«Sehr mächtige Menschen wollen, dass ich meine Videos lösche»

Mitglied der Chefredaktion der «Handelszeitung» und Chefredaktor des Magazins «Millionär»
Ringier Axel Springer Schweiz AG, Zürich
handelszeitung.ch
13.04.2021
Herr Büsser, Sie sind ein sehr erfahrener Profi im Journalismus. Wenn Sie einen der vielen Höhepunkte nennen sollten, welchen?
Zum Beispiel die vier Journalistenpreise.
Sie dürfen nur einen nennen.
Ok, dann den jüngsten, den «Private-Medienpreis für Qualitätsjournalismus 2020». Für eine Geschichte darüber, warum Menschen viel lieber Lotto spielen, statt an der Börse Geld zu investieren.
Wieso spielen die Menschen lieber Lotto?
Weil sie sich im Umgang mit Geld von der Intuition in die Irre führen lassen. Der österreichische Kabarettist Karl Farkas formulierte es so: «Beim Denken ans Vermögen leidet oft das Denkvermögen». Im Vergleich von Börse und Lotto führe ich das ganz konkret vor: Mit dem durchschnittlichen Lottoeinsatz pro Person und Jahr in der Schweiz können an der Börse über die Jahre Millionen werden, während im Lotto fast sicher alles weg sein wird.
In Ihrem Buch «Plötzlich Geld» kommt das Thema auch vor. Würden Sie nochmal ein Buch schreiben?
Ja, denn der Erfolg des ersten Buches hat mir viel Freude bereitet. Es war einige Monate unter den meistverkauften Wirtschaftsbüchern der Schweiz. Die erste Auflage war relativ schnell ausverkauft, und derzeit ist es in der zweiten Auflage noch verfügbar.
Man kennt Sie auch vom Magazin «Millionär», wo Sie über die schönen Facetten des Lebens berichten. War das Ihre Idee?
Nein, das Magazin gab es schon als Anlegerpublikation. Ich habe den Schwerpunkt mehr auf das Geschichtenerzählen verlegt, etwas mehr auf den Genuss. Dank der Arbeit von Art Directorin Berit Bisig und Fotochef Andreas Wilhelm ist das Magazin luxuriös und klar gestaltet. Das zeigt sich auch bei der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe, über Rassekatzen, die teuer wie Autos sein können. Empfehlenswert auch die Ausgabe mit der Reportage über die Auktion von Supercars am Genfersee. Dort boten Milliardäre in einer ehemaligen Kirche die Preise für tiefergelegte Autos in einmalige Höhen. Unter anderem hat sich der kürzlich verstorbene Benjamin de Rothschild an dem Anlass einige Autos ersteigert. Hier nachzulesen.
Das Lesen dieser Geschichte lohnt sich genauso, wie die Ausfahrt mit dem ersten Elektroporsche der Neuzeit in die Vergangenheit der elektrischen Trophy Cars. Hier die Story.
Aber ganz bestimmt war es Ihre Idee, die regelmässigen Video-Clips aus dem Homeoffice zu drehen. Die haben fast schon Kultcharakter…
Das ist eine interessante Geschichte: Wir haben im Videoteam einen «Head of Crazy Shit».
Head of Crazy Shit?
Ja, das ist seine Funktionsbezeichnung. Er heisst Karim Niazi, und ich kenne ihn aus dem gemeinsamen Physikstudium. Er hat mich gefragt, ob ich im Lockdown aus dem Homeoffice etwas über Wirtschaft erzählen könnte. Ich wollte gerne, aber nicht so langweilig, wie schon viele andere Wirtschaftsformate.
Dann hatten Sie die Idee mit dem Telefon?
Noch in der gleichen Woche hatte ich die Idee: Ich beantworte jeweils eine aktuelle Frage mit einer steilen These, dann ruft mich jemand an, der mir widerspricht, mir sagt, ich müsse das Video löschen. Am Anfang war die Idee, dass mich jeweils mein Chef, Stefan Barmettler, anruft, und das Löschen befiehlt. Aber es wurden dann unterschiedliche Charaktere, die mich anrufen: Ein Unternehmer, ein Anleger, ein Bundesrat, der Nationalbankpräsident. Sehr mächtige Menschen wollen, dass ich meine Videos lösche.
Die Videos sind lustig und lehrreich, aber kaum von Ihnen allein produziert.
Nein, ich drehe die Rohversionen allein bei mir zu Hause, und das Videoteam hat wunderbare grafische Elemente und Töne eingebaut, die Akzente setzen - etwa eine schimpfend-quäkende Stimme für die Anrufer, die natürlich Satire sind.
Hier einige Beispiele:
- Swiss
- Rettet die Faxgeräte
- Börse gewinnt gegen Lotto
- Beim Denken ans Vermögen leidet oft das Denkvermögen
- Was ist Geld?
- Bitcoin ist eine Bratwurst
Was darf man als Nächstes von Ihnen erwarten?
Vielleicht mal etwas ganz Anderes. Vorschläge sind immer willkommen. Sowieso weitere gute Geschichten und Videos, wahrscheinlich bald auch mal ein Webinar.
Link zum Disclaimer
Harry Büsser ist Mitglied der Chefredaktion bei der «Handelszeitung» und Chefredaktor des Magazins «Millionär». Er hat Risikomanagement an der Universität St. Gallen studiert. Zudem hat er die Ausbildung zum Chartered Financial Analyst (CFA) abgeschlossen und sich an der Universität Zürich in Physik weitergebildet, sowie eine Programmierausbildung zum Full Stack Developer abgeschlossen. Er war in seiner Karriere Berater, Banker, Finanzjournalist und Wirtschaftsreporter bei der der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens sowie Produzent von «SRF Börse». Fast ein Jahrzehnt war er für das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» tätig, wo er unter anderem als Leiter der Finanzredaktion das Privat Banking Ranking verantwortete. Büsser ist vielfach ausgezeichneter Journalist. Unter anderem wurde er in Frankfurt für die beste Analyse im deutschsprachigen Raum gefeiert. Es ging dabei um eine Geschichte über Hochfrequenzhandel.