Teil II: Vom Vertriebsträger zum Kundenberater: Wie verändert das FIDLEG den Fondsvertrieb in der Schweiz?

12.03.2020
Herr Alder, vor einem Jahr haben Sie hier ein erstes Interview zum Thema «Vom Vertriebsträger zum Kundenberater: Wie verändert das FIDLEG den Fondsvertrieb in der Schweiz?» gegeben. Wo stehen wir heute?
Am 1. Januar 2020 sind das neue Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG), das neue Finanzinstitutsgesetz (FINIG), das revidierte Kollektivanlagegesetz (KAG) sowie die dazugehörigen Verordnungen in Kraft getreten. Die neue Gesetzgebung sieht ein neues Konzept für die Regulierung am «Point of Sale» vor. Eine Bewilligung der FINMA für Vertriebsträger sowie die Pflicht zum Abschluss eines Vertriebsvertrages wird vom Gesetzgeber nicht mehr verlangt. Gemäss FIDLEG sind jedoch am «Point of Sale» neue Anforderungen einzuhalten. Dies ist zurzeit aber noch nicht möglich, was zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt.
Warum ist die Einhaltung der neuen Anforderungen am «Point of Sale» noch nicht möglich?
Die neue Gesetzgebung reguliert nicht nur das Anbieten von bzw. Werben für sondern auch der Erwerb bzw. die Veräusserung von Fonds. Dazu zählt jede direkt an bestimmte Kunden gerichtete Tätigkeit, die spezifisch auf den Erwerb oder die Veräusserung eines Fonds abzielt. Liegt eine solche Finanzdienstleistung vor, so müssen die Finanzdienstleister bzw. dessen Kundenberater u.a. folgende Anforderungen einhalten: 1) Registrierung der Kundenberater im Beraterregister (sofern kein Ausnahmetatbestand vorliegt); 2) Nachweis, dass Kundenberater über die erforderlichen Kenntnisse für die Ausübung ihrer Tätigkeit verfügen und 3) Anschluss des Finanzdienstleister an eine Ombudsstelle. Die Verordnung zum FIDLEG mit der Detailregelung zu diesen Anforderungen wurde erst im November 2019 vom Bundesrat verabschiedet. Den Behörden blieb daher nicht genügend Zeit, um bereits per 1. Januar 2020 ein Beraterregister bzw. eine Ombudsstelle zu bewilligen. Die Zulassung einer Ombudsstelle bzw. eines Beraterregisters wird nun für die zweite März Hälfte bzw. für das zweite Quartal 2020 erwartet.
Ist durch den Wegfall der alten Pflichten und der fehlenden Möglichkeit die neuen Anforderungen einzuhalten, eine regulatorische Lücke am «Point of Sale» entstanden?
Nein, denn der Gesetzgeber hat bis zu einem gewissen Grad vorgesorgt. So enthält die im November 2019 verabschiedete Verordnung verschiedene Übergangsfristen, welche sicherstellen, dass die Anforderungen gemäss altem KAG weiterhin einzuhalten sind, solange die neuen Anforderungen noch nicht erfüllt werden können. So bleiben beispielsweise bestehende Vertriebsverträge bestehen, solange es noch keine Ombudsstelle bzw. kein Beraterregister gibt und solange die Finanzdienstleister nicht die neuen Verhaltensregeln gemäss FIDEG einhalten.
Erzählen Sie uns mehr zum Beraterregister, wer muss sich eintragen lassen?
Grundsätzlich muss sich beim Vorliegen einer Finanzdienstleistung jeder Kundenberater eines Finanzdienstleister im Beraterregister eintragen. Ausnahmen gewährt der Gesetzgeber lediglich Kundenberatern von FINMA beaufsichtigten Finanzinstituten wie beispielsweise Banken sowie Kundenberatern von ausländischen Finanzdienstleistern, die im Ausland einer prudentiellen Aufsicht unterstehen (soweit sie ihre Dienstleistungen in der Schweiz ausschliesslich gegenüber institutionellen und professionellen Kunden erbringen). Gemäss unserem heutigen Kenntnisstand wird keine Äquivalenz der ausländischen Aufsichtsbehörde vorausgesetzt, weshalb wir davon ausgehen, dass sich ein Grossteil der in der Schweiz tätigen Kundenberater von ausländischem Finanzdienstleistern nicht in das Beraterregister eintragen lassen muss.
Heisst dies, dass Kundenberater von im Ausland prudentiell überwachtem Finanzdienstleistern neu in der Schweiz am «Point of Sale» keine Pflichten einhalten müssen?
Nein, das ist nicht der Fall. Vielmehr müssen sich alle Finanzdienstleister, die in der Schweiz eine Finanzdienstleistung erbringen - unabhängig davon ob sie sich in ein Beraterregister eintragen lassen müssen - einer Ombudsstelle anschliessen sowie sicherstellen, dass ihre in der Schweiz tätigen Kundenberater über hinreichende Kenntnisse der FIDLEG-Verhaltensregeln sowie über das für ihre Tätigkeit notwendige Fachwissen verfügen.
Welche Anforderungen gelten an den Nachweis der erforderlichen Kenntnisse (Fachkenntnisse und Kenntnisse der Verhaltensregeln nach FIDLEG)?
Nach unserem heutigen Kenntnisstand soll der Nachweis hinsichtlich Fachkenntnisse zum Finanzprodukt Fonds durch anerkannte Diplome oder durch eine Arbeitgeberbestätigung betreffend Erfahrung im Fondsvertrieb möglich sein. Der Nachweis hinsichtlich Kenntnisse der FIDLEG-Verhaltensregeln soll schliesslich durch eine schriftliche Bestätigung über den Abschluss der jeweiligen Weiterbildung (interner oder externer Kurs, E-Learning, Online- Kurs, etc.) erfolgen können.
Wie unterstützt die FIFS ihre Kunden bei der Einhaltung der neuen Anforderungen?
Neben unserer Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter von ausländischen Fonds bieten wir unseren Kunden auch Unterstützung bei der Einhaltung der neuen Anforderungen am «Point of Sale» an. Dazu zählt die Unterstützung der Kunden beim Anschluss an eine Ombudsstelle und beim Eintrag in ein Beraterregister. Die FIFS kümmert sich um den ganzen Anschlussprozess bei der Ombudsstelle und berät ihre Kunden, ob sie ihre Kundenberater im Beraterregister registrieren lassen müssen oder nicht. Zudem gehen wir davon aus, dass unsere Schulung betreffend Einhaltung der am «Point of Sale» anwendbaren Verhaltensregeln, welche wir unseren Kunden anbieten, als Nachweis betreffend Kenntnisse der Verhaltensregeln von den Beraterregistern anerkannt wird.
Link zum Disclaimer
Jürg Alder stiess Ende 2014 als Verantwortlicher des Bereichs Recht & Compliance zur FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG. Seit anfangs 2017 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und wurde per 1. Januar 2019 zum Geschäftsführer ernannt. Alder ist über 14 Jahre im Fondsbereich tätig, sechs Jahre davon als stellvertretender Geschäftsführer einer Schweizer Fondsleitung. Er ist in Chur aufgewachsen, hat in St. Gallen Rechtswissenschaften studiert und in Kapstadt ein Zusatzstudium absolviert.