Research aus dem Homeoffice - Der etwas andere Blick auf den europäischen Fondsmarkt

27.07.2020
Herr Glow, haben Sie während der Krise noch mehr Artikel verfasst als sonst?
Der Ausbruch von Covid-19 hat nicht nur die Märkte verunsichert, sondern auch die Stimmung der Anleger stark belastet. Für Investoren war es in den vergangenen Monaten schwierig, Informationen zu anderen Themen als Corona zu erhalten, da der Virus das dominierende Thema in der Medienberichterstattung war. Da es nicht meiner Philosophie entspricht, Panik zu verbreiten, habe ich mich in dieser Zeit darauf konzentriert, über Themen zu schreiben, die zwar teilweise durchaus einen Bezug zur Krise hatten, sich aber eher an Fakten orientiert haben, um meinen Lesern so einen ungetrübten Blick auf einzelne Bereiche zu geben. Diese Ausblicke waren nicht immer positiv, da sie den Anlegern helfen sollen, mögliche Schwachstellen im System zu finden und diese bei ihren Investitionen zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist meine Analyse zu REITs und Fonds, die in Immobilien investieren, hier könnten die Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders stark zu spüren sein, da meiner Ansicht nach der Bedarf an Büroflächen zurückgehen wird. Das wird für viele Fonds kein Problem sein, aber die REITs und Fonds, die Leverage nutzen, könnten hier in massive Schieflagen geraten. Das könnte dann wiederum auch Folgen für High-Yield-Fonds haben, da viele Immobiliengesellschaften sich ihr Fremdkapital über den Anleihenmarkt beschafft haben. Ein weiteres Thema, mit dem ich mich beschäftigt habe, waren die Auswirkungen von den erneuten Zinssenkungen der Zentralbanken und ein möglicherweise längerfristig niedrigeres Dividendenniveau für einkommensorientierte Investoren und Pensionskassen. Aber um Ihre Frage zu beantworten: ja, ich habe sowohl während der Krise, aber auch aktuell, mehr Artikel verfasst als zuvor.
Und alles von zuhause aus?
Das ist richtig. Wir sind als Unternehmen weltweit seit Mitte März im «Homeoffice» und werden sehr wahrscheinlich auch noch bis zum Ende des Jahres dort bleiben. Allerdings wird diese Strategie sehr flexibel gehandhabt. So waren zum Beispiel nur wenige Standorte wirklich komplett geschlossen. Das heisst, es gab nur wenige Standorte, in denen die Mitarbeitenden tatsächlich nicht ins Büro kommen konnten. In den meisten Standorten können die Büros unter Einhaltung der Covid-19 bedingten Hygieneauflagen und Vorgaben zur maximalen Auslastung von den Mitarbeitenden genutzt werden.
Da das Lipper Research Team auf der ganzen Welt verteilt ist, war die Arbeit in virtuellen Teams für uns nichts neues. Somit hatte die Krise hier keinen grossen Einfluss auf unsere täglichen Arbeitsabläufe.
Zu den Fonds, um es auf den Punkt zu bringen: haben die Manager von aktiven Fonds ihren Job gut gemacht?
Das ist natürlich aus Sicht der Investoren die entscheidende Frage, und ich habe dies auch tatsächlich untersucht. Mit Blick auf das erste Halbjahr 2020 sieht es für die aktiven Manager gar nicht so schlecht aus. Zwar haben 53,2 Prozent der mehr als 33’300 weltweit verfügbaren Aktienfonds (Hauptanteilsklassen inklusive ETFs) es nicht geschafft, die ihnen von Lipper zugeordnete Marktbenchmark, den sogenannten technischen Indikator (dieser muss nicht der Fondsmanagerbenchmark entsprechen) zu schlagen, aber dieses Ergebnis ist nicht so schlecht wie viele vermuten würden. Wir haben bei dieser Analyse auch die Hypothese, dass nachhaltige Fonds ein besseres Risikoprofil als konventionelle Fonds besitzen, mituntersucht. Das heisst, wir sind der Frage nachgegangen, ob sich nachhaltige Geldanlagen während der Corona-Krise besser geschlagen haben als konventionelle Fonds. Das Ergebnis zeigt, dass nachhaltige Aktienfonds tatsächlich eine im Durchschnitt bessere Performance aufweisen als konventionelle Fonds. Wenn man die Quote der Outperformer (46.80 Prozent) in der oben genannten Untersuchung in konventionelle und nachhaltig ausgerichtete Fonds unterteilt, sieht man, dass 56.32 Prozent der nachhaltigen Fonds einen Mehrertrag zeigen, während es bei den konventionellen Fonds nur 45.91 Prozent sind.
… also sollten Anleger auf nachhaltige Fonds setzen?
Ich bin grundsätzlich der Ansicht, dass es eine gute Idee ist, bei der Geldanlage auch auf nachhaltige Aspekte zu achten, aber um ihre Frage zu beantworten, es kommt darauf an, welches Ziel der Anleger erreichen will. Eine Betrachtung der Wertentwicklung konventioneller Fonds, die einen Mehrertrag erwirtschaftet konnten, zeigt auf, dass diese Werte sowohl in der Spitze wie auch im Durchschnitt über denen von nachhaltigen Fonds lagen. Das heisst, Anleger, die Wert auf den maximalen Ertrag legen, sollten den Ergebnissen dieser Untersuchung zufolge auf konventionelle Fonds setzen.
Also gibt es doch einen Performancenachteil bei nachhaltigen Fonds?
Nicht wirklich, denn ebenso wie die Werte bei den Outperformern unter den konventionellen Fonds deutlich über denen der nachhaltigen Fonds lagen, waren die Werte der Fonds mit einer Underperformance deutlich schlechter als bei nachhaltigen Fonds mit einem Minderertrag. Dies führt im Durchschnitt über alle Fonds dazu, dass die nachhaltigen Fonds insgesamt einen Mehrertrag aufweisen, während die konventionellen Fonds eine leichte Underperformance aufweisen.
Hinzu kommt, dass der prozentuale Anteil der Outperformer bei den nachhaltigen Fonds deutlich höher ist als bei den konventionellen Fonds, das bedeutet, ich habe im Segment der nachhaltigen Fonds als Anleger eine höhere Chancen einen Fonds zu finden, der dann auch wirklich den erhofften Mehrertrag liefert.
Allerdings muss man hier anmerken, das in der Studie nur ein kurzes Zeitfenster untersucht wurde. Ebenso kann die Nutzung eines technischen Indikators für die Ermittlung der relativen Wertentwicklung die Ergebnisse (insbesondere bei den ETFs) in die eine oder andere Richtung verzerren. Zudem sind die Ergebnisse aus der Vergangenheit immer nur ein Indikator und können nicht ohne Einschränkungen in die Zukunft fortgeschrieben werden.
Link zum Disclaimer
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Lipper at Refinitiv. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Detlef Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.