«Semi-aktive Fondsmanager sollten auf Dauer keine Zukunft haben»

17.03.2014
Herr Masarwah, Morningstar analysiert sowohl ETFs als auch aktiv verwaltete Fonds. Bei ETFs rücken Smart-Beta-Produkte immer stärker in den Fokus. Sehen Sie eine Konvergenz beider Welten?
Ja und nein. Einerseits konkurrieren die ETF-Anbieter wie auch die Manager aktiv verwalteter Fonds um ein knappes Gut, nämlich das Geld der Anleger. Investoren können denselben Euro/Franken nicht zweimal ausgeben, insofern ist das grosso modo ein Nullsummenspiel. Da überrascht es nicht, dass die ETF-Anbieter immer stärker im Gefilde aktiv verwalteter Fonds wildern und über Faktorwetten versuchen, die Anleger einzufangen, die aktive Ansätze gegenüber reinem Marktbeta bevorzugen.
Andererseits?
Nun, ich meine, dass in letzter Konsequenz ETFs und aktiv verwaltete Fonds eher auseinanderdriften bzw. sich über kurz oder lang differenzieren müssten. Die grosse Masse der Fonds am Markt folgt ihrem Index. Es handelt sich also um semi-aktive Fonds, die allerdings hohe Gebühren vereinnahmen. Das ist aus Anlegersicht schlecht, denn solche Fonds können bestenfalls eine Bruttorendite erzielen, die der Marktrendite entspricht. Bei hohen Kosten fällt bei solchen Produkten die Nettorendite deutlich schlechter aus als bei vergleichbaren ETFs, die nur einen Bruchteil von aktiv verwalteten Produkten kosten. Ginge es am europäischen Fondsmarkt mit rechten Dingen zu, dann gäbe es solche Produkte nicht. Ich vermute, dass immer mehr Anleger über die Zeit bei semiaktiven Fonds mit den Füssen abstimmen werden. Aber das kann dauern.
Warum? Fonds wie auch ETFs sind sehr transparent, und die Kosten sind für jedermann sichtbar.
Es gibt etliche Gründe, warum die klare Trennung zwischen Alpha und Beta bzw. dem Herausdrängen von verkappten Beta-Managern eher ein schleichender Prozess sein wird und keine erdrutschartigen Verschiebungen zu erwarten sind. Das Problem ist, dass sich viele Anleger mit Blick auf Finanzbildung auf Analphabetenniveau bewegen. Sie haben wenig Verständnis über die Funktionsweise des Kapitalmarkts und die Konstruktionsweise von Finanzprodukten. Das ist ein Grund, warum es Finanzskandale gibt, in denen Anleger mit windigen Produkten und Schneeballsystemen geschädigt werden. Darüber hinaus führt die Kombination aus Ahnungslosigkeit und mangelndem Interesse dazu, dass sich viele Anleger nicht informieren. Gehen sie zu ihrer Bank, werden ihnen in aller Regel hauseigene Produkte angeboten - ausserdem ist der Finanzvertrieb nach wie vor auf Kickbacks fixiert. Deshalb kommen ETFs so gut wie nie in Filialbanken in Anlegerportfolios zum Einsatz.
Morningstar gilt als stark anlegerorientiertes Research-Haus. Welche Rolle können Sie spielen?
Ich habe ja erwähnt, dass die Veränderung der Anlegermentalität ein schleichender Prozess ist. Wir können unseren bescheidenen Beitrag dazu leisten, indem wir aufklären über Märkte, Produkte und ihre Strategien. Anleger finden auf morningstar.ch einen sehr reichhaltigen Baukasten von Tools, aber auch von anlegerorientierten Analysen und Beispielrechnungen, mit denen sie in die Lage versetzt werden, qualifizierte Anlageentscheidungen zu treffen.
Können Sie ein Beispiel geben?
Wir entmystifizieren gerne die Welt der Kapitalanlage. Zum einen versuchen wir, die Finanzwelt als das darzustellen, was sie ist: komplex, aber mit einem Mindestmass an mathematischem Verständnis und gesunden Menschenverstand doch für interessierte Anleger zu erfassen. Schliesslich stehen die meisten Menschen unter dem Druck, für ihre Altersversorgung privat zu sparen. Dafür sind Fonds ein phantastisches Instrument, seien es aktive Fonds oder ETFs. Mit nur wenigen Produkten können Anleger ein wirklich hervorragend diversifiziertes Portfolio aufbauen. Wir zeigen Investoren, wie man solche Portfolios mit nur wenigen Schritten aufbaut. Ein diversifiziertes Portfolio auf Fondsbasis, das einmal aufgesetzt und regelmässig im Zuge eines Rebalancing auf die Ausgangsposition zurückgeführt wird, schlägt in der Regel die meisten taktischen Strategien. Auch hierzu haben wir viel veröffentlicht. Auch wenn ich Analysen zu beiden Produktwelten, ETFs und aktiven Fonds, verfasse, muss ich gestehen, dass - gerade wegen der vielen teuren semi-passiven Fonds - die meisten Anleger vermutlich mit breit aufgestellten ETFs, die Standard-Indizes wie den DAX oder SMI abbilden, am besten bedient sind. Mit solchen einfachen Produkten erhalten Anleger ein diversifiziertes Portfolio zu Konditionen, wie sie sonst nur institutionelle Anleger bekommen können.
Ali Masarwah ist Mitglied im europäischen Research-Team von Morningstar und als Chefredaktor für die deutschsprachigen Websites von Morningstar verantwortlich. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin fand er recht zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt, wo er zunächst als Chefredakteur das Magazin «portfolio international» übernahm. Von 2006 bis zu seinem Wechsel zu Morningstar im Herbst 2011 hatte er zusätzlich als Redaktionsleiter die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Websites des Verlags inne.