Stabilität in volatilen Zeiten - Fondsberichterstattung wie gewohnt

17.04.2020
Herr Glow, Sie haben auch während des Höhepunkts der Krise zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk jeden Montagmorgen Ihre vielbeachteten Kommentare versandt. Sie müssen eine eiserne Disziplin haben…
Gerade in einer Krise sind verlässliche Daten und Informationen für Investoren und Unternehmen sehr wichtig. Dementsprechend finde ich es sehr wichtig, trotz etwaiger anderer Schwerpunkte, meine Kommentare zu den Mittelbewegungen in der europäischen Fondsindustrie pünktlich zu veröffentlichen.
Bei meinen allgemeinen Kommentaren zur Fondsindustrie ist dies ähnlich, hier beschäftige ich mich mit strategischen Themen in der Fondsindustrie. Da aktuelle Ereignisse, wie zum Beispiel die Corona-Krise, einen massiven Einfluss auf die langfristigen Entwicklungen in der Fondsindustrie haben können, finde ich es wichtig auch hier über die möglichen Auswirkungen solcher Ereignisse zeitnah zu berichten.
Wie sind Sie in dieser Zeit an so viele Daten rangekommen?
Als einer der führenden Datenanbieter haben wir diese Daten natürlich vorliegen. Allerdings ist es in Krisensituationen nicht immer so einfach, diese Daten zu bekommen und zu verarbeiten, da sich die Arbeitsabläufe innerhalb unseres Hauses, wie aber auch bei den Fondsanbietern, von denen wir die Rohdaten bekommen, durch die Einführung von den sogenannten «Work-From-Home-Lösungen» stark verändert haben. Aus meiner Sicht konnten die meisten Anbieter diese Herausforderung ohne eine Unterbrechung des Datenstroms meistern, so dass die Prozesse trotz der Unwägbarkeiten schon nach kürzester Zeit wieder völlig normal weiterlaufen konnten.
Sie kennen alle grossen Fondsadressen. Wenn Sie zurückschauen: Sind Sie zufrieden mit deren Kommunikation? Einige sind doch im wahrsten Sinne des Wortes abgetaucht.
Die Frage ist, was erwartet der Einzelne von der Kommunikation der Fondsanbieter? Während einige Investoren sicherlich grossen Wert auf Markteinschätzungen, etc. legen, geht es anderen darum zu erfahren, wie die Fonds derzeit gemanagt werden, bzw. wie die Kommunikationswege jetzt aussehen.
Hinsichtlich der Markteinschätzungen kann man sicherlich sagen, dass viele Fondsanbieter hier sehr schnell reagiert haben und auch regelmässig «Updates» schicken, während sich andere Fondsanbieter mit Markteinschätzungen zurückhalten. Hier stellt sich für mich die Frage, was seriöser ist. Eine Einschätzung zu einem Marktumfeld, das bisher noch nie dagewesen ist und dessen endgültige Konsequenzen für die Wirtschaft noch nicht absehbar sind, abzugeben oder aufgrund des sich dynamisch verändernden Marktumfeldes auf öffentliche Einschätzungen zu verzichten, um keine falschen Signale zu senden.
Meiner Ansicht nach ist es wichtiger, dass die Fondsanbieter für Investoren erreichbar sind, anstatt permanent Einschätzungen zur Marktlage und den daraus abgeleiteten Massnahmen und Empfehlungen abzugeben, die dann wenige Tage später schon wieder revidiert werden müssen oder aufgrund der Marktentwicklung ihre Gültigkeit verloren haben.
In welchen Bereichen gab es die grössten Abflüsse?
Die europäische Fondsindustrie musste im März 2020 Mittelabflüsse in Höhe von 253,8 Mrd. Euro hinnehmen.
Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren, waren im März die Anlageklasse mit den höchsten Mittelabflüssen (-134,9 Mrd. Euro). Allerdings mussten auch Aktienfonds (-48,9 Mrd. Euro) und Mischfonds (-38,7 Mrd. Euro) wie auch der Bereich der sogenannten Alternative UCITS (-27,7 Mrd. Euro) hohe Mittelabflüsse hinnehmen.
Aufgrund der Mittelzuflüsse im Januar und Februar verzeichnete die europäische Fondsindustrie im ersten Quartal 2020 insgesamt Mittelabflüsse von 125,9 Mrd. Euro.
Auch in dieser Statistik sind Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren die Anlageklasse mit den höchsten Mittelabflüssen (-73,9 Mrd. Euro). Ebenso mussten auch Aktienfonds (-37,8 Mrd. Euro) und Alternative UCITS (-32,9 Mrd. Euro) sowie Mischfonds (-18,5 Mrd. Euro) hohe Mittelabflüsse hinnehmen.
… und wo die grössten Zuflüsse?
Die einzige Anlageklasse, die im März Mittelzuflüsse verzeichnen konnte, waren trotz des Einbruchs des Ölpreises Rohstofffonds (+2.2 Mrd. Euro).
Für das erste Quartal 2020 sieht diese Statistik etwas freundlicher aus. Geldmarktfonds (+34,4 Mrd. Euro) verzeichneten die höchsten Mittelzuflüsse, gefolgt von Rohstofffonds (+5,5 Mrd. Euro) und Immobilienfonds (+0,1 Mrd. Euro).
Link zum Disclaimer
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Lipper at Refinitiv. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Detlef Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.