«Situation bietet hervorragende Anlagechancen für Contrarians»

15.06.2016
Herr Vaight, wie beurteilen Sie die Aussichten der Emerging Markets?
Für die Zukunftsaussichten der Schwellenländer bleiben wir recht optimistisch. Nach der Erholungstendenz der letzten Monate haben sich auch die Bewertungen von Schwellenländeraktien zuletzt wieder etwas verbessert. Allerdings haben Aktien aus den Schwellenländern mit ihren Pendants aus den Industriestaaten in den letzten Jahren nicht mithalten können und sind deshalb nach wie vor attraktiv bewertet. Ausserdem werden sie gegenüber den etablierten Börsenplätzen immer noch zu einem beträchtlichen Abschlag gehandelt. Diese Situation bietet value-orientierten Stockpickern, die auf einen Contrarian-Ansatz setzen, hervorragende Anlagechancen.
Glauben Sie, dass sich die Bewertungen wieder an die Industrieländer angleichen werden?
Wir erwarten, dass die Aktienkurse langfristig wieder durch die Fundamentaldaten der Unternehmen bestimmt werden. Deshalb bedarf es einer anhaltenden Verbesserung der Performance auf Firmenebene, damit Schwellenländeraktien in Zukunft wieder ansteigen können. So sind viele Unternehmen aus den Schwellenländern zuletzt weiter gewachsen, obwohl ihre Umsätze angesichts einer rückläufigen Nachfrage gesunken sind. Parallel dazu gibt es zwar Hinweise darauf, dass die Investitionsausgaben zurückgehen. Die Firmen werden allerdings noch mehr tun und auch ihre Kapitaldisziplin sowie ihre Profitabilität verbessern müssen. Dies erfordert zwar eine umsichtige Umsetzung, doch auf Dauer sollten die dadurch erzielbaren höheren Erträge dazu führen, dass diese Titel einer Neubewertung unterzogen werden.
Wir halten die Bewertungen momentan für günstig. Ausserdem scheint der Markt einen möglichen Anstieg der Erträge - der unserer Einschätzung nach durch einen effizienteren Kapitaleinsatz erreicht werden könnte - in den Kursen derzeit noch gar nicht zu berücksichtigen.
Muss auch die Politik etwas tun?
Auf längere Sicht sind sowohl auf volks- als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene Reformen notwendig, um auch für die Zukunft eine erfolgreiche Entwicklung zu gewährleisten. Nach Jahren der rasanten Expansion passen sich die Schwellenländer-Volkswirtschaften derzeit an ein durch moderateres Wachstum geprägtes Umfeld an, das unter anderem durch niedrigere Rohstoffpreise bestimmt wird. Die politischen Entscheidungsträger der Schwellenländer werden Veränderungen vornehmen müssen, um die Produktivität zu steigern, die Wettbewerbsfähigkeit zu optimieren sowie die Binnennachfrage anzukurbeln anstatt nur auf Investitionen und Exporte zu setzen.
Welche Erwartungen haben Sie auf die nächsten Jahre für Asien?
In Asien beobachten wir aktuell eine Vielzahl interessanter Trends, die uns für diese Anlageregion wieder zuversichtlich stimmen. Auf Unternehmensebene legt man insbesondere bei nordasiatischen Firmen inzwischen wieder grösseres Augenmerk auf Innovationen. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in die Bekanntheit ihrer Marken sollten die entsprechenden Unternehmen in die Lage versetzen, viel versprechende Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, mit denen sie sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Auf lange Sicht rechnen wir mit immer mehr asiatischen Firmen, die an ihren grossen Heimatmärkten bereits sehr erfolgreich sind, dass sie auch auf globaler Ebene zu wichtigen Marktteilnehmern werden.
Wandeln sich auch die Unternehmen?
Ja, eine weitere ermutigende Entwicklung sehen wir bei vielen Unternehmen, die mittlerweile «Selbsthilfemassnahmen» in Form der Einsetzung einer neuen Firmenleitung, der Reduzierung ihrer Aktivitäten sowie der Investition von Kapital in die profitabelsten Geschäftsbereiche ergreifen. Diesen durch «internen Wandel» bestimmten Firmen, die Massnahmen zur Verbesserung ihrer eigenen Performance umsetzen, eröffnen sich in Zukunft beträchtliche Anlagechancen.
Auf volkswirtschaftlicher Ebene ist uns zwar bewusst, dass diese Region noch vor einigen Herausforderungen steht, doch auf lange Sicht sollte sich die Erholungstendenz der US-Wirtschaft auf die asiatischen Märkte positiv auswirken. Ein weiterer Aspekt sind die niedrigen Rohstoffpreise, welche der Region zugute kommen sollten. Als Nettoimporteur von Rohstoffen profitiert Asien üblicherweise von günstigen Preisen für Rohstoffe und Energie.
Welche Börsenplätze sind aktuell überbewertet oder machen keinen so interessanten Eindruck?
Die Börsenplätze der Asean-Staaten sind auf Basis ihrer Fundamentaldaten mittlerweile zu teuer. Den indischen Markt halten wir ebenfalls für hoch bewertet. Wir vertreten die Auffassung, dass die Anleger dort für das «Reform-Thema» zu viel bezahlen müssen. Ausserdem überschätzt man die Fähigkeit von Premierminister Narendra Modi, die Wirtschaft des Landes umzubauen.
Und welche sind die derzeit viel versprechendsten Aktienmärkte?
Unser Augenmerk richten wir eher auf die Anlageregion Nordasien. Da bevorzugen wir Südkorea, Taiwan und China. Obwohl die volkswirtschaftlichen Aussichten Chinas zurzeit eher unsicher sind, ist der dortige Aktienmarkt günstig bewertet - zumal eine derart grosse Volkswirtschaft Stockpickern stets attraktive Anlagechancen eröffnet. Anstelle traditioneller Wirtschaftszweige bevorzugen wir dabei jedoch die sogenannte «New Economy». Grosse Sorgen machen wir uns aber um die ineffizienten staatlichen Banken. Diese unterstützen Staatsunternehmen, die dieses Kapital eigentlich gar nicht verdient haben. Sie werden deshalb wohl durch eine steigende Zahl notleidender Kredite in Mitleidenschaft gezogen.
Vor diesem Hintergrund setzen wir auch weiterhin auf nicht-staatliche Firmen. So halten wir neben einer Reihe von Internettiteln auch Positionen in Unternehmen, die man durchaus als eher «langweilig» bezeichnen könnte, weil sie Produkte wie beispielsweise Verpackungen oder Kunststoffrohre herstellen. Diese Unternehmen werden jedoch gut geführt und erwirtschaften ansehnliche Kapitalrenditen.
Aktuell engagieren wir uns an diesem Markt bevorzugt mittels Allokationen in Südkorea und Taiwan. Diese beiden Börsenplätze sind zwar zuletzt durch Besorgnisse um ihre Anfälligkeit für einen Konjunkturabschwung in China beeinträchtigt worden. Die potenziellen Auswirkungen einer solchen möglichen Entwicklung werden allerdings oftmals überschätzt. Aus diesem Grund halten wir die Erwartungen der Anleger für übertrieben pessimistisch. So ist beispielsweise Taiwan das einzige Schwellenland, in dem sich die Profitabilität in den letzten Jahren insgesamt verbessert hat – und das, obwohl die Bewertungen gleichzeitig gesunken sind. Diese eindeutige Abkopplung des Bewertungsniveaus von den Fundamentaldaten finden wir interessant, so dass wir unsere Positionierung in Taiwan im letzten Jahr angehoben haben. Ausserdem könnten südkoreanische Unternehmen in Zukunft noch etwas aktionärsfreundlicher agieren, indem sie etwa ihre Dividenden sowie ihre Ausschüttungen an die Aktionäre erhöhen.
Matthew Vaight kam 1996 zu M&G. Er gehört dem Aktienteam an und ist Manager des M&G Asian Fund sowie des M&G Global Emerging Markets Fund. Vaight hat ein Mathematik-Studium an der University of Oxford mit einem Prädikatsexamen (First Class Honours) absolviert und ist Mitglied der UK Society of Investment Professionals (UKSIP).