«Schwankungen sind völlig normal»

21.11.2018
Herr Meyer zu Drewer, haben Sie die Bücher für 2018 schon geschlossen oder legen Sie noch einen Endspurt hin?
Die Bücher Ende November zu schliessen, wäre ein wenig verfrüht. Schliesslich haben wir noch vier Wochen Zeit bis zum Ende eines sicherlich herausfordernden Jahres! Ausserdem gibt es die vermeintlichen «Ruhepausen» an den Kapitalmärkten schon lange nicht mehr. Das hat meiner Meinung nach mit der Globalisierung der Informationsströme zu tun: Nachrichten sind heutzutage immer und überall verfügbar.
Die Neugeldzahlen der erfolgsverwöhnten europäischen ETF-Industrie für den Oktober waren schwach. Ein Ausrutscher oder neue Realität?
Es ist interessant, dass Sie den Begriff «Neue Realität» verwenden. Die Bezeichnung «Neue Normalität» ist in der jüngsten Vergangenheit immer dann gerne benutzt worden, wenn irgendetwas sachlich oder rational nicht zu erklären war. Wobei Rationalität und Kapitalmärkte nicht immer die gleichen Paar Stiefel sein müssen. In diesem Jahr, dem 10. Jahr eines von manchen weiterhin erwarteten und von manchen eher gefürchteten Bullenmarktes, war schon seit Jahresbeginn grosse Verunsicherung zu spüren. Und hohe Unsicherheit geht mit einem veränderten Anlegerverhalten einher. Insofern war der Oktober nicht untypisch: Sehr hohe Umsätze in ETFs. Umsätze heisst aber nicht nur Käufe, sondern auch Verkäufe. In den Zahlen zu verwalteten Vermögen wirken sich positiv aber nun mal nur Zuflüsse aus. Ein Ende des Wachstums bei ETFs sehe ich jedoch nicht. Dass es Schwankungen geben kann, ist völlig normal.
Was waren die Highlights für Ihr Haus in diesem Jahr?
Besonders erfreut hat uns die weiter steigende Akzeptanz von ETFs bei Anlegern. Deutlich lässt sich das an den positiven Zuwächsen bei Sparplänen ablesen. Ein Thema, das uns seit sehr, sehr langer Zeit am Herzen liegt. Denn für viele Menschen sind Sparpläne eine ideale Möglichkeit, langfristig und diversifiziert Vermögen aufzubauen.
Gibt es auch etwas, das Sie gerne vergessen würden?
Vor Beginn eines jeden Jahres kommt ganz natürlich die Frage, was man erwartet. Kaum jemand hatte den starken Anstieg der Volatilität zu Beginn des Jahres erwartet. Auch wenn in Jahresrückblicken etwas anderes suggeriert werden wird. Und ich weiss natürlich, dass auch das neue Jahr wieder anders kommen wird als heute zu erwarten ist. Und da sind wir schon fast bei Mark Twain mit seinem Ausspruch zur Schwierigkeit von Börsenmonaten. Ich mag die Herausforderungen eines jeden einzelnen Jahres, und das schon seit bald drei Jahrzehnten. Insofern möchte ich nichts missen oder vergessen.
Was wünschen Sie sich beruflich für die kommenden Monate?
Einen versöhnlichen Ausklang an den Märkten mit erwartungsfrohen Hoffnungen für das neue Jahr. Denn das ist das Salz für auch in ertragreiche Märkte.
Thomas Meyer zu Drewer verantwortet als Geschäftsführer das ETF-Geschäft der Commerzbank unter der Marke «ComStage». Er begleitet den ETF-Markt in Europa seit seiner Entstehung vor bald 20 Jahren.