Umfassende Flexibilität - zunehmend auch vom Anwalt gefordert

19.05.2017
Herr Weinmann, Ihre Kanzlei hat sich der Fondsindustrie verschrieben. Warum sind Sie und Ihre Kollegen diesen Weg gegangen?
Die Beratungsschwerpunkte unserer Kanzlei liegen im Kollektivanlagen- und Vermögensverwaltungsrecht sowie in der Finanzmarktregulierung. Meine Partner und ich waren bereits vor der Gründung von HSW Legal lange Jahre gemeinsam bei einer im Bereich von Anlageprodukten etablierten Anwaltskanzlei tätig sowie teilweise auch bei Fondsleitungen und bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde. Zu Beginn unserer Karrieren sind wir alle mehr oder weniger zufällig in diesen Bereich hineingerutscht.
Das Kollektivanlagenrecht ist eine spannende Materie, die sich insbesondere auch aufgrund internationaler Einflüsse immer weiterentwickelt und viele interessante interdisziplinäre Schnittstellen bietet. Das zunehmend komplexere regulatorische Umfeld zwingt Anwälte, welche in diesem Bereich tätig sein wollen, zu einer immer stärkeren Spezialisierung. Wir sehen in der Spezialisierung eine Erfolg versprechende Strategie, welche auch die Produktivität für den Klienten erheblich steigert.
Die Finanzbranche hat insgesamt zu kämpfen. Wo sehen Sie für sich das grösste Wachstumspotenzial?
Wir haben unsere eigene Kanzlei gegründet, weil wir gemerkt haben, dass sich der Anwaltsmarkt und das Umfeld bei unseren Klienten respektive deren Erwartungen an die anwaltliche Dienstleistung nach der Finanzkrise verändert haben und wir die Flexibilität haben wollten, auf diese geänderten Bedingungen und Ansprüche eingehen zu können. Juristischer Sachverstand wird beim Anwalt ohnehin vorausgesetzt, gefordert wird aber nicht nur im Finanzmarktrecht immer mehr eine praktische, lösungs- und am Geschäft orientierte, umfassende Beratung. Der Klient möchte von seinem Anwalt gerade bei der Umsetzung anspruchsvoller Regulierungsprojekte «bei der Hand genommen» und sicher ans Ziel geführt werden. Dazu ist die genaue Kenntnis des Geschäftes und der internen Abläufe des Klienten unabdingbar. Der Anwalt muss zudem zeitlich ständig erreichbar sein, umgehend reagieren und liefern, und dabei weitestgehend die internen Ressourcen des Klienten schonen. Der Erfolg einer Kanzlei hängt natürlich von deren Ruf und Spezialisierung ab. Weil die Erteilung einer korrekten Beratung ohnehin als selbstverständlich vorausgesetzt wird, kann sich das Angebot einer Anwaltskanzlei nur durch den gelieferten Service abheben. Der Preisdruck bei den Klienten ist in diesem Zusammenhang sicher ein wesentliches Element. Gemäss unserer Erfahrung spielt die Höhe des Honorars aber oft eine weniger entscheidende Rolle, als die Verlässlichkeit des ursprünglich kommunizierten Preises. Nicht nur Klienten in der Finanzbranche wollen Budgetsicherheit, bevor sie einen externen Anwalt beiziehen. Entsprechend sind unseres Erachtens beispielsweise Kostendächer, Fixpreise, Pauschalen und andere alternative Kostenmodelle mit voller Kostentransparenz insbesondere für standardisierte, prozessorientierte Dienstleistungen wie die Registrierung und Kotierung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen für die Klienten oft sehr attraktiv.
Ein weiteres wichtiges Element ist aber auch die von den Klienten erwartete Flexibilität in der Art der Erbringung der Dienstleistung. Viele Klienten sind aufgrund eingeschränkter Headcounts darauf angewiesen, ihre Legal & Compliance-Abteilung manchmal sehr kurzfristig temporär mit hochspezialisierten externen Beratern zu verstärken. In diesem Zusammenhang bieten wir unseren Klienten massgeschneiderte Zusammenarbeitsmodelle. Diese können von Outsourcing-Lösungen zur Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben bis zu temporären Onsite-Einsätzen zur Umsetzung von regulatorischen Projekten reichen. In solchen Set-Ups funktionieren wir für unseren Klienten schlussendlich wie ein Inhouse-Counsel, welcher sämtliche rechtlichen Aspekte der sich im Tagesgeschäft stellenden unternehmerischen Herausforderungen abdeckt.
Unsere Klienten schätzen es auch, dass wir Partner die ständige persönliche Betreuung übernehmen und sie sich nicht an ständig wechselnde Associates wenden müssen. In unseren ersten zwei Geschäftsjahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass unsere Klienten die Kombination von persönlicher und flexibler Betreuung und dem Angebot von alternativen Fee-Modellen sehr schätzen.
Die Preise auch für juristische Dienstleistungen sind also nicht mehr in Granit gemeisselt.
Richtig. Der Kostendruck bei den Klienten wird auch an externe Dienstleister wie Anwälte weitgegeben. Der Anwaltsmarkt ist ein Käufermarkt, entsprechend werden auch hier nur die kosteneffizientesten und leistungsfähigsten Anbieter ausgewählt. Die Klienten erwarten eine flexible, den Leistungen angemessene, transparente und voraussehbare Preisgestaltung, welche eine verlässliche Budgetierung ermöglicht.
Dabei geht es nicht in erster Linie um die Höhe des in Rechnung gestellten Stundenansatzes, sondern auch - je nach Schwierigkeitsgrad der auszuführenden Arbeiten - um die korrekte Allokation von Arbeiten innerhalb der Kanzlei (zum Beispiel Einsatz von Paralegal-Mitarbeitern und effizienter IT-Technologien). Gemäss unseren Beobachtungen bewegen sich die in Rechnung gestellten Stundenansätze von spezialisierten Anwälten in der Schweiz immer noch erheblich unter dem Niveau von entsprechenden Spezialisten in London, Luxemburg oder Frankfurt.
Um unseren Klienten eine faire und attraktive Preisgestaltung für unsere Dienstleistungen anbieten zu können, haben wir uns bewusst für eine möglichst schlanke Kostenstruktur und zum Beispiel gegen teure Kanzleiräumlichkeiten entschieden. Hoch standardisierte Dienstleistungen wie beispielsweise die Registrierung und Kotierung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen erbringen wir gestützt auf mit den Klienten vereinbarte und auf deren Bedürfnisse zugeschnittene alternative Preismodelle (beispielsweise Fixpreise, Jahrespauschalen, etc.). Entsprechende Preismodelle können wir nur aufgrund unserer Spezialisierung und Fokussierung auf Effizienz und Effektivität unserer internen Prozesse und Abläufe anbieten.
Wo setzen Sie in der täglichen Arbeit die Hauptakzente?
Der Schwerpunkt unserer täglichen Tätigkeit liegt in der Beratung von schweizerischen Fondsleitungen bei der Strukturierung sowie dem Life Cycle Management der Fonds (insbesondere im Bereich des Private Labelling), in der Beratung von ausländischen Klienten bei der Genehmigung und Kotierung ihrer Fonds sowie der Ausgestaltung der Vertriebsorganisation in der Schweiz sowie in der Beratung von Bewilligungsträgern wie Vertretern, Vermögensverwaltern kollektiver Kapitalanlagen und Vertriebsträgern in Bezug auf gesellschaftsrechtliche und regulatorische Fragestellungen, insbesondere auch im Hinblick auf künftige regulatorische Entwicklungen wie die Einführung des FIDLEG und des FINIG sowie die damit verbundenen Anpassungen für Bewilligungsträger gemäss dem KAG. Insbesondere bei unseren Klienten, für welche wir eine ausgelagerte Inhouse-Counsel Funktion wahrnehmen, ist es sehr wichtig, frühzeitig mögliche Entwicklungen im Marktumfeld zu erkennen und mit Blick auf erwartete rechtliche und auch unternehmerische Herausforderungen pro-aktiv zu handeln, um so der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein und die Marktbedingungen nach eigenen Vorstellungen mitgestalten zu können. Wir erachten es als Vorteil für unsere Klienten, in Bezug auf regulatorische Entwicklungen agieren statt nur reagieren zu können.
Bleiben Fondsgesellschaften ihrem juristischen Partner eigentlich ein Leben lang treu oder gibt es auch in dieser diskreten Welt eine Rotation?
Zwischen Anwalt und Klient, seien es natürliche oder juristische Personen, besteht in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches über eine längere Zeit gewachsen ist. Eine eingespielte Zusammenarbeit zwischen Anwalt und Klient schafft Effizienzen. Nichtsdestotrotz sind Anwälte grundsätzlich leicht und schnell austauschbar. Es kommt durchaus vor, dass Fondsgesellschaften ihre langjährigen externen Rechtsberater wechseln. Ein solcher Wechsel kann vielfältige Gründe haben, beispielsweise ein Wechsel der Entscheidungsträger beim Klienten, geänderte Bedürfnisse des Klienten in Bezug auf die Leistungserbringung (beispielsweise Kosten, Secondments, etc.) oder auch die Unzufriedenheit mit der erhaltenen Dienstleistung. Im Rechtsberatungsmarkt wird heute generell eine nachlassende Mandantenloyalität festgestellt. Entsprechend ist die aktive Klientenpflege eine der wichtigsten Aufgaben eines Anwalts. Oft arbeiten grosse Fondsgesellschaften mit mehreren Kanzleien zusammen, entsprechend erfolgen Wechsel in der Regel fliessend.
Gemäss den Medien braucht es immer weniger Experten wie Anwälte, da diese zunehmend durch Algorithmen, Big Data, Roboter und Paraexperten ersetzt werden, die mithilfe von Technologien komplexe juristische Probleme lösen. Sind Sie darüber beunruhigt?
Nein, im Gegenteil. FinTech-, RegTech- und LegalTech-Unternehmen können nicht nur die Arbeit unserer Klienten, sondern auch unsere Arbeit erleichtern und bereichern. Sie können hilfreich sein, um das Volumen, die Komplexität sowie die Geschwindigkeit von Entwicklungen zu verarbeiten. Wir verfolgen die Entwicklungen in diesem Markt sehr aufmerksam und sehen insbesondere auch Chancen für Fondsgesellschaften. So prüfen wir derzeit mit einer Fondsgesellschaft die Möglichkeit, die Fondsdokumente künftig quasi auf Knopfdruck erstellen zu können. Im Rahmen dieses Projekts sehen wir Chancen zur Effizienzsteigerung. Diese Chancen sind aber auf Seiten des Klienten auch mit erheblichen Einschränkungen verbunden und erfordern strikte Disziplin und Standardisierung in der Ausgestaltung der Dokumente und Produkte, welche gerade im Bereich des Private Labelling die Flexibilität, auf spezifische Wünsche der Sponsoren eingehen zu können, erheblich einschränken können.
Lukas Weinmann ist Gründungspartner der HSW Legal AG. Er hat in Zürich (lic. iur. 1997) und Sydney (LL.M. 2003) Rechtswissenschaften studiert und ist seit 2006 als Rechtsanwalt zugelassen. Er verfügt über zwanzig Jahre spezifische Berufserfahrung im Kollektivanlagen- und Finanzdienstleistungsrecht, insbesondere in der Beratung von in- und ausländischen Fondsleitungen, Depotbanken, Vermögensverwaltern von kollektiven Kapitalanlagen, Vertretern ausländischer kollektiver Kapitalanlagen sowie von Vertriebsträgern. Seit 2007 ist er als Rechtsanwalt in diesem Bereich beratend tätig. Vorher war Lukas Weinmann als Sachbearbeiter in der Abteilung Anlagefonds bei der Eidgenössischen Bankenkommission sowie als Senior Legal Counsel für die Fondsleitungen einer Schweizer Grossbank in Zürich und in Luxemburg tätig.