«Smart Beta - nur wenige Anbieter werden sich durchsetzen»

08.02.2016
Herr Altmann, Sie sind im europäischen ETF-Markt seit 16 Jahren dabei. Was hat sich am meisten verändert?
Bei den ersten schüchternen Versuchen nach dem Start mitten in der grossen Tech-Krise 2000 wurden die wesentlichen Weichen alle richtig gestellt. Meilensteine seither waren das Aufkommen von Smart Beta, Swap ETFs, ETF-Sparpläne und Robo-Advisors.
ETFs machen dennoch erst fünf Prozent der europäischen Publikumsfonds-Volumina aus. Setzen sich die Produkte noch durch?
Der Handel in ETFs funktioniert in Europa gut, obwohl auf zahlreiche Börsen verteilt - die Liquidität ist sehr hoch in den gängigen Produkten. Die taktische Nutzung von ETFs ist bei Profis also längst die Regel und ist für die meisten Assets verantwortlich. Es hängt dagegen auf der Investmentseite. In Kontinentaleuropa sind Indexfonds Mangelware und ETFs nur ein mageres Substitut dafür. Während in den USA der Indexfondsanbieter Vanguard heute der grösste Anbieter von Publikumsfonds ist und rund 3,000 Mrd. US-Dollar verwaltet, gibt es in Kontinentaleuropa kein nennenswertes Geschäft damit. Aus Verzweiflung nutzen Berater und Privatanleger dann ETFs, obwohl viele die börsentägliche Handelbarkeit gar nicht benötigen und Vermittler gar keine Börsendepots beraten dürfen.
Wie passen Smart Beta ETFs da in die Palette?
Europäische Anbieter und US-Anbieter in Europa imitieren mit Smart Beta einen Trend aus den USA. Diese ETF-Spielart basiert auf überwiegend fundamental gewichteten, komplexen Indizes. Der Investmentansatz ähnelt eher einem stark systematisierten aktiven (Quant-) Ansatz als konventionellen ETFs. In den USA sind ETFs bereits heute sehr populär und bilden einen eigenen Vertriebskanal. Deswegen werden Smart-Beta-Produkte seit mehreren Jahren dankbar aufgenommen vor allem von unabhängigen Beratern, weil sie «mehr» bieten als konventionelle ETFs.
Investoren in Europa haben sich noch nicht mal an konventionelle ETFs gewöhnt und werden nun mit komplexeren Produkten konfrontiert. Da werden sich nur wenige Anbieter durchsetzen, und der Wettbewerb läuft in erster Linie gegen die aktiven Kontrahenten.
Ein Wort zu Swap ETFs…
..OK, ein Wort: Vergangenheit. Investoren wünschen sich Authentizität von einem Produkt wie einem ETF. Swap ETFs sind nur noch für die taktische Nutzung interessant, oder weil sie billiger angeboten werden können. Faktisch sind sich die Replikationsmethoden aber nach wie vor ebenbürtig.
Sollen ETF-Anbieter lieber auf die neuen Robo-Advisor setzen?
Tatsächlich verwenden viele der neuen automatisierten Investment-Portale als Resultat ihres automatisierten Beratungsprozesses ETFs. Aber während die «Robos» mit ETFs in den USA zusammen rund 5 Mrd. US-Dollar eingesammelt haben, hat Vanguard mit seinem Tool ohne Werbung bereits 17 Mrd. US-Dollar Zuflüsse in seine Indexfonds verbucht.
In Europa ist das Zukunftsmusik, Nutmeg in Grossbritannien ist mit viel Unterstützung der Finanzaufsicht und noch mehr Venture Money gestartet, der Erfolg bleibt jedoch (noch) aus. In Deutschland gibt es eine ganze Reihe winziger Portale. Dennoch muss man die Frage stellen: Wieso setze ich für Sparpläne ETFs ein? Wozu brauche ich da börsentägliche Handelbarkeit für ein Buy&Hold-Portfolio?
Wieso nicht?
ETFs sind für kleine Anlagesummen eigentlich untauglich. Die Fondsplattformen, über die die meisten derartigen Transaktionen laufen, haben grosse Schwierigkeiten mit der ETF-Abwicklung. Dennoch sind die von den ETF-Anbietern deswegen subventionierten Sparpläne sehr beliebt.
Einige Robos in Deutschland haben das auch schon begriffen, so verwenden quirion und Vaamo Fonds von Dimensional statt ETFs. Es gibt demnach verschiedene Optionen: ETFs werden von Market Makern auf Plattformen gehoben gegen Gebühren, es gibt neue Plattformen, oder ETFs werden in Indexfonds-Wrapper verpackt. Das wird die nächste Stufe für die ETF-Anbieter sein.
Dann endlich werden ETFs auch in Europa populär?
Wenigstens wäre damit die Grundlage gelegt für effizienteren Zugang. Zusätzlich brauchen wir Bildung, Bildung, Bildung…Damit meine ich Weiterbildung mit modernen Methoden, E-Learning, und keine reine Marketing-Veranstaltung. Gerade habe ich eine 10teilige Serie aus Webinaren zu ETFs für Profis und Berater in deutscher Sprache zu Ende gebracht, die hatte 180 registrierte Teilnehmer, eine enorme Anzahl. Das Feedback ermutigt mich, hier weiter anzusetzen, denn das Potenzial ist riesig, wenn die Qualität stimmt. Für die ETF-Anbieter ist das eigentlich ein Pflichtprogramm, billiger und viel effizienter als Werbung. Und auch die Robo-Advisors sollten daran interessiert sein!
Jan Altmann berät seit zwölf Jahren als Unternehmensberater internationale Kunden aus der Investment-Industrie, darunter Asset-Management-Boutiquen, ETF-Anbieter, Plattform-Anbieter, Börsen, Indexanbieter und Robo-Advisor. Er hat in 2000 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Deutschen Börse dort das Segment für den ETF-Handel aufgebaut. Seit 2011 schult er ausserdem Finanzmarkt-Profis in der Nutzung von ETFs.