Sieben fette Jahre für Rohstoffe!

31.05.2018
Herr Dr. Schallenberger, der Goldpreis steht still, der Ölpreis fliegt davon. Kann man dies so salopp sagen?
Ja, das kann man tatsächlich so sagen! Dem Goldpreis hat zuletzt vor allem der wieder festere US-Dollar zu schaffen gemacht. Und beim Öl hat die starke Nachfrage aufgrund des soliden Weltwirtschaftswachstums in Verbindung mit der Förderbremse der OPEC zu einem Angebotsdefizit geführt - mit der Folge, dass Brentöl vor kurzem zum ersten Mal seit November 2014 zeitweise wieder über die Marke von 80 US-Dollar gestiegen ist.
Macht es überhaupt noch Sinn, Gold im Depot zu halten?
Auf jeden Fall! Gold stellt einfach eine Versicherung für jedes Portfolio dar. Das hat man gerade bei der politischen Krise um Italien wieder gut sehen können: Staatsanleihen aus Italien, Griechenland, Portugal oder Spanien stürzen ab, Bank- und Versicherungsaktien kommen unter die Räder - aber der Goldpreis bleibt stabil. Gerade diese Unkorreliertheit zu anderen Assetklassen macht Gold so besonders. Eine Prise Gold im Portfolio bringt die Volatilität nach unten - und das tut jedem Portfolio gut!
In welchen anderen Rohstoffen gab es seit Jahresbeginn grössere Kursbewegungen?
Die Top-Performer in diesem Jahr sind Weizen, Soja und Weizen (+16 Prozent bis +20 Prozent), daneben haben WTI und Brent gut abgeschnitten (+13 bzw. +17 Prozent) und auch Nickel hat ordentlich zulegen können (+16 Prozent).
Was sind die Gründe dafür?
Bei den Agrarrohstoffen war einfach mal die Zeit reif für eine Gegenbewegung. Immerhin hat sich der Bloomberg Agriculture Subindex von Mitte 2012 bis Ende 2017 mehr als halbiert! Für den Anstieg beim Öl war vor allem das knappe Angebot der OPEC verantwortlich. Und Nickel zog wegen drohender Sanktionen der USA gegen Russland an. Russland fördert immerhin rund 10 Prozent des weltweiten Nickelangebots. Zudem profitiert das Basismetall weiterhin durch die Elektromobilitäts-Phantasie aufgrund seiner Verwendung bei Akkumulatoren.
Wie sehen Sie den Rohstoffmarkt insgesamt in den kommenden Monaten?
Schon in der Bibel ist zu lesen, dass sich sieben magere und sieben fette Jahre abwechseln. Die sieben mageren Jahre sind Ende 2015 bei den Rohstoffen zu Ende gegangen. Seitdem sind die fetten Jahre angebrochen. Zweieinhalb Jahre haben wir nun hinter uns - das heisst, es wird noch vier oder fünf Jahre nach oben gehen. Fundamental kann man das auch ganz gut ableiten. Denn die Nachfrage boomt aufgrund des starken Weltwirtschaftswachstums. Die Unternehmen sind aber bei den Investitionen immer noch sehr zurückhaltend. Sowohl bei den Minenunternehmen als auch in der Ölbranche liegen die Investitionen auf dem niedrigsten Niveau seit zehn Jahren. Aus relativ niedrigem Angebot und hoher Nachfrage folgen weiter steigende Preise. Dieser Trend wird sich solange fortsetzen, bis entweder die Nachfrage nachlässt oder auf der Angebotsseite einmal mehr Überkapazitäten entstehen.
Dr. Frank Schallenberger ist Leiter der Rohstoffanalyse bei der LBBW. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Research-Erfahrung. Im Jahr 2008 entwickelte er die ersten LBBW Rohstoff-Indizes, denen die Future-basierten Rohstoff-Fonds der LBBW zugrunde liegen. Die Assets under Management (AuM) in diesen Anlageformen liegen momentan bei über 800 Mio. Euro. Studium (VWL) und Promotion (über Wechselkursspekulation) absolvierte er an der Universität Konstanz. Als gesuchter Experte zum Thema Rohstoffe ist er regelmässiger Gast bei diversen Veranstaltungen und Kongressen sowie in Print & TV. Rohstoffe spielen auch eine wichtige Rolle in seinem Privatleben, da er in seiner Freizeit eine kleine Weinhandlung (sofern Wein als Rohstoff bezeichnet werden kann) in Stuttgart betreibt.