Ossiam setzt auf Sektor-Rotation und das Shiller-KGV

19.10.2015
Herr Poulin, Anfang Oktober kotierte Ossiam einen zweiten ETF aus der Shiller Barclays CAPE Sector Value Produktfamilie an der Schweizer Börse. Was hat Sie dazu bewogen, die Palette um den Ossiam Shiller Barclays CAPE US Sector Value TR UCITS ETF zu erweitern?
Ossiam möchte Investoren unterschiedliche Ansätze anbieten, mit denen sich das Rendite-Risiko-Profil verbessern lässt. Die Erweiterung der Shiller Barclays CAPE Sector Value Produktfamilie um den Shiller Barclays CAPE US Sector Value TR UCITS ETF bietet ab sofort den Investoren einen einfachen Zugang zu unterbewerteten Sektoren des S&P 500 Index. Anhand der relativen CAPE Ratio isoliert der Shiller Barclays CAPE US Sector Value Index zunächst die fünf am stärksten unterbewerteten aus neun Sektoren des S&P 500 Index. Sodann wird von den verbleibenden fünf jener Sektor aussortiert, der das schwächste Momentum über die vorangegangenen zwölf Monate aufweist. Dieser zusätzliche Schritt in der Index-Methodologie dient dazu, sogenannte Value Traps zu vermeiden, das heisst den Sektor mit dem in der jüngeren Vergangenheit schwächsten Marktsentiment.
Welche US-Sektoren zählen danach aktuell als besonders unterbewertet, welche eher als überbewertet?
Aktuell sind folgende Sektoren aus dem S&P 500 Index im CAPE Shiller Index enthalten und somit unterbewertet: Basiskonsumgüter, Gesundheitswesen, Industrie und Technologie. Überbewertete Sektoren sind momentan: Nicht-Basiskonsumgüter, Materialien, Versorgungsunternehmen, Finanzen. Seit der Entwicklung des Indexes wurden der Nicht-Basiskonsumgüter-Sektor, der Materialien-Sektor und der Versorgungsunternehmen-Sektor noch nie in den CAPE Shiller Index aufgenommen. Die Energiebranche ist die Branche, die das schwächste Momentum über die vorangegangenen zwölf Monate aufwies und daher, wie bereits vorhin erklärt, aussortiert wurde.
Wie wurden die beiden neuen ETFs, die die Shiller Barclays CAPE Sector Value Strategie replizieren, bisher von Investoren angenommen?
Seit der Auflegung im Schweizer Markt sind beide ETFs auf ein breites Interesse gestossen. Bis Ende September stiegen die Assets under Management (AuM) des Ossiam Shiller Barclays CAPE Europe Sector Value TR ETF auf über 53 Mio. Euro. Der Ossiam Shiller Barclays CAPE US Sector Value TR UCITS ETF brachte es Ende September auf ein verwaltetes Vermögen von fast 100 Mio. Euro. Beide Strategien haben sich für Anleger bezahlt gemacht, da sie mit einem Fokus auf Value-Werte Sektoren in Zeiten überdurchschnittlicher Performance auswählen und so darauf abzielen, langfristig konsistente Outperformance zu generieren. Die Performance einzelner Sektoren am Aktienmarkt kann stark schwanken. Jedes Jahr gibt es signifikante Unterschiede in der Performance des besten und des schlechtesten Sektors. So verlor beispielsweise der Energie-Sektor 2014 in Folge des Ölpreiskollapses rund 10 Prozent, während der defensive Gesundheits-Sektor 17 Prozent zulegte. Die Differenz von immerhin 27 Prozentpunkten fällt dabei im historischen Vergleich noch milde aus; in volatilen Krisenjahren ist sie häufig deutlich höher. Lassen sich die besten Sektoren im Voraus bestimmen, kann konsequent in diese investiert werden, während schwache Sektoren unberücksichtigt bleiben.
Grundlage für die Gewichtung ist das Shiller-KGV. Was unterscheidet das klassische KGV vom Shiller-KGV und warum ist das Shiller-KGV aus Ihrer Sicht das geeignetere Kriterium zur Auswahl?
Das KGV, das die Gewinne eines Unternehmens ins Verhältnis zu seinem Aktienkurs setzt, ist eine der am weitesten verbreiteten Kennzahlen für die Bewertung von Aktien, hat aber in den Augen von Professor Robert Shiller gerade für langfristig orientierte Investoren Nachteile. Die CAPE Ratio, hier zu Lande auch als Shiller-KGV bekannt, basiert daher anders als das klassische KGV nicht nur auf dem Gewinn eines Jahres, sondern auf dem inflationsbereinigten gleitenden Durchschnitt der Gewinne der vorangegangenen zehn Jahre.
Um die jeweils attraktivsten Sektoren mittels CAPE Ratio zu identifizieren, reicht es jedoch nicht aus, schlicht die Werte der einzelnen Sektoren miteinander zu vergleichen. Da sich der Reifegrad und damit die Gewinndynamik sowie weitere Einflussgrössen wie die Regulierung einzelner Sektoren voneinander unterscheiden, variieren zum einen die Schwankungen, zum anderen aber auch die Durchschnittswerte des CAPE der einzelnen Industrien. So ist ein Wert von 25 nah am historischen Maximum für Versorger und deutet auf eine deutliche Überbewertung des Sektors hin. Für Industrietitel hingegen ist ein CAPE von 25 gerade in der Mitte der historischen Bandbreite und steht damit für eine in etwa faire Bewertung. Noch höher fällt die Kennzahl häufig bei Technologie-Titeln aus. Die Betrachtung des absoluten Werts liefert daher kaum verwertbare Signale für eine Sektor-Strategie.
Die Zusammenarbeit von Professor Shiller und Barclays führte daher zu einer standardisierten Kennzahl, der so genannten Relative CAPE Ratio. Sie erlaubt, zwei Sektoren zu einem bestimmten Zeitpunkt zu vergleichen. Der neue Indikator ist dabei einfach die CAPE Ratio dividiert durch ihren Durchschnittswert der vergangenen Jahre. Das führt zu einem Bewertungsmass, dessen Grösse sich über Sektoren hinweg vergleichen lässt: Eine Relative CAPE Ratio von 1 zeigt, dass die aktuelle Bewertung auf dem langfristigen Durchschnitt liegt, während Werte unter 1 auf eine Unterbewertung des Sektors deuten.
Smart-Beta-Produkte werden nun verstärkt auch von anderen ETF-Emittenten angeboten. Fühlen Sie sich durch diesen Trend in Ihrem Strategieansatz bestätigt?
Ossiam war der erste auf Smart-Beta-Lösungen spezialisierte Anlageverwalter, der ETFs auflegte, die auf quantitativen und Fundamentalanalysen basieren. Die Tatsache, dass Smart-Beta-Produkte auch immer mehr von anderen ETF-Anbietern angeboten werden, bestätigt unseren seit bereits 2010 verfolgten Ansatz. Unserer Meinung nach hebt sich Ossiam durch die innovative Produktentwicklung und umfassende Research-Erfahrung des Ossiam-Teams von den anderen Anbietern ab. Anleger investieren in unsere Produkte, da unser hohes Know-how bekannt ist. Wir können Investoren aufzeigen, wie Smart-Beta-Produkte zur Absicherung oder zur Beta-Optimierung eingesetzt werden können. Wir wollen uns auch weiterhin auf Smart-Beta-Strategien fokussieren, da wir eine weiter steigende Nachfrage nach innovativen Anlagestrategien sehen und es noch einige Segmente im Beta-Bereich gibt, die noch nicht besetzt sind.
Bruno Poulin ist einer der Gründer und CEO von Ossiam, des auf Smart-Beta-Strategien spezialisierten Vermögensverwalters. Bevor Ossiam von ihm im Jahr 2009 mitgegründet wurde, arbeitete er acht Jahre lang als stellvertretender Chief Investment Officer (CIO) und Head of Quantitative Research bei Systeia Capital Management. Sein Aufgabengebiet umfasste dabei die Verwaltung von mehreren alternativen Fonds. Von 1989 bis 2001 arbeitete Bruno Poulin als Managing Director bei der Société Générale in Tokio und Paris. In dieser Position war er für den Handel und die Strukturierung im Bereich des Asset Managements zuständig. Er absolvierte die Sciences Po, Institut d’Etudes Politiques de Paris, und hält einen Master-Abschluss in Finanzwesen der ESCP Europe Business School.