Unit-Linked-Konzepte entlasten Versicherer-Bilanzen

Leiter Versicherungen Retail Schweiz
BlackRock Asset Management Schweiz AG, Zürich
blackrock.ch
06.10.2017
Herr Sutter, BlackRock hat kürzlich die neuen Ergebnisse einer jährlichen weltweiten Umfrage unter Versicherern veröffentlicht. Was treibt die Branche demnach momentan um?
Auffällig ist zum Beispiel, dass regulatorische Risiken gegenüber den Vorjahren noch stärker in den Vordergrund gerückt sind: 64 Prozent der Versicherer halten Regulierung auf Sicht der kommenden ein bis zwei Jahre für eines der stärksten Makrorisiken in Bezug auf ihre Investmentstrategie - ein deutlicher Anstieg gegenüber den 46 Prozent im Jahr 2016. Die anhaltend niedrigen Zinsen stehen ebenfalls im Fokus: 40 Prozent der 300 befragten Versicherungsmanager, die zusammen 9,7 Billionen US-Dollar verwaltetes Vermögen repräsentieren, halten sie für ein Kernrisiko. Das deckt sich mit den Erkenntnissen, die wir aus unseren Gesprächen mit der Schweizer Assekuranz gewinnen. Im Bereich Kapitallebensversicherung kommt hinzu, dass die Anbieter angesichts eines technischen Zinssatzes von nur noch 0,25 Prozent gegenüber anderen Möglichkeiten der privaten finanziellen Altersvorsorge ins Hintertreffen geraten. Angesichts dieser Herausforderungen stellt die Branche sich auf Veränderungen ein und denkt um.
Inwiefern?
Zum Beispiel beim Thema Garantien. Klassische Garantien kosten den Anleger wie zum Beispiel bei klassischen Kapitallebensversicherungen jedes Jahr Rendite mit Zinseszinseffekt. Zum Beispiel macht das bei angenommenen Kosten von einem Prozent auf Sicht von zehn Jahren 10,5 Prozent und nach 20 Jahren sogar 22 Prozent, die dem Kunden entgehen. Bei einer Anlagesumme von 100.000 Schweizer Franken sind das 10.500 respektive 22.000 Franken - eine stattliche Summe, insbesondere angesichts dessen, dass die Umwandlungssätze in der betrieblichen Altersvorsorge reduziert werden sollen und die Renditen am Kapitalmarkt künftig vermutlich tiefer ausfallen werden. Daher denken die Anbieter zunehmend darüber nach, von klassischen Garantiemodellen auf modernere Konzepte umzustellen - insbesondere Unit-Linked-Lösungen.
Was verbirgt sich dahinter?
Bei dieser Form der Lebensversicherung gibt der Vertrag keine Kapitalbeträge oder Endkapitalbeträge mehr an. Stattdessen wird die Prämie in Anteile an Investmentfonds umgewandelt. Der Wert des Vertrags ergibt sich aus der Anzahl der Fondsanteile, multipliziert mit ihrem jeweils aktuellen Wert. Solche Unit-Linked-Lösungen ermöglichen den Versicherern, ihre Bilanzen zu entlasten, weil sie weniger Risikokapital benötigen. Gleichzeitig können die Versicherer ihren Kunden auf diese Weise auch angesichts niedriger Zinsen weiterhin attraktive Produkte anbieten. Insofern ist es kein Wunder, dass Unit-Linked-Lösungen etwa in Grossbritannien und anderen europäischen Ländern schon weit verbreitet sind. Auch die Schweizer Assekuranz bewegt sich allmählich in diese Richtung.
Aus Sicht der Sparer waren die Garantien ein grosser Vorzug der Kapitallebensversicherung - gerade auch in der Schweiz, wo die Anleger im internationalen Vergleich weniger risikofreudig sind. Wie passt das Unit-Linked-Konzept, das von der Entwicklung am Kapitalmarkt abhängt, dazu?
In der Tat sind Schweizer Anleger auf Sicherheit bedacht. Das zeigt auch der BlackRock Wealth Investor Pulse 2017, eine umfassende, repräsentative Umfrage zu den Themen Sparen, Investieren und Ruhestandsplanung. Demnach halten wohlhabende Schweizer im Schnitt ein Drittel ihres Vermögens in bar. Und je grösser der Bargeldanteil, desto eher glauben sie, ihre Finanzen unter Kontrolle zu haben. Zehn Prozent der Befragten lassen sich nach eigenen Angaben von nichts davon abhalten, viel Cash zu halten - auch nicht von einer möglichen Einführung von Negativzinsen auf deren Sparguthaben. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit kostet Rendite und senkt somit die mögliche Lebensqualität im Alter. Daher wundert es nicht, dass der Lebensstandard im Alter zunehmend eine der Hauptsorgen wohlhabender Schweizer ist. Im Rahmen des BlackRock Wealth Investor Pulse 2017 äusserten sich 30 Prozent der Befragten entsprechend, während es 2015 erst 19 Prozent waren. Auf diese wachsende Furcht, im Alter nicht ausreichend versorgt zu sein, können Unit-Linked-Lösungen eine Antwort sein.
Wie sehen diese Versicherungskonzepte im Detail aus?
Unit-Linked-Lösungen lassen sich so individuell gestalten, wie es die Bedürfnisse der Versicherer beziehungsweise ihrer Kunden erfordern. Im Wesentlichen gibt es drei Philosophien: Erstens weniger Risiko bei gleicher erwarteter Rendite, indem Portfoliomanager das Vermögen im Rahmen global investierender Multi-Asset-Fonds je nach Marktumfeld flexibel über verschiedene Anlageklassen streuen. Zweitens Schutz des Vermögens vor Verlusten durch aktive Risikosteuerung, sprich: Korrigiert der Markt, reduzieren die Portfoliomanager das Risiko - und umgekehrt, wenn es an den Börsen wieder bergauf geht. Drittens kostenoptimierte, harte Teilgarantien zusätzlich zum Multi-Asset-Fonds, die je nach Wunsch zum Beispiel 90 oder 80 Prozent des Kapitals sichern. Bei allen drei Philosophien liegt der Schlüssel zum Erfolg im aktiven Portfolio- und Risikomanagement, das sich bei uns auch in turbulenten Börsenphasen wie 2008 oder 2011 bewährt hat. Die Versicherten profitieren davon, indem sie die Chancen der Kapitalmärkte für den langfristigen Vermögensaufbau nutzen, um ihren gewohnten Lebensstandard auch im Alter beibehalten zu können.
Welche der drei genannten Philosophien erfreuen sich in der Schweiz bislang besonderer Beliebtheit?
Vor allem die erste und dritte. Wir sehen jedoch an allen drei Varianten, insbesondere das zweite, risikogesteuerte, zunehmende Interesse. Denn unabhängig von der individuellen Ausgestaltung schaffen Unit-Linked-Lösungen den Spagat zwischen dem Wunsch der Assekuranz, ihre Bilanzen zu entlasten, und dem Sicherheitsbedürfnis der Versicherten.
Angesichts der Vielzahl an Asset Managern am Markt dürfte es einen intensiven Wettbewerb im Bereich Unit-Linked-Lösungen geben. Worauf sollten Versicherer bei der Auswahl ihrer Asset-Management-Partner achten?
Vor allem auf drei Punkte. Erstens darauf, dass der Asset Manager über Versicherungsexpertise verfügt. BlackRock zum Beispiel hat ein globales Team von mehr als 280 Versicherungsexperten aufgebaut, die auch mit den speziellen Rahmenbedingungen vor Ort in den einzelnen Ländern genau vertraut sind und Versicherer bei der Produkteentwicklung unterstützen können. Zweitens ist exzellentes Risikomanagement angesichts des anspruchsvollen Kapitalmarktumfeldes noch wichtiger geworden. Umfassende Investment- und Risikomanagementplattformen wie Aladdin bei BlackRock schaffen die Basis für fundierte Risikoanalysen durch mehr als 1’000 Risikoexperten. Und drittens Kapitalmarktwissen, das alle Märkte sowie Anlageklassen umfasst - idealerweise in Verbindung mit Portfoliomanagern und Analysten vor Ort sowie unabhängigen Analyseplattformen wie dem BlackRock Investment Institute (BII).
Werden Unit-Linked-Konzepte sich künftig gegenüber klassischen Garantiekonzepten durchsetzen?
Was sich durchsetzen wird, ist Qualität im Hinblick auf das Portfolio- und Risikomanagement. Denn Versicherer dürften ihren Kunden in Zukunft eher ein überschaubares Sortiment guter Lösungen anbieten, die bei Netto-Rendite, Risiko und Kosten überzeugen. Zudem gehen wir davon aus, dass Versicherungslösungen künftig verstärkt an die verschiedenen Lebensphasen angepasst werden - zum Beispiel, in dem in der Aufbauphase vorrangig Fonds mit Aktienschwerpunkt oder Multi-Asset-Lösungen zum Einsatz kommen, kurz vor dem Renteneintritt etwa Produkte mit kostenoptimierten Teilgarantien, um Risiko zu reduzieren, und in der Auszahlungsphase beispielsweise ertragsorientierte Anleihen- oder Dividendenstrategien für regelmässige Erträge.
Sandro Sutter ist Leiter Versicherungen Retail in der Schweiz bei BlackRock. In dieser Funktion ist er verantwortlich für den Vertrieb von Asset-Management-Lösungen, die im Rahmen von Versicherungsprodukten für Privatkunden zum Einsatz kommen. Sutter verfügt über langjährige Erfahrung in der Versicherungsbranche. Vor seinem Wechsel zu BlackRock hat er in verschiedenen Funktionen bei der Zürich Versicherung gearbeitet, unter anderem als Head of Capital Management für das UK General Insurance Business. Er begann seine berufliche Laufbahn als Management Consultant bei PwC, wo er unter anderem die Finanzindustrie beraten hat. Sandro Sutter verfügt über einen Master-Abschluss in Business Administration von der Universität Zürich. Zudem ist er Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA) und verfügt über ein Zertifikat des Chartered Insurance Institute.