«Portfolios vor dem französischen Wahlausgang absichern»

07.04.2017
Herr Leung, wie können sich Investoren im Vorfeld der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen am 23. April 2017 positionieren?
Aktuell sieht alles danach aus, als ob die Wahl zwischen Marine Le Pen, Emmanuel Macron und François Fillon entschieden wird. Wir halten drei Szenarien für denkbar und auf deren Grundlage haben wir Optionen entwickelt, wie sich Anleger im Rahmen ihrer Vermögensallokation positionieren können, sei es taktisch über unsere Short- und Leverage ETPs oder strategisch über Smart-Beta ETFs.
Was ist das wahrscheinlichste Szenario, von dem Sie ausgehen?
Nun, wir erwarten, dass sich Le Pen und Macron ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, aus dem Macron als Sieger hervorgeht, weil sich die Mehrheit der französischen Wähler am Ende für einen gemässigten Zentristen und nicht für eine politische Spalterin entscheiden wird.
Was heisst das für französische Staatsanleihen?
Der Renditeaufschlag, den wir aktuell bei 10-jährigen französischen CATs und italienischen BTPs gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen sehen, erscheint uns angesichts dieses wahrscheinlichsten Szenarios übertrieben. Sollte Macron nach einem Wahlsieg wieder Vertrauen zurückgewinnen, könnten sich die Renditen europäischer Anleihen wieder annähern und die Spreads gegenüber Bundesanleihen verengen. ETPs bieten hier die Möglichkeit, im Hinblick zu BTPs und einem gegenüber dem US-Dollar gestärkten Euro «long» und gegenüber Bundesanleihen «short» zu gehen. Bei ETFs empfehlen währungsgesicherte Produkte mit breiter Branchenstreuung oder solche mit länderspezifischem Fokus.
Was aber, wenn Marine Le Pen gewinnt?
Frau Le Pen steht für eine radikale Aussenpolitik und eine wenig kohärente Wirtschaftspolitik. Die Risiken eines französischen EU-Referendums und einer nationalistisch ausgerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik bedrohen Frankreich und die Stabilität des gesamteuropäischen Projekts. Nach unserer Einschätzung würde der Druck auf französische OATs erneut steigen.
… und die Investoren würden in Deckung gehen?
Die anschließende Flucht in Sicherheit könnte Anleger dazu zwingen, in sichere Häfen wie Bunds oder Gold umzuschichten und ihre Portfolios durch Shorts abzusichern. Für diesen Fall schlagen wir eine Positionierung in Short- und gehebelte ETPs vor.
Was bedeutet diese Situation für den Euro?
Auf lange Sicht könnte der entstehende Druck auf den Euro ein Segen für Exporteure aus der Eurozone sein, da Anleger ihre Erwartungen an das Umsatz- und Gewinnwachstum der Unternehmen anheben.
Wie stellen sich Anleger am besten auf?
Länderspezifische Strategien wie etwa Anlagen in Deutschland bieten unter Umständen die besten Risiko-Ertrags-Chancen für Anleger, die bei Engagements in europäischen Aktien klar unterscheiden möchten und zyklischere Sektoren favorisieren gegenüber politisch sensiblen Branchen wie Versorger und Energieunternehmen, an denen der Staat gewöhnlich Beteiligungen hält. Unsere Strategien bieten hier einen breiten Korb von Dividendentiteln in Kombination mit einer währungsgesicherten Überlagerung, um die möglichen Folgen von Währungsschwankungen für internationale Anleger abzumildern.
Was ist der für Aktien-Investments bestmögliche Wahlausgang?
Wenn sich bereits eine frühe Niederlage für Le Pen im ersten Wahlgang abzeichnet, weil Macron und Fillon zulegen. Beide sind Befürworter des Euro und einer stärkeren Integration der EU. In diesem Fall würde die Risikobereitschaft der Anleger zunehmen. Bei der Performance kommt das vor allem breiten Aktienkörben aus der Eurozone zugute. Strategische Anleger sollten sich überlegen, in Körbe aus Large- und Small Caps zu investieren, um von der sich wieder aufhellenden Stimmung zu profitieren.
Das ist eine grosse Bandbreite von Szenarien, die Anleger in Betracht ziehen müssen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass 40 Prozent der Wähler, die sich in Umfragen bereit erklärt haben, Macron zu wählen, noch nicht fest entschlossen sind. Der Ausgang der ersten Wahlrunde steht damit noch längst nicht fest. Dass Marine Le Pen gewinnt, halten wir als nicht wahrscheinlich, aber trotzdem für möglich. Umso mehr sollten Anleger angesichts dieser Unsicherheit bei der Absicherung ihrer Portfolios auf ausgewählte ETFs und ETPs zurückgreifen.
Nick Leung ist seit 2015 als Research Analyst beim ETF-Anbieter WisdomTree Europe in erster Linie verantwortlich für Analysen, Investment-Strategien, volkswirtschaftliche Themen und Trading-Ideen. Zuvor war der studierte Wirtschaftswissenschaftler beim Finanzdienstleister Source tätig.