Stichworte zu Gegenwart und Zukunft des Bankwesens

Professor für Banking und Finance
Fachhochschule Nordwestschweiz, Windisch
fhnw.ch
20.05.2015
Herr Prof. Marbacher, Sie zählen zu den bekannten Schweizer Ökonomen. Welche Tätigkeit hat Ihnen bisher am meisten Freude bereitet?
Zweifellos hat der Berufseinstieg als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Schweizerischen Nationalbank wertvolle Einblicke in einen wichtigen Träger der Wirtschaftspolitik eröffnet. Dies umso mehr, als die Siebzigerjahre durch grosse Turbulenzen und Konzeptänderungen in der Geldpolitik gekennzeichnet waren. Zudem hatte ich schon früh Gelegenheit an einem Projekt mitzuarbeiten, das den institutionellen Aufbau des Geldsystems zum Gegenstand hatte und das ich auch im Rahmen des Zehnerklubs der BIZ vertreten konnte.
Die Zeit als Chefökonom der Swiss Re war von den spannenden Entwicklungen der Modernen Finanztheorie und ihrer Anwendung gekennzeichnet. Die USA waren in diesem Bereich Europa deutlich voraus. Wieder war es ein Projekt, das wir in Zusammenarbeit mit dem Chicago Board of Trade realisieren konnten, das uns erlaubte, neue Erkenntnisse zu gewinnen und auf den Finanzbereich zu übertragen.
Herausfordernd waren auch die Jahre als Chefökonom und Stratege der Bank Julius Bär. Galt es doch eine ganze Bank vom damals allseits beliebten Ansatz des Stock Picking auf die Erfordernisse der Modernen Portfoliotheorie umzustellen, nämlich den Top-Down-Ansatz einzuführen.
Moderne Finanztheorie bildete auch den Hauptgegenstand der neu geschaffenen Professur für Finance an der heutigen FHNW. Sowohl beim Aufbau des Instituts für Finance, als auch bei der Konzipierung der Masterkurse in Finance stellte der Übergang von der klassischen Theorie zur modernen Portfolio- und Kapitalmarkttheorie eine besondere Herausforderung dar.
Was wollen Sie in den kommenden Jahren angehen?
Mit der Abgabe der Institutsleitung ist Raum entstanden, wieder verstärkt Fragen der Theorie und der Empirie anzugehen und sie im Rahmen der Beratung auch praktisch umzusetzen.
Jüngst haben Sie in Sachen Währungsprognosen einen Volltreffer gelandet. Können Sie dazu ein paar Worte sagen?
Gerne. Wir haben am 13. Januar, also zwei Tage vor Freigabe des Wechselkurses durch die Schweizerische Nationalbank, die anlagepolitische Anweisung erteilt, die Auslandguthaben der Kunden abzusichern. Ein Entscheid, der ein breites Echo ausgelöst hat. Derartige Glücksfälle gibt es zweifellos nur wenige im Laufe eines Ökonomenlebens.
Was war Glück, was war Analyse?
Sicher, das Timing war Glück. Die Nationalbank hätte allenfalls zuwarten können. Uns schien jedoch die zeitliche Dringlichkeit gegeben. Wir haben in unserer Analyse festgestellt, dass die Terminmärkte in den Tagen vor Mitte Januar verstärkt und ausgeprägt unter den Mindestkurs fielen. Wir haben dies als Zeichen interpretiert, dass die Aufrechterhaltung des Fixkurses ausser Kontrolle geraten war. Eine Begründung, die schliesslich bestätigt wurde.
Die Finanzkrise hat tiefe Spuren hinterlassen. Was sollten die wichtigsten Lehren daraus sein?
Die Finanzkrise hat allen Volkswirtschaften unsägliches Leid gebracht. Das darf sich nicht wiederholen. Gefordert sind zweifellos die Regulatoren aber auch die Unternehmen selbst. Einiges ist getan worden. Es ist jedoch fraglich, ob es ausreicht. Nicht überzeugend ist die Too-big-to-fail-Problematik. Damit ist die Fehlallokation von Ressourcen und Risiken vorprogrammiert.
Und für Produktanbieter im Speziellen?
Es ist in der Finanzkrise auch viel Vertrauen zerstört worden. Erstens haben die Banken selbst versagt und zweitens haben die Kunden mit wohlklingenden Produkten Verluste erlitten, die seinesgleichen suchen. Geschäftsleitungen werden deshalb allen Grund haben, die eigenen Geschäftsmodelle zu überprüfen. Das fängt bei den Anreizsystemen an. Wer in Geldsachen Eigennutz vor Kundennutzen stellt, wird das erforderliche Vertrauen nicht aufbauen können. Für die Produktanbieter stellt deshalb der Abbau von Komplexität und Transparenz eine wichtige Forderung dar. Sollte dies nicht ausreichen, wird man wohl mit weitergehenden staatlichen Regelungen im Haftungsbereich rechnen müssen.
Wie schätzen Sie die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes ein?
Zweifellos haben die Schweizer Banken mit dem exzessiven Ausflug in das Investmentbanking einen kapitalen Fehler begangen. Als grösster Vermögensverwalter der Welt von Offshore-Geldern hätte man niemals derartige Bilanzrisiken eingehen dürfen. Damit ist einer der erfolgreichsten Zweige der Schweizer Wirtschaft akut gefährdet worden. Wenn jedoch die Geschäftsmodelle auf das Kerngeschäft der Vermögensverwaltung zurückgeführt werden, hat die Schweiz mit ihrer wirtschaftlichen und politischen Stabilität ausgezeichnete Chancen, weiterhin überdurchschnittlich zu wachsen. Insbesondere im asiatischen Raum, wo in den kommenden Jahrzehnten die Vermögen überdurchschnittlich wachsen, ist das Vertrauen in die Schweiz nach wie vor ungebrochen.
Prof. Dr. oec. publ. Josef Marbacher studierte Ökonomie an der Universität Zürich und spezialisierte sich als Assistent des Instituts für schweizerisches Bankwesen im Banken- und Finanzbereich. 1976 promovierte er mit einer Arbeit über das schweizerische Geldsystem. Spezialisierungen im Bereich der Modernen Finanztheorie erfolgten an der Universität Genf und der Stanford University in Kalifornien.
Seine beruflichen Stationen führten ihn zuerst zur Schweizerischen Nationalbank, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter insbesondere Fragen der monetären Systeme behandelte und in dieser Funktion auch die Schweiz in der Zehnergruppe der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vertrat. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre war er Chefökonom der Swiss Re, wo er die Leitung des Research innehatte. Anschliessend leitete er als Chefökonom und Chefstratege das Research der Bank Julius Bär. 1999 wurde er als Professor für Finance an die Fachhochschule Nordwestschweiz berufen, wo er 2001 das Institut für Finanzmanagement IFF aufbaute und bis 2011 leitete. Heute ist er Professor für Banking und Finance der FHNW.
Seine thematischen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Kapitalmarkttheorie, Risikomanagement, Anlagepolitik, weltwirtschaftliche Analysen, Volkswirtschaft (Lehrbuch), Portfoliomanagement, Asset-Liability-Studien für Banken und Pensionskassen.
Josef Marbacher ist Mitglied verschiedener Verwaltungsräte und Anlageausschüsse im Banken- und Pensionskassenbereich.