«Rohstoffe vor Trendwende»

09.09.2015
Herr Dr. Schallenberger, jüngst wurde das viel beachtete «Commodity Yearbook 2015» der Landesbank Baden-Württemberg publik. Muss eine enorme Arbeit sein, 152 Seiten zusammenzutragen.
Da haben Sie Recht! Bis wir dieses Mal alles zusammenhatten, hat es dann doch rund fünf Monate gedauert. Umso schöner ist es, dann das fertige Werk auf dem Tisch zu haben.
Seit wann gibt es diese Publikation? Wie viele Leute arbeiten daran?
Wir veröffentlichen das Yearbook seit dem Jahr 2008. Insgesamt sind vor allem vier Rohstoff-Fachleute mit der Publikation beschäftigt. Daneben gibt es aber nochmals rund 15 Kolleginnen und Kollegen, die kleinere und grössere Beiträge beisteuern oder mit Layout und Druck beschäftigt sind.
Auf was sind Sie ganz besonders stolz?
Dass wir das Yearbook zum achten Mal in Folge herausbringen und dass wir im deutschsprachigen Raum die (meines Wissens) einzige Publikation verlegen, die sich so umfangreich mit dem Thema Rohstoffe beschäftigt.
Gibt es Rohstoffe, die Sie mehr mögen als andere oder schauen Sie sich das Universum neutral an?
Öl und Gold stehlen den anderen Commodities schon etwas die Aufmerksamkeit, weil Unternehmenskunden und Investoren vor allem auf die beiden schauen. Aber ich habe durchaus Sympathie für «Underdogs», die nicht so im Fokus stehen. Momentan beispielsweise für Nickel und Palladium.
Beim Gold erwartet Ihr Haus zum Jahresende eine Preiserholung je Feinunze bis auf 1.250 (aktuell: 1.118 US-Dollar). Wagen Sie sich da nicht etwas weit aus dem Fenster?
Nein, das denke ich nicht. 10 Prozent bis zum Jahresende sind durchaus drin! Die Fundamentals bei Gold bessern sich. Und nachdem der Aktienmarkt jetzt wieder etwas wackeliger unterwegs ist, schätzen die Investoren auch den Versicherungscharakter des gelben Metalls wieder vermehrt. Also: Kaufen an schwachen Tagen!
Bei welchen anderen Rohstoffen erwarten Sie sonst noch eine deutliche Preisbefestigung in den kommenden zwölf Monaten?
Ich erwarte das grösste Potenzial bei Basis- und Edelmetallen. Neben Gold sollten auch die weissen Edelmetalle wieder stärker anziehen. Gerade Palladium und Platin sind meines Erachtens aufgrund des überzogenen Konjunkturpessimismus für China & Co. deutlich zu stark unter die Räder gekommen. Ähnliches gilt für die Basismetalle. Da befinden sich die Notierungen auf einem Sechsjahrestief. Meiner Meinung nach eine gute Gelegenheit für Investoren zum Einstieg oder für Verbraucher, um sich die Preise längerfristig zu sichern.
Gibt es auch Rohstoffe, von denen - trotz der tiefen Preise - Investoren weiter die Finger lassen sollten?
Im Energiebereich wäre ich noch etwas vorsichtig. Da drohen aus Investorensicht relativ hohe Rollverluste. Zudem ist das Angebot wirklich enorm hoch. Aus Verbrauchersicht sollten wir uns daher noch eine Weile über niedrige Benzinpreise freuen können. Aus Investorensicht drängen sich Engagements nach der jüngsten Preiserholung (von immerhin rund 20 Prozent seit dem Tief im August) aber vorerst noch nicht auf.
Wo können Interessenten das «Commodity Yearbook 2015» bestellen, was sind die Kosten?
Das Yearbook kann in «haushaltsüblichen» Mengen kostenfrei über commodity.research@lbbw.de als Hardcopy oder PDF bestellt werden.
Dr. Frank Schallenberger ist Leiter der Devisen- und Rohstoffanalyse bei der LBBW. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Research-Erfahrung. Im Jahr 2008 entwickelte er die ersten LBBW Rohstoff-Indizes, denen die Future-basierten Rohstoff-Fonds der LBBW zugrunde liegen. Die Assets under Management (AuM) in diesen Anlageformen liegen momentan bei rund 500 Mio. Euro. Studium (VWL) und Promotion (über Wechselkursspekulationen) absolvierte er an der Universität Konstanz. Als gesuchter Experte zum Thema Devisen und Rohstoffe ist er regelmässiger Gast bei diversen Veranstaltungen und Kongressen sowie in Print & TV. Rohstoffe spielen auch eine wichtige Rolle in seinem Privatleben, da er in seiner Freizeit eine kleine (Zitat: «aber feine») Weinhandlung (sofern Wein als Rohstoff bezeichnet werden kann) in Stuttgart betreibt.