«Notenbanker sollen weniger diskutieren und mehr handeln»

04.09.2014
Herr Milburn, in den letzten Wochen standen die Kommentare der Zentralbanken, speziell von Janet Yellen als Chefin der US-Notenbank und die Exzesse in den mit Fremdkapital überhäuften Finanzmärkten im Mittelpunkt. Wieso dies?
Ich stimme zu, dass sowohl die Neuemissionsmärkte für gehebelte Kredite als auch für Hochzinsanleihen Anzeichen von Übertreibungen zeigten und dass die Renditen niedrig sind. Aber die Schuld für Letzteres tragen vorwiegend die Zentralbanken. Die US-Notenbank und die Bank of England haben die Kontrolle über die Finanzaufsicht und können zudem die Zinssätze festlegen. Chuck Prince, ehemaliger CEO der Citigroup, sagte in geradezu infamer Weise, dass «man aufstehen und tanzen müsse, solange die Musik spielt». In diesem Fall bestimmen Janet Yellen und Mark Carney nicht nur über die Lautstärke der Musik (Leitzinsen), sondern auch über die Songliste (Vorschriften).
Wie stehen Sie zum wachsenden Mythos, dass der High-Yield-Markt eine Blase gebildet hat?
Eine bekannte britische Wirtschaftszeitung veröffentlicht fast täglich Artikel, in denen sie den Hochzinsmarkt schlecht macht, wobei sie die Anlageklasse gewöhnlich abfällig als Junk Bonds bezeichnet. Natürlich bietet die Anlageklasse nicht ohne Grund höhere Renditen - Anleger gehen ja schliesslich ein höheres Kreditrisiko ein. Es ist daher hilfreich, die unterschiedlichen Faktoren zu begutachten, die sich zur Wertbestimmung von Hochzinspapieren heranziehen lassen. Sie können feststellen, ob Anleger für das eingegangene Risiko angemessen belohnt werden. Obwohl die Kassakurse in den letzten zwei Monaten um einige Punkte gefallen sind, betonen wir erneut, dass die Anlageklasse nur über begrenztes Kurspotenzial verfügt und von nun an vorwiegend die Coupon-Zahlungen zur Rendite beitragen. Die Gesamtrendite in den USA fällt mit 5,75 Prozent nicht gerade umwerfend aus, in der Eurozone mit 3,90 Prozent sogar mager. Aber in den USA liegt sie damit immer noch knapp über dem Niveau vom Jahresanfang.
Wo ist denn das Problem?
Das Problem bei der Untersuchung der Gesamtrendite besteht darin, dass diese Phase aussergewöhnlicher geldpolitischer Massnahmen zu weiterhin bestehenden Verzerrungen an den Märkten für Staatsanleihen geführt hat. Zudem ist bei der Betrachtung des Kreditrisikos der Spread gegenüber dem risikolosen Zins der wichtigste Indikator. Derzeit entschädigen Credit Spreads die Anleger angemessen für das Ausfallrisiko in den Rating-Kategorien BB und B, nicht jedoch für Anleihen mit CCC-Rating. Ausserdem profitieren Anleger von einer Illiquiditätsprämie. Sie ist ganz wesentlich, da es sich um eine grundsätzlich illiquide Anlageklasse handelt.
Was zeigt Ihnen die Geschichte?
Es gab drei signifikante Höchststände bei den High-Yield-Spreads. Sie waren alle getrieben von einem befürchteten starken Anstieg der Ausfallrate: die Junk-Bond-Krise, die Technologie-Blase und ihr Kollaps sowie der Boom bei den fremdfinanzierten Firmenübernahmen, auf welche die Kreditklemme folgte. Bei den Ausfallraten ist in der überblickbaren Zukunft kein signifikanter Anstieg antizipiert. Und so lange der Markt wieder einige primäre Emissionsdisziplinen zum Vorschein bringt, wird die tiefe Qualität vollständig zu verwalten sein, wenn sich der Zyklus dann irgendwann dreht.
Und die Blase?
Solange die aktuellen Zinsen nicht markant ansteigen, sind Renditen im mittleren einstelligen Bereich durch Investitionen in High-Yield-Produkte auch im heutigen Anlageumfeld durchaus zu erzielen. Vorausgesetzt, der Investor verfügt über ein genug langes Zeitfenster, um die üblichen Marktschwankungen zu absorbieren. Eine jährliche Rendite von 5 Prozent statt 7 Prozent für festverzinsliche Anlagen bedeutet nicht, dass sich eine Blase gebildet hat. Andernfalls müsste sich die Definition einer Blase seit meiner Zeit als Fondsmanager von Internetaktien in den späten 1990er Jahren stark geändert haben. Auch wenn eine Investition in High Yields keine maximalen Ertragsaussichten verspricht, so sollte die Debatte realistisch geführt werden. Tiefe Zinsen können zu einer Fehlallokation von Kapital in weniger profitable Bereiche führen.
Wieso wird diese Entwicklung von Investoren erlaubt?
Die grosse Nachfrage nach Rendite durch eine heterogene Investorenbasis steht einem relativ kleinen Angebot gegenüber. Auf lange Sicht ist diese Situation jedoch nicht im Interesse der Emittenten oder anderen Beteiligten wie Private Equity Manager, Investmentbanker, Notare und Anwälte oder Strukturierungsteams. Diese profitieren stärker an einem gemässigten Zyklus anstelle eines exzessiven Boom & Bust Zyklus, welcher im Endeffekt zu deutlich mehr Volatilität führt. Alles, was zu einer Abkühlung der Marktlage beiträgt, ist aus meiner Sicht im allgemeinen Interesse aller beteiligten Institutionen. Unglücklicherweise sehen dies nicht alle so, etwa bedingt durch eine kurzfristige Betrachtungsweise.
Was raten Sie den Notenbankchefs?
Ich würde die Fed und andere Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden motivieren, weiter zu gehen. Zuerst würde ich den Stresstest strenger auslegen und den Unternehmen weniger Flexibilität zugestehen, was pro forma Anpassungen der Gewinnzahlen betrifft. Zweitens gibt es bereits eine Bilanzierungsrichtlinie für unterkapitalisierte Unternehmen, die gleichwohl von der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen profitieren. Wenn diese konsequenter angewendet wird, dann würden die Zinskosten für Schulden ab einer bestimmten Verschuldungshöhe ihre Steuerabzugsfähigkeit verlieren. Dies hätte massive Auswirkungen auf den Wunsch, die Bilanz mit zusätzlichen Schulden zu belasten.
Fordern Sie eine höhere Visibilität im Markt?
Die genannten Vorschriften und Grundsätze gelten für die Entwicklungspipeline von neuen Schuldtiteln bevor sie auf den Markt kommen. Grosse Verbesserungen könnten im Handel selbst vorgenommen werden. Die offensichtliche Lösung für mich ist, dass Unternehmensanleihen an der Börse gehandelt werden. Dies soll nicht verhindern, dass Fondsmanager via Broker handeln, sondern lediglich, dass jeder Abschluss über die Börse abgewickelt wird. Dies würde die Transparenz auf dem Markt erhöhen. Unter normalen Umständen führt eine höhere Transparenz auch zu mehr Liquidität, da das Vertrauen der Händler in ihre Strategie ihre Handlungsmöglichkeiten steigen lässt. Gewichtiger Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die Börsenplätze auf Mindestanforderungen für das Listing bestehen können. Ich verlange aber keine komplette Standardisierung der Anlegerschutzrichtlinien (Covenants). Tatsächlich ist es ja unser Wettbewerbsvorteil, dass wir uns in diesem Markt auskennen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass gewisse Mindestanforderungen festgelegt und durchgesetzt werden sollen. Dies im Bestreben, die inhärenten Schwachstellen des Marktes zu korrigieren.
Wer macht nun die Musik?
Janet Yellen nimmt quasi die Rolle eines DJs ein und gibt ein paar Sprüche ab während die Musik spielt. Falls dadurch das heisse Geld von der Tanzfläche verschwindet, ist das eine gute Sache. Es reduziert das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und hat bereits dazu beigetragen, Übertreibungen in den Bewertungen entgegenzutreten. Ferner hat dies per Definition Einfluss auf die Preisgestaltung von Neuemissionen, weil die Marktteilnehmer mit mehr Besonnenheit und Disziplin das Zepter fest in der Hand halten. Auch wenn die Anlagegemeinde als Ganzes nicht immer den richtigen Ton findet, als langfristige Investoren haben wir ein grosses Interesse daran, dass sich nicht zu viel Ramsch auf der Songliste bzw. im Markt befindet. Meine Bitte an Frau Yellen und die Herren Carney und Draghi ist, dass weniger diskutiert und mehr gehandelt wird. Sie sollten ihr Handeln auf das Marktversagen und nicht auf die Marktpreise fokussieren.
Phil Milburn ist ein Investment Manager im Anleihen-Team von Kames Capital und verfügt über 16 Jahre Erfahrung. Er kam 1987 zu Kames von der Universität von Edinburgh, wo er einen First Class Honours Degree in Ökonomie erlangte. Nach Abstechern in der Aktienanalyse von Grossbritannien und Lateinamerika kam er zum Anleihen-Team, wo er heute strategische und High-Yield-Obligationen-Portfolios verwaltet. Er bringt seine Aktiendisziplin in die High-Yield-Analyse und gebraucht seinen Background in Ökonomie für die Positionierung des Fonds im Makrobereich. Phil Milburn ist auch ein integrales Mitglied des Kommittees der Association of British Insurers (ABI), in welcher viele Initiativen der Industrie unterstützt werden.