Populismus wird salonfähig: 2017 könnte ein Schicksalsjahr werden für Europa

Associate Director - Sales, German Speaking Regions
ETF Securities (UK) Limited, London
etfsecurities.com
18.11.2016
Herr Voinea, die US-Präsidentenwahl hielt eine weitere Überraschung bereit dieses Jahr. Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung an den Märkten?
Die Reaktion der Märkte war sicherlich überraschend für viele Marktteilnehmer. Der US- Dollar wurde stärker, Zinsen und Industriemetalle schossen nach oben, Gold gab nach und Anleger zogen hohe Summe aus den Emerging Markets ab. Einiges davon hatte man bei einem Sieg Donald Trumps erwartet, die Dollar-Stärke und die Gold-Schwäche wiederum weniger. Verantwortlich dafür ist vermutlich ein kurzfristig gesteigerter Optimismus von Seiten einiger Anleger aufgrund der populistischen Versprechungen Trumps, das Wirtschaftswachstum mit Hilfe von Infrastrukturinvestments zu stützen. Die daraus resultierenden Realzinssteigerungen, welche man in den letzten Tagen beobachten konnte, sowie die Erwartung einer Zinserhöhung der Federal Reserve bedeuten, dass die Oportunitätskosten für Anlagen in Gold steigen und Gold weniger attraktiv erscheinen lassen. Wir glauben aber, dass diese Effekte nur temporär sind und sich Anleger im Jahr 2017 weiter vermehrt mit populistischen Risiken beschäftigen werden, vor allem im Hinblick auf die Präsidentenwahl in Frankreich und die Bundestagswahl in Deutschland. Das sollte den Goldpreis unterstützen, unser Kursziel für 2017 liegt deshalb bei 1‘440 US-Dollar pro Feinunze.
Wie glauben Sie geht es dann weiter mit den Märkten in 2017?
Wir glauben, dass 2017 ähnlich wie dieses Jahr einige grosse, punktuelle Risiken bereithalten wird. Das Thema wird erneut Populismus sein, diesmal wird es jedoch die beiden grossen Kernstaaten Europas treffen, Deutschland und Frankreich. In beiden Staaten haben populistische Partein wie die AfD oder Front Nationale bereits beachtliche Erfolge in jüngster Zeit erzielt. Wenn man die Ereignisse dieses Jahres als Massstab nimmt, so wären Anleger gut beraten, sich auf die ein oder andere unerwartete Wendung vorzubereiten. Auch wenn es sich hierbei nicht um binäre Entscheidungen handelt wie beim Brexit oder der US- Präsidentenwahl, so wird sich die Richtung bei den Wahlen in diesen Kernländern entscheidend auf die Zukunft der EU und somit auf die Märkte auswirken. Parallel dazu wird man die Politik Donald Trumps genau verfolgen müssen.
Welche spezifischen Investmentideen leiten Sie daraus ab?
In diesem Kontext leiten wir folgende Meinungen ab für unsere Investoren. Gold dürfte bis Jahresende noch etwas nachgeben aufgrund der steigenden Realzinsen in den USA und der Dollar-Stärke. Aber wir glauben, Anleger sind inzwischen sensibilisierter gegenüber populistischen Risiken und werden Gold als sicheren Hafen in 2017 nutzen. Unser Gold- Model hat ausserdem einen starken positiven Zusammenhang gezeigt zwischen Event-Risiken und dem Goldpreis. Desweiteren sind wir positiv gestimmt für Industriemetalle, und zwar nicht nur aufgrund potenzieller US-Infrastrukturinvestments, sondern auch dank eines robusten Wachstums in Emerging Markets. Die Mittelflüsse von Investoren bestätigen diesen Trend soweit. Passend zu diesem Thema sehen wir auch gute Chancen für US-Energie-Infrastruktur in Form von MLPs. Donald Trump war im Wahlkampf ein lautstarker Unterstützer fossiler Brennstoffe und hatte versprochen, die lokalen Energieindustrien bei einem Wahlsieg zu fördern.
Blicken wir noch einmal zurück auf das Jahr 2016, was waren Ihre Highlights?
Das Jahr 2016 war erfreulicherweise ein sehr starkes Jahr für uns was die Mittelzuflüsse angeht, allen voran Gold. Aber auch andere Rohstoffe pro-zyklischer Natur haben sich gut entwickelt. Vor allem war das erste Halbjahr durch allgemeine Unsicherheit an den Märkten geprägt und durch den Brexit im Juni. Anleger positionierten sich daraufhin vermehrt in defensiven Investments wie beispielsweise Gold. Andererseits hat sich das extrem negative Sentiment gegenüber Rohstoffen wieder verbessert, nachdem es im Januar ein 30- Jahrestief erreicht hatte. Industriemetalle hatten eine sehr gute Preisentwicklung, insbesondere in den letzten Wochen. Auf Jahressicht verzeichnen wir bisher mehr als 5,3 Mrd. US-Dollar an Nettomittelzuflüssen und stehen damit nur knapp hinter dem besten Firmenjahr in 2009 zurück. Ein grosser Teil davon floss in unsere Gold ETCs. Emerging Market Bonds, Robotik und Kupfer waren die nächst grösseren Gewinner. Was uns sehr gefreut hat diese Jahr, ist die positive Entwicklung bei unseren Megatrend ETFs.
Mit Megatrend ETFs spielen Sie auf Ihre beiden ETFs im Bereich Robotik und Cyber Securites an. Wie war dort die Entwicklung?
Beide ETFs laufen sehr gut. Nachdem die Aktienmärkte ihre Talfahrt zu Beginn des Jahres beendet hatten, setzten der Robotik- und der Cyber Security ETF zu einem Kursanstieg von 36 Prozent und 37 Prozent respektive an, Tendenz steigend. Das hat sich auch in den Mittelzuflüssen in der zweiten Jahreshälfte bemerkbar gemacht. Unser Robotik ETF steht aktuell bereits bei 156 Mio. US-Dollar. Das verwaltete Vermögen hat sich dieses Jahr verdreifacht und wir verspüren weiterhin starkes Interesse von Anlegerseite an diesen Themen. Das spannende ist, dass das Interesse aus allen Anlegerschichten kommt, von institutionellen Investoren, über Vermögensverwalter bis hin zum Privatanleger. Wir werden dieses Themengebiet also auch in Zukunft weiterverfolgen und möchten unsere Vorreiterrolle in diesem ETF-Segment behaupten, indem wir uns starke Partner mit geeigneter Expertise suchen, um neue Zukunftsthemen investierbar zu machen.
Was wird sich bei ETF Securities in 2017 ändern, bzw. für den Schweizer Markt wichtig werden?
Unsere Produktentwicklung arbeitet an neuartigen ETFs, die für den Versicherungs- und Pensionsmarkt konzipiert sein werden. Unter anderem werden diese Produkte auf gegebene regulatorische Anforderungen eingehen und diesen entsprechende Lösungen bieten. Wir erhoffen uns davon, dieses für uns noch wenig erschlossene Anlegersegment (Rohstoffe liegen weniger im Fokus der Versicherungen und Pensionsfonds- und kassen) zu öffnen und gleichzeitig unserem eigenen Anspruch nach innovativen Produktlösungen gerecht zu werden. Dazu dann aber mehr im neuen Jahr.
Andre Voinea ist Sales Associate Director bei ETF Securities. Er ist seit Januar 2013 beim Unternehmen und betreut Kunden in der deutschsprachigen Schweiz, in Liechtenstein und Deutschland. Zuvor war er als Fixed Income Structured Product Sales bei Nomura in London tätig. Voinea hat einen BSc in Internationaler Betriebswirtschaftslehre von der Frankfurt School of Finance & Management und ist ein CAIA Charterholder.