«Rohstoffminen haben operative Basis für Cash-Flow-Zyklus gelegt»

03.07.2014
Herr Bachmann, wie sieht die Situation bei den Rohstoffminenunternehmen aus?
Die Situation sieht viel besser aus als noch vor 12 Monaten. Wir beobachten, dass die eingeführten Restrukturierungsmassnahmen insgesamt greifen und Resultate liefern. Die operativen Minenkosten sind über die letzten fünf Quartale substanziell gesunken und sinken weiter. Die Margen haben sich stabilisiert und expandieren nun. Dies bildet die Basis für eine starke Ausweitung der Cash Flows, beginnend ab 2014.
Können die Unternehmen bereits dieses Jahr positive Free Cash Flows erwirtschaften?
Craton Capital hat in veröffentlichen Analysen mehrere Male darauf hingewiesen, dass der Investitionszyklus der Minenindustrie in 2012 den Höhepunkt erreicht hatte. Letzten September zeigten wir auf, dass die Minenbetreiber eine komplette strategische Kehrtwende vollzogen haben: Wachstum um jeden Preis, um von den gestiegenen Rohstoffpreisen noch stärker profitieren zu können, schwenkte in strikte Kostenkontrolle, um auch bei fallenden oder flachen Rohstoffpreisen profitabel zu bleiben. Wenn alle Firmen gleichzeitig auf die Kostenbremse treten und Expansionausgaben reduzieren/streichen, dann schwenken die aggregierten operativen Cash- Flow-Ströme in positiven freien Cash Flow. Ja, dies beginnt bereits in 2014!
Erwarten dies Analysten und Investoren?
Nein. Dass die Unternehmen des Minensektors, nachdem sie in den letzten Jahren viel Geld «verbraten» haben, ab 2014 eine operative und finanzielle Kehrtwende erreichen, an das glauben nur Querdenker. Zudem entsprechen Rohstoffaktien nicht einer Trendanlage, somit vernachlässigen Analysten und Investoren eine entsprechende Einschätzung.
Was hält denn die Marktteilnehmer davon ab?
Wir nennen es die «Komfortzone». Zum Jahresstart 2014 ähnelten sich die Assetallokationen allesamt. Aktien sind darin stark übergewichtet, Fokus bleibt Nordamerika und Europa. Rohstoffe und Minenaktien werden tunlichst vermieden. Die Anleger wissen, dass die Zentralbanken (insbesondere die Fed) als grösste Anlegergruppe höhere Aktienmärkte begrüssen, weil diese sich davon einen Vermögenseffekt versprechen, der helfen könnte, ihre schwächelnden Wirtschaften zu beflügeln. Abgesehen von einer kurzen Periode Ende Februar/Beginn März sind die Investoren mit einer solchen Aufstellung im ersten Halbjahr noch gut gefahren, wobei das Umfeld trügerisch ist.
Inwiefern trügerisch?
Insgesamt reflektieren die Finanzmärkte der industrialisierten Länder derzeit einen starken Gewinnanstieg der Unternehmen, eine sehr tiefe Inflation und ein tiefes Zinsumfeld mit negativen realen Raten bis 2017. Gleichzeitig weitet sich die globale Liquidität aus. Aber die Erholung der US- und der europäischen Wirtschaft hinkt weiterhin der Finanzmarkterwartung hinterher (und nicht erst dieses Jahr). Die Aktien in Nordamerika und Europa erleben eine Bewertungsexpansion, die nicht durch adequat zugrundeliegende unternehmerische Verbesserung getrieben ist. Beispiel: Die Unternehmensgewinne sind in den USA über die vergangenen 12 Monate gesunken.
Sie kritisieren somit, dass der Markt inkonsistent ist?
Kurzfristig absolut! Das Beispiel der Goldminen für die Periode zwischen 1Q’13 und 1Q’14 ist sehr anschaulich. Der durchschnittliche Goldpreis fiel in diesem Zeitraum um 21 Prozent, die operativen Gesamtkosten (All-In Sustaining Costs) sanken jedoch stärker, um 23 Prozent auf nunmehr USD ~960/Unze, weshalb die operative Marge «nur» um 13 Prozent zurückglitt. Wichtige Goldindizes korrigierten aber um 40 Prozent. Die Unternehmen «liefern» operativ und seit zwei Quartalen steigern sie die Marge sogar wieder. Der Markt müsste eigentlich den Turnaround, das heisst steigende Margen, einen Umschwung der operativen Cash Flows, positive freie Cash Flows und einen stark verbesserten Gewinntrend pro Aktie reflektieren. Tut er nicht. Der Markt ist insofern inkonsistent, dass er ein stark verbessertes Risiko-Rendite-Profil bei den Rohstoffminen ignoriert, aber Aktien der entwickelten Länder weiter honoriert, obwohl sich deren Risiko-Rendite- Kalkulation verschlechtert.
Womöglich geht der Markt halt davon aus, dass der Goldpreis von den jetzigen Niveaus stark fällt?
Die breitläufige Meinung zu Gold ist: Ein starker Anstieg des US-Dollars und der realen Zinsen in den USA führt zu weiterhin hohen ETF-Abflüssen im Umfang von mehreren hundert Tonnen. Dazu gleitet die physische Nachfrage signifikant zurück. Kombiniert sollte dies zu einem substanziell tiefereren Goldpreis im Bereich USD 1‘050-1‘100/Unze führen, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Auch hier gilt: Erwartung hält der Realität weiterhin nicht statt. Mitunter prominente Anlagehäuser unterlegen ihre Empfehlungen mit Argumenten, die einer näheren Betrachtung nicht Stand halten.
Aber wir können ja sehr oft lesen, dass im Rohstoffbereich ein breites Überangebot besteht. Das verunsichert die Investoren natürlich.
Diese Lücke zwischen Angebot und Nachfrage, die zu stark sinkenden Rohstoffpreisen führen sollte, ist halt doch kleiner als Ende 2013 von sehr vokalen Anlagehäusern prognostitziert wurde. Einige Minenprojekte werden später als angekündigt die Produktionsphase erreichen, Produktionsanlagen werden geschlossen und nicht ersetzt, oder es gibt Regierungsinterventionen im Bergbausektor. Das Angebotswachstum hält insbesondere bei Nickel, Kupfer und anderen Basismetallen nicht mit der Markterwartung Schritt. Eine Ausnahme ist noch Eisenerz, wo derzeit neue und kostengünstigere Kapazität aus Australien den Markt und insbesondere China erreicht, aber China selber ihre zu teuren Produktionsanlagen zu wenig reduziert.
Sie bleiben somit bei der Meinung, dass der Rohstoffzyklus nicht vorbei ist?
Der grösste Investitionszyklus in der Geschichte des Bergbaus (2001 bis 2012) wurde vor zwei Jahren jäh beendet. Die in dieser Zeit neu geschaffenen Kapazitäten werden nur vorübergehend genügend Angebot generieren. Das neue «Sparbewusstsein» im Bergbausektor und die gestoppten Expansionsausgaben werden in zwei bis drei Jahren eine substanzielle Angebotslücke zur Folge haben, weil a) die Weltwirtschaft wächst und b) die Trends Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Industrialisierung weiterbestehen. Das Resultat sind für 2014 flachere und mittelfristig wieder anziehende Rohstoffpreise. Dies ist die Grundlage für einen neuen und sehr attraktiven Cash-Flow- und Gewinn-Zyklus der Unternehmen.
Wie können sich Investoren dafür positionieren?
Investorengelder in diese Anlageklasse fallen weiterhin historisch tief aus, aber die Minenunternehmen geniessen eine operativ bessere Aussicht. Somit ist eine Sektorrotation nicht eine Frage ob, sondern wann sie geschehen wird. Eine Bündelung qualitativ guter Unternehmen, die attraktives Produktions-, Cash-Flow- und Gewinnwachstum offerieren, wird überdurchschnittlich profitieren können. Diese findet der Investor jedoch nicht in ETFs abgedeckt, denn diese ETFs beinhalten viele qualitativ inferiore Unternehmen. ETFs auf das Metall oder den Rohstoff haben zudem den Nachteil, dass diese den jetzt verbesserten operativen Cash-Flow und Reingewinnhebel (somit Dividende) der Unternehmen nicht offerieren können.
Markus Bachmann hat Craton Capital im Jahr 2003 mitbegründet. Er berät die Craton Capital Precious Metal und Global Resources Fonds. Er besitzt einen Abschluss in Betriebs- und Volkswirtschaft (cum laude) der Universität Bern und begann seine Karriere im Corporate-Finance-Bereich der Credit Suisse Group, bevor er 1997 in das Emerging-Markets-Team von SBC Brinson Asset Management (heute UBS) wechselte. Im Jahr 2000 ging er als Senior Portfoliomanager und Spezialist für die globalen Rohstoffmärkte zu Coronation Fund Managers in Kapstadt (Südafrika) und wurde zum verantwortlichen Fondsmanager für mehrere Retail-Produkte und institutionelle Mandate ernannt.