«Smarte Suitability-Prozesse sind digital, automatisiert und cloud-basiert»

18.08.2017
Herr Rama, der Countdown zu MiFID II läuft. Sind die Marktteilnehmer in der Schweiz bereit?
Es bleiben noch 20 Wochen Zeit bis zum 1. Januar 2018! MiFID II ist natürlich überall ein Thema, der Umsetzungstand aber sehr unterschiedlich, vor allem auf der Seite der Banken und Vermögensverwalter. Die Fondshäuser sind schon weiter, auch dank der Open Funds Initiative, welche wir aktiv unterstützen. Ein guter Teil der MiFID II Anforderungen, unter anderem die Identifizierung des effektiven Zielmarktes und die Bildung von sauberen Offerings für die verschiedenen Segmente und Vertriebskanäle, betreffen den Suitability-Prozess. Rechtzeitige Investitionen in automatisierte, digitale Suitability-Prozesse zahlen sich für Banken und Vermögensverwalter definitiv aus. Der spanische Regulator CNMV hat in diesem Jahr mehrere Banken mit Geldbussen sanktioniert wegen der Verwendung ungeeigneter Fondsanteilsklassen im Beratungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren in ganz Europa vermehrt solche Urteile sehen werden. Der Ausdruck «in the best interest of the client» bekommt durch MiFID II eine verstärkte regulatorische Bedeutung, welcher zukünftig noch gewissenhafter Rechnung getragen werden muss.
Rechnet sich ein automatisierter Suitability-Prozess auch für kleinere Finanzinstitute?
Gerade kleinere und mittelgrosse Institute sind darauf angewiesen, regulatorische Risiken systematisch zu mindern und die «Licence to Operate» im In- und Ausland zu festigen. Unser neues «Investment Navigator B4B»-Angebot richtet sich genau an diese Banken. Dank der Kombination unseres bewährten Moduls «Product Navigator» und der Neuentwicklung «Service Navigator» kann jede Bank einen zuverlässigen Suitability-Prozess etablieren.
Was ist der «Service Navigator»?
Es ist die vollständig digitalisierte Version aller regulatorischen Manuals. Zurzeit machen viele Banken und Vermögensverwalter diese Inhalte ihren Mitarbeitern über PDFs verfügbar. «Darf ich als Kundenberater auf Geschäftsreise in Griechenland meine Visitenkarte einem Prospect abgeben? Darf ich Anlageresearch einem Execution-Only-Kunden in Frankreich zukommen lassen? Kann ich Vertragsdokumente in Schweden unterzeichnen lassen?» Dies sind nur einige alltägliche Beispielfragen, nach deren Antworten bislang ineffizient und fehleranfällig manuell in PDFs gesucht werden mussten. Der «Service Navigator» macht solche Informationen mittels weniger Einstellungen innerhalb von Sekunden verfügbar. Es ist zudem unser erstes Modul, welches für die Anwendung auf Smartphones optimiert wird, also auch auf Geschäftsreisen kurz konsultiert werden kann.
Warum entscheiden sich Banken für Investment Navigator?
Unser USP ist sicherlich, dass wir Suitability-Informationen für Anlageprodukte auf ISIN-Level liefern. Gerade bei Fonds können wir so auch komplexe Ring-Fencing-Strukturen auf Ebene der verschiedenen Anteilsklassen zuverlässig berücksichtigen. Unverzichtbar, wenn man dem Investor in Zukunft die bestpassendste Anteilsklasse empfehlen möchte. Zudem schätzen unsere Kunden, dass fast sämtliche Mitarbeiter praktische Erfahrung im Fondsvertrieb aus internationalen Banken mitbringen und dadurch pragmatische und praxisorientierte Lösungen aufzeigen können.
Im September sind es drei Jahre seit der Gründung von Investment Navigator. Wie hat sich Ihre Vision in dieser Zeit verändert?
Die Vision ist noch grösser geworden, der Kern aber ist gleichgeblieben: wir wollen durch mehr Transparenz in Bezug auf regulatorische, produkt- und steuerspezifische Faktoren den Anlage- und Beratungsprozess massgeblich verbessern. Dies zum Nutzen des Investors, als auch der Bank.
Während wir mit Fonds begonnen haben, konnten wir dieses Jahr bereits auch die Suitability-Erweiterung für Strukturierte Produkte lancieren und mit dem «Service Navigator» wird unser Angebot noch gesamtheitlicher. Um dieses Bild zu komplettieren, werden wir in den kommenden Monaten Dirketanlagen, also Aktien und Bonds, ebenfalls in unser «Product Navigator»-Modul aufnehmen und somit alle wichtigen Anlageinstrumente im Portfoliokontext abdecken.
Ein grosses Ziel ist für mich die Erreichung der «Cloud Suitability». Damit meine ich, dass egal ob in der Produktanalyse, im Produktmanagement, bei der Tansaktionsabwicklung oder in der Kundenberatung, alle Bankmitarbeiter jederzeit in verschiedenen funktionsspezifischen Applikationen und im Kernbankensystem auf die gleichen relevanten Suitability-Informationen zugreifen können. Das «Cloud Suitability»-Konzept ist für mich ein Schritt auf dem Weg zum globalen Suitability-Industriestandard.
Zudem streben wir in den nächsten Monaten auch eine Expansion unserer öffentlichen Plattform investmentnavigator.com in Märkten wie zum Beispiel Liechtenstein, Spanien, Singapur, Hongkong oder Grossbritannien an, denn Suitability ist weltweit ein Thema, dem Beachtung geschenkt werden muss und ich bin stolz, dass wir eine sehr smarte Lösung anbieten können.
Alberto Rama hat 2014 zusammen mit Julian Köhler die Firma Investment Navigator AG gegründet. Er ist ein ausgewiesener Fondsexperte mit langjähriger Erfahrung im grenzüberschreitenden Vertrieb. In den Jahren zuvor war er an der Einführung der offenen Fondsarchitektur bei UBS beteiligt und für die Entwicklung der Fonds- und Suitability-Informationsplattform «UBS Quotes - Fund Finder» verantwortlich. Seit der Gründung von Investment Navigator hat es Rama zusammen mit seinem Team geschafft, das Unternehmen und die Plattform als «go-to»-Adresse für Suitability-Fragen zu positionieren.