Trends und Skandale verändern den Fondsmarkt

20.07.2019
Herr Glow, das erste Halbjahr liegt nun schon ein paar Tage zurück. Was war das Wichtigste, was Ihnen in Erinnerung bleibt?
Aus meiner Sicht war das erste Halbjahr 2019 insgesamt betrachtet eher ruhig. Auf europäischer Ebene gab es ein paar Restrukturierungen innerhalb der Fondspaletten einiger Anbieter, die in der Folge zu grösseren Mittelbewegungen geführt haben. Hinzu kommen einige Übernahmen, die aus meiner Sicht aber auch unter dem Begriff «Business as usual» fallen.
Als Marktbeobachter waren die Skandale bei GAM und bei Woodford in diesem Jahr bisher sicherlich die beiden wichtigsten Events in der europäischen Fondsindustrie, denn beide Skandale haben, zumindest vorerst, dazu geführt, dass Fondsselektoren wie aber auch Regulatoren einige Praktiken der Fondsmanager kritischer hinterfragen und gewisse Praktiken im Portfoliomanagement nicht (mehr) akzeptieren. Dies kann dann gegebenfalls auch dazu führen, das die Anleger massiv Mittel aus den entsprechenden Fonds abziehen.
Auf wie viele Fondsgesellschaften werfen Sie eigentlich ein Auge?
Wir haben Daten zu mehr als 300’000 Produkten in unserer globalen Datenbank, die von mehreren Tausend Fondsgesellschaften angeboten werden. Allerdings wird eine Vielzahl von Fonds nicht direkt von dem Anbieter gemanagt und somit müsste man bei einer solchen Auflistung dann auch noch die jeweiligen Investmentberater der Fonds berücksichtigen, um einen Überblick darüber zu erhalten, wieviel Fondsanbieter es wirklich gibt. Da die Anzahl der Anbieter in diesem Sinne von der jeweiligen Definition abhängt, kann ich hier keine Zahl nennen.
Gibt es grosse Adressen - ohne Namen zu nennen - die wesentlich besser sind als ihre bekannten Wettbewerber?
Da jeder Fondsanbieter bei der Auswahl der Wertpapiere für seine Fonds andere Kriterien ansetzt, kommt es immer wieder zu grösseren Unterschieden bei der Betrachtung der durchschnittlichen Wertentwicklung aller Produkte der einzelnen Anbieter. Hierbei muss man jedoch unterscheiden, ob eine vermeintlich schlechte Wertentwicklung durch den Anlagestil verursacht wurde oder ob diese tatsächlich das Ergebnis schlechter Anlageentscheidungen ist. Kann das Ergebnis mit dem Anlagestil des jeweiligen Anbieters begründet werden, sollte sich das Ergebnis verändern, wenn sich das Maktumfeld verändert. Dies ist auch der Grund, warum sich bei den «Lipper Fund Awards» in den meisten Fällen die Gewinner der Gruppen-Awards für die besten Anbieter von Jahr zu Jahr ändern.
Aus Sicht einer qualitativen Bewertung ist es übrigens als positiv zu bewerten, wenn ein Fondsanbieter auch bei negativen Ergebnissen seinem Anlagestil treu bleibt, da die Investoren so das Verhalten der entsprechenden Fonds besser einschätzen könnnen und die Fonds oftmals genau aus diesem Grund kaufen. Somit hängt die Beurteilung eines Anbieters massgeblich von den gewählten Kriterien ab und kann nicht pauschalisiert werden.
Was zeichnet eine gute Fondsgesellschaft, mal abgesehen von der Grösse, sonst noch aus?
Die Grösse eines Anbieters ist aus unserer Sicht kein Qualitätsmerkmal und spielt somit bei der Beurteilung der Qualität der Produkte oder der Gesellschaft keine Rolle. Eine gute Fondsgesellschaft zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass die Mehrzahl der von ihr verwalteten Produkte eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aufweist. Dies zu erreichen, ist für eine grosse Gesellschaft, die viele Investmentfonds anbietet, schwieriger als für einen kleinen Anbieter, der sich eventuell sogar noch auf ein spezielles Thema wie zum Beispiel Multi-Asset spezialisiert hat. Dementsprechend muss man die Gesellschaften für eine faire Betrachtung ihrer Grösse entsprechend in verschiedene Vergleichsgruppen einteilen und dabei auch die einzelnen Anlageklassen berücksichtigen.
Die «Lipper Fund Awards» zeigen, wie eine solche Einteilung in der Praxis aussehen kann. Bei dieser Auszeichnung werden die Anbieter jeweils für die einzelnen Anlageklassen (Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Multi-Asset) sowie über alle Anlageklassen hinweg in kleine und grosse Anbieter eingeteilt. Die Einteilung erfolgt auf Basis der verwalteten Vermögen und der Anzahl der in den einzelnen Anlageklassen angebotenen Fonds.
Will man noch qualitative Merkmale in die Bewertung miteinbeziehen, müssen die Portfoliomanagementprozesse bei den jeweiligen Anbietern mitberücksichtigt werden. Hierbei sollte der Fokus dann auf der Unabhängigkeit des Risikomanagements und Replizierbarkeit der Anlageentscheidungen liegen. Mit diesen Betrachtungen kann sichergestellt werden, dass die erzielten Ergebnisse nicht auf Glück basieren, sondern auch in der Zukunft wiederholt werden können. Insgesamt ist dann auch noch darauf zu achten, dass alle einzelnen Prozesse im Portfoliomanagement nahtlos ineinandergreifen.
Sie sind schon sehr lange im Geschäft: Was war die auffallendste Veränderung im Markt in den letzten paar Jahren?
Aus meiner Sicht sind der Trend in Richtung Multi-Asset sowie der Erfolg von passiven Anlageprodukten die auffäligsten Veränderungen in der europäischen Fondsindustrie, da beide Trends von den Anlageentscheidungen der Investoren und nicht von der Industrie angetrieben werden.
Die Nachfrage nach Multi-Asset-Produkten wird durch das Niedrigzinsumfeld angetrieben, da die Investoren zur Erreichung ihrer Anlageziele nach Produkten suchen, die ihnen höhere Renditen als festverzinsliche Wertpapiere mit einem niedrigeren Risiko als Aktien bieten. Hierbei kommen vermehrt auch alternative Anlagestrategien zum Einsatz.
In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu beobachten, wie sich das Verhalten der Anleger verändert hat. Während viele Investoren es in der Vergangenheit toleriert haben, wenn ein Fonds in einem Marktumfeld nicht so funktioniert hat wie sie es erwartet haben, werden, insbesondere im Bereich der alternativen Strategien, heutzutage Fonds, welche die Erwartungen der Anleger nicht erfüllen, sehr schnell wieder verkauft.
Der Trend in Richtung der passiven Anlageprodukte wurde unter anderem dadurch ausgelöst, dass viele Anleger von den Ergebnissen der von ihnen gewählten aktiv gemanagten Fonds enttäuscht waren und nach Anlagealternativen gesucht haben. Da es diverse wissenschaftliche Studien gibt, die belegen, dass passive Anlageinstrumente in vielen Anlagesegmenten der Mehrzahl der aktiven Produkte hinsichtlich der Wertentwicklung überlegen sind, ist es nicht verwunderlich, dass viele der enttäuschten Investoren in der Folge zu passiven Produkten greifen. Hinzu kommt sicherlich auch, dass die Branche es den Anlegern mit innovativen Produkten ermöglicht, ihre Marktmeinungen sehr exakt umzusetzen.
Link zum Disclaimer
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Lipper at Refinitiv. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Detlef Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.