«Sieg Donald Trumps könnte sich auf dieses Anlagethema auswirken»

23.09.2016
Frau Calich, wie sieht Ihre Prognose für Schwellenmärkte aus?
Der Trend zur Verschlechterung der Schuldensituation und Kreditqualität in diesen Ländern verlangsamt sich allmählich, und zwar obwohl das Wirtschaftswachstum global auf der Stelle tritt. Zum einen haben sich die Rohstoffpreise - vor allem der Ölpreis - stabilisiert. Zum anderen dürften einige wichtige Volkswirtschaften wie Brasilien und Russland, die sich derzeit in einer Rezession befinden, mittlerweile die Talsohle des Abschwungs erreicht haben. Anleger müssen sich daher fragen, ob sie für ihr Engagement in Schwellenländern angemessen kompensiert werden. Meiner Meinung nach lautet die Antwort ja, vor allem angesichts der anhaltenden Suche nach alternativen Renditequellen. Besonders wichtig ist dabei, die Risiken sorgfältig zu steuern und gefährdete Emittenten zu meiden. Wenn das gelingt, eröffnen Schwellenländeranleihen immer noch Chancen - zumal sie immer noch relativ hohe Renditen zu bieten haben.
Was waren in den letzten Jahren die wesentlichsten Veränderungen?
Schwellenländer hatten lange mit rückläufigem Wachstum, schwachen Rohstoffpreisen, politischer Unsicherheit und zunehmenden Unternehmensausfällen zu kämpfen. Ich war immer der Ansicht, dass bei solch dynamischen Entwicklungen ein flexibler Investmentansatz nötig ist, um sich zwischen verschiedenen Anleihetypen bewegen zu können. Umso mehr, da die Streuung der Erträge zwischen Hart- und Lokalwährungsanleihen sowie zwischen Staats- und Unternehmensanleihen in den letzten Jahren stark zugenommen hat.
Vor allem Unternehmensanleihen bieten inzwischen eine sehr breite Auswahl von Anlagemöglichkeiten über Länder und Branchen hinweg - eine sorgfältige Kreditanalyse vorausgesetzt. Damit werden nun auch Investitionen in Ländern möglich, in denen der Staat keine investierbaren Schuldtitel ausgibt. Zudem können Anleihen von Unternehmen interessant sein, die in einem Schwellenland ansässig sind, aber über Einkommensströme aus Industriestaaten oder aus mehreren Regionen verfügen.
Für welche Länder sind Sie optimistisch gestimmt und warum?
Unter den grösseren Schwellenmärkten gefällt mir Indien, da es von niedrigen Rohstoffpreisen profitiert und nur begrenzt vom schwächeren Wachstum in China betroffen ist. Die Schuldenlast ist zwar ziemlich hoch, aber da ein Grossteil davon in Lokalwährung denominiert ist, ist sie dennoch tragbar. Die Inflation liegt bei etwa 6 Prozent und dürfte sich noch weiter in Richtung des Zielniveaus von 4 Prozent bewegen. Seit Narendra Modi 2014 die Wahlen gewann, hat er einige sinnvolle Reformen umgesetzt. Am Markt und in den Preisen indischer Anleihen ist dies allerdings bereits berücksichtigt.
Besonders mag ich ausserdem diejenigen Schwellenländer, die von der Stärke der US-Wirtschaft profitieren können. Dazu zählt Mexiko als wichtiger US-Exporteur, aber auch einige kleinere Märkte in Mittelamerika und der Karibik. Länder wie Honduras, Guatemala und die Dominikanische Republik profitieren von höheren Geldtransfers ihrer Staatsbürger, die in den USA leben und arbeiten. Ein Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl im November könnte sich allerdings auf dieses Anlagethema auswirken.
Für welche Länder dürfte es Ihrer Ansicht nach künftig schwer werden und warum?
Da sind zum Beispiel die mittel- und osteuropäischen Staaten zu nennen, die vom bevorstehenden Brexit besonders stark betroffen sind. Auch die Türkei hat mit einigen politischen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, die durch die jüngste Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit noch erschwert wurden. Nicht zuletzt hat natürlich Brasilien im letzten Jahr viel Aufmerksamkeit erregt. Der neue Präsident Michel Temer muss das Land aus der Krise führen und kann sich auf ein günstiges Umfeld stützen. Das Leistungsbilanzdefizit Brasiliens schrumpft zurzeit und auch die Inflation wird allmählich schwächer. Für eine nachhaltige Erholung Brasiliens ist es jedoch sehr wichtig, dass Temer Reformen durchsetzt. Vor allem die sozialen Sicherungssysteme müssen dringend erneuert werden, um die brasilianische Schuldendynamik zu lösen.
Was sind die grössten Probleme, mit denen die Schwellenmärkte derzeit zu kämpfen haben?
Viele Anleger sind besorgt, dass der Brexit das Wirtschaftswachstum in Grossbritannien, Europa und letztlich global bremsen kann und zudem der Handelsprotektionismus wieder auflebt. Darunter würden auch die Schwellenländer leiden. Eine protektionistische Gefahr ginge auch von Donald Trump als US-Präsidenten aus. Er hat bereits angekündigt, dass er die derzeitige Handelsbeziehung der USA zu China ändern will. Einfuhrzölle oder andere Importbarrieren für chinesische Waren könnten jedoch eine Gegenreaktion durch China hervorrufen und die Wirtschaft beider Märkte stören. Immerhin ist China derzeit der grösste Lieferant von Importgütern in die USA und gleichzeitig der drittgrösste Exportmarkt für die Amerikaner. Wie stark die Auswirkungen für China sind, hängt aber davon ab, ob auch der Renminbi und der Finanzsektor getroffen würden. Für das restliche Asien, insbesondere für kleinere und offenere Volkswirtschaften wie Singapur, Taiwan und Malaysia, wären die negativen Auswirkungen auf das Wachstum wesentlich stärker, da der Export in diesem Ländern in hohem Mass zur Wirtschaftstätigkeit beiträgt. Im Falle eines Handelskriegs zwischen den USA und China würden die Währungen dieser Länder aller Wahrscheinlichkeit nach abwerten.
Claudia Calich kam im Oktober 2013 als Spezialistin für Schwellenmarktanleihen zu M&G und wurde im Dezember 2013 zur Fondsmanagerin des M&G Emerging Markets Bond Fund ernannt. Im Juli 2015 übernahm sie zusätzlich als Leitende Fondsmanagerin den M&G Global Government Bond Fund und wurde zur Stellvertretenden Fondsmanagerin des M&G Global Macro Bond Fund ernannt. Claudia Calich verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Schwellenmärkten und war zuletzt als Senior Portfolio Manager bei Invesco in New York tätig. Davor arbeitete sie in verschiedenen Positionen bei Oppenheimer Funds, Fuji Bank, Standard & Poor’s sowie Reuters. Claudia Calich schloss 1989 ihr Studium an der Susquehanna University mit einem BA Honours in Economics ab und besitzt überdies einen Masterabschluss in International Economics der International University of Japan in Niigata.