Gesellschaft und Umwelt haben?
Sozial verantwortliches Investieren kann zu positiven Veränderungen beitragen, indem es Unternehmen zur Einhaltung von ESG-Standards motiviert. SRI-ETFs von UBS selektieren Unternehmen mit hohen ESG-Ratings, während Firmen mit schwächeren ESG-Wertungen oder umstrittenen Geschäftsaktivitäten ausgeschlossen werden. Auch der im letzten Jahr aufgelegte «UBS ETF auf MSCI ACWI ESG Universal» berücksichtigt Unternehmen nach entsprechenden Kriterien. Firmen mit Top-ESG-Ratings werden übergewichtet und andere Titel untergewichtet. Zudem wird die Entwicklung der ESG-Ratings im Laufe der Zeit betrachtet. Es werden Firmen unterstützt, die ihre ESG-Leistung verbessern.
Gibt es ein konkretes Beispiel für eine Anlagemöglichkeit, von der alle profitieren?
Auf jeden Fall! Denken Sie zum Beispiel an die Erderwärmung. Unabhängig davon, wie man selbst zum Klimawandel steht, ist nicht zu leugnen, dass er ein bedeutendes Anlagerisiko darstellt. Die Reduzierung von CO2-Emissionen ist damit auch ins Bewusstsein der Investoren gerückt. Die Risiken betreffen das gesamte Anlageuniversum, von Aktien über Unternehmensanleihen bis hin zu Immobilien und - potenziell - Staatsanleihen. Folglich legen viele Anleger ausdrückliche Ziele für die Verbesserung der CO2-Bilanz ihres Portfolios fest. Mit den UBS SRI-ETFs können Anleger den CO2-Ausstoss in ihrem Portfolio markant reduzieren. Bei einer Investition von einer Million US-Dollar in die Unternehmen im MSCI Switzerland generieren Anleger auf dem investierten Kapital jährlich einen Carbon Footprint von 115 Tonnen CO2. Nur gerade 20 Tonnen CO2 verantworten Anleger mit ihrer Investition in selbiger Höhe in den nachhaltigen MSCI Switzerland IMI Socially Responsible.
Das klingt nach einem wichtigen Fortschritt. Wie lautet Ihre persönliche Empfehlung für Anleger?
Eine relativ kostengünstige und flexible Möglichkeit, SRI-Kriterien in Anlageportfolios einfliessen zu lassen, besteht darin, auf nachhaltige ETFs zu setzen. UBS Asset Management hat die ersten SRI-ETFs bereits im Jahr 2011 aufgelegt und bietet heute mit 13 nachhaltigen ETFs die grösste Produktauswahl in diesem Bereich in Europa. ETFs von UBS richten sich an alle Kundensegmente und zeichnen sich durch Intraday-Handel und -Liquidität aus. Zu den Vorteilen gehören ausserdem Transparenz, Kosteneffizienz und die Granularität der Engagements. Wir behalten unser ESG-Rating konsequent im Auge und erstellen in Absprache mit dem Kunden nachhaltige Mandate, um das für seine Bedürfnisse optimale Engagement zu ermitteln.
Raimund Müller, Leiter Passive & ETF Schweiz und Liechtenstein, verfügt über eine 15-jährige Erfahrung in der Finanzindustrie mit besonderer Expertise in der Betreuung institutioneller Anleger. Seit 2012 ist er für UBS Asset Management in Zürich tätig. Vor dem Wechsel zu UBS arbeitete er in der Betreuung institutioneller Anleger im Asset Management der Deutschen Bank und bei Lombard Odier. Raimund Müller ist Certified International Investment Analyst (2008). Er beendete seine Studien an der Curtin University of Technology in Perth mit einem Master of Economics und Finance (2005) und an der ZHAW in Winterthur mit einem Bachelor of Business Administration (2003).