«Versicherer können Anlageportfolios zur Profitabilitätssteigerung nutzen»

Leiter Asset Management Versicherer und stellvertretender Leiter institutionelles Kundengeschäft
BlackRock Asset Management Schweiz AG, Zürich
blackrock.ch
15.12.2017
Herr Fröhlich, BlackRock berät Versicherungskonzerne weltweit zum Thema Asset Management und befragt seine Kunden jährlich zu aktuellen Herausforderungen und Trends. Die jüngsten Ergebnisse der Umfrage unter 300 Top Managern, die weltweit 9,7 Billionen US-Dollar verwalten, sind kürzlich erschienen. Was treibt die Schweizer Assekuranz derzeit um?
Ganz klar die Profitabilität. Versicherer stehen zunehmend unter Druck, ihre Gewinnmargen zu verbessern. Das ist vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Unsicherheit, niedriger Zinsen, regulatorischer Einschränkungen und eines intensiven Wettbewerbs um Abschlüsse eine echte Herausforderung.
Wie geht die Assekuranz diese Herausforderung an?
In den vergangenen Jahren hat die Branche verschiedene Massnahmen ergriffen, um ihre Umsätze zu steigern und Kosten zu reduzieren. Diese Bemühungen haben ein stückweit Früchte getragen: Viele Unternehmen berichten, dass ihre Profitabilität in den vergangenen fünf Jahren trotz des Gegenwindes für die Branche nicht gesunken ist. Um das zu erreichen, haben die meisten Versicherer sich in erster Linie auf Anpassungen in Bezug auf Abschlüsse und Betriebsabläufe konzentriert. Jetzt denken sie darüber nach, wie sie im nächsten Schritt die künftige Profitabilität über ihre Anlageportfolios weiter verbessern können. Das ist ein deutlicher Richtungswechsel. Denn bislang hatte das Ziel, höhere Anlagerenditen zu erzielen, nur für relativ wenige Umfrageteilnehmer höchste Priorität. Der Druck, aus den Vermögensanlagen einen höheren Beitrag zur Gesamtprofitabilität zu erwirtschaften, steigt also.
Wollen die Versicherer darauf reagieren, in dem sie die Risikoleiter noch weiter nach oben steigen?
Nein, das zeigt unsere Umfrage ganz eindeutig. Die meisten Unternehmen fühlen sich mit ihren derzeitigen Risikoprofilen wohl. Die Bereitschaft, höhere Risiken in Kauf zu nehmen, hat im vergangenen Jahr abgenommen. Das ist die Schwierigkeit, der sich die meisten Versicherer gegenübersehen: Auf der einen Seite wollen sie höhere Renditen erwirtschaften, was normalerweise ein höheres Risiko bedingt. Auf der anderen Seite wollen sie sich nicht verwundbarer machen.
Woher rührt die geringere Bereitschaft für mehr Risiko?
Dabei spielt sicher die gestiegene Risikowahrnehmung eine Rolle, und zwar in drei grossen Bereichen. Erstens geopolitische Risiken - sprich Sorgen rund um das Thema Populismus, Protektionismus und regionale Spannungen. Diese gelten inzwischen als besonders ernste Makrorisiken, mit denen die Branche sich konfrontiert sieht. Zweitens sind Marktrisiken stärker in den Vordergrund getreten. Dazu gehören vor allem Liquiditätsrisiko, Volatilität von Vermögenswerten und die Furcht vor einem starken Zinsanstieg. Drittens haben Sorgen rund um regulatorische Risiken global betrachtet deutlich zugenommen. Viele Umfrageteilnehmer haben betont, das aktuelle regulatorische Umfeld beschränke sie im Hinblick auf Anlagechancen, die zu besseren Renditen beitragen und die Gesamtprofitabilität erhöhen könnten. Schweizer Versicherer dürften sich immerhin im Hinblick auf regulatorische Risiken insgesamt etwas wohler fühlen. Denn einige regulatorische Anforderungen wurden in der Schweiz schon deutlich früher eingeführt, als es etwa die Richtlinie Solvency II in der Europäischen Union vorgesehen hatte - beispielsweise Vorgaben bei der Kapitalunterlegung von bestimmten Investitionen. Daher befindet sich die Schweiz heute bereits in ruhigerem Fahrwasser, was unvorhergesehene regulatorische Veränderungen und deren mögliche Auswirkungen anbelangt.
Einerseits der Wunsch nach höheren Renditen, andererseits keine Bereitschaft zu mehr Risiko - wie lässt sich beides miteinander vereinbaren?
Indem die Versicherer ihre Portfolios neu ausrichten und dabei die beiden Enden des Anlagespektrums betonen: Zum einen kaufen sie weiter sichere Vermögenswerte und zum anderen mehr Anlageformen, die ein höheres Risiko und mehr Renditepotenzial bieten. Dazu gehören illiquidere Anlagen wie Private Equity, Infrastruktur Equity und Real Estate Equity. Gleichzeitig dünnen die Versicherer die Mitte des Anlagespektrums aus, so dass das Gesamtrisiko der Portfolios in etwa gleichbleibt.
BlackRock verwaltet für Versicherer weltweit rund 300 Mrd. US-Dollar in unabhängigen Mandaten und mehr als 100 Mrd. US-Dollar als externer Berater. Lassen Sie uns doch mal einen tiefergehenden Blick in diese Portfolios werfen. Was tut sich dort aktuell?
Der grosse Trend ist, dass die Versicherer vermehrt in Richtung Privatplatzierungen, alternativer Anlageklassen und illiquider Vermögenswerte schauen. Denn in den vergangenen Jahren haben höhere Quoten in diesem Bereich sich bereits als effektiver Anlageweg hin zu einer höheren Gesamtprofitabilität bewährt, wie uns die Assekuranz-Manager berichten. Aufgrund dieser guten Erfahrungen wollen auf Sicht der nächsten zwölf bis 24 Monate viele Unternehmen ihre Engagements in diesem Bereich erhöhen. In der Schweiz stehen Gewerbe- und Wohnimmobilien eher in der Endphase eines Zyklus, weshalb Engagements in dieser Anlageklasse die Profitabilität zukünftig im Durchschnitt weniger stützen dürften. Daher sehen wir hierzulande vor allem eine stärkere Hinwendung zu Private Debt, aber auch eine höhere Gewichtung von Private-Equity- und Infrastruktur-Engagements. Dabei liegt eine Besonderheit für die Schweizer Versicherer darin, dass sie im eigenen Währungsraum weniger Anlagemöglichkeiten im Bereich Privatplatzierungen finden, als das in grösseren Währungsräumen der Fall ist. Das gilt für Investitionen in Infrastruktur und in Immobilien, aber auch in Private Equity. Daher investieren Schweizer Unternehmen häufiger mit Fremdwährungsrisiko, weshalb Hedging-Kosten in der Schweizer Versicherungsbranche eine grössere Rolle spielen als bei Unternehmen aus dem Euro-Raum.
Welche weiteren Anlagetrends beobachten Sie?
Versicherer fahren inzwischen tendenziell höhere Aktienquoten und Anleihendurationen. Und sie reduzieren ihre Staatsanleihenquoten eher, als dass sie sie aufstocken. Da hat sich das Verhältnis im Vergleich zu vor drei Jahren mehr oder weniger genau umgekehrt. Auch Hochzinspapiere werden inzwischen eher reduziert.
Und das dadurch freiwerdende Kapital fliesst dann in Privatplatzierungen, alternative Anlageklassen und illiquide Vermögenswerte?
Ja, zum einen. Zum anderen nehmen Kapitalreserven und überschüssige Liquidität zu. Viele Versicherer halten heute - gemessen an dem, was die Regulierer verlangen - mehr Kapital als vor fünf Jahren. Sie begründen das mit der Notwendigkeit, die Volatilität der Vermögenswerte und ihrer Abschlüsse zu managen. Die Notwendigkeit, volatile Vermögenswerte zu managen, wird auch als einer der Hauptgründe für überschüssige Liquidität angeführt. Die Versicherer wollen ihren Angaben zufolge überschüssige Liquidität halten, um vor steigenden Zinsen, der Volatilität bei Abschlüssen und regulatorischen Anforderungen gewappnet zu sein. Die meisten Umfrageteilnehmer halten ihre Liquiditätsniveaus in Anbetracht der momentanen und voraussichtlichen Verbindlichkeiten für angemessen.
Welche Anlageempfehlungen geben Sie Versicherern für das bevorstehende Jahr 2018 mit auf den Weg?
Vor allem drei Dinge: Erstens können höhere Quoten bei Privatplatzierungen, alternativen Anlageklassen und illiquiden Vermögenswerten im Zusammenspiel mit sicheren Vermögenswerten helfen, die Renditechancen von Portfolios zu erhöhen, ohne dass das Risiko steigt. Das kann entscheidend dazu beitragen, die Gesamtprofitabilität von Versicherern zu erhöhen. Zweitens: Die richtigen Vermögenswerte ausfindig zu machen, ist einer der Schlüssel, um das Potenzial in diesen Anlagesegmenten zu heben. Bei BlackRock arbeiten daran 43 Portfoliomanager, die auf Versicherer spezialisiert sind, und zudem auf unser globales Netzwerk von Investmentexperten zurückgreifen. Hinzu kommen rund 280 weitere Versicherungsspezialisten, die auch in den Regionen vor Ort sitzen und unsere globale Expertise mit lokalem Know-how verbinden. Drittens ist ein exzellentes Risikomanagement von entscheidender Bedeutung, um Portfolios und Anlagerenditen mit Blick auf die Gesamtprofitabilität zu optimieren. Das ist angesichts des anspruchsvollen Kapitalmarktumfeldes noch wichtiger geworden. Umfassende Investment- und Risikomanagementplattformen wie Aladdin bei BlackRock schaffen die Basis für fundierte Risikoanalysen durch mehr als 1’000 Risikoexperten.
Andreas Fröhlich, Managing Director, ist stellvertretender Leiter des institutionellen Kundengeschäfts bei BlackRock in der Schweiz. In dieser Funktion ist er für die Beziehungen zu institutionellen Kunden und das lokale Versicherungskundengeschäft verantwortlich. Vor seinem Wechsel zu BlackRock hat er bei der Man Group gearbeitet, wo er für die Analyse einer breiten Palette von Hedgefonds-Strategien zuständig war und eine Co-Portfolio-Management-Rolle innehatte. Seine berufliche Laufbahn begann Andreas Fröhlich bei der Falcom Media Group sowie bei der PwC in Zürich. Er verfügt über einen Master-Abschluss in Banking und Finance der Universität St. Gallen (HSG) sowie einen CEMS Master in International Management. Er ist CFA, FRM und CAIA Charterholder und Mitglied der CFA Society Switzerland.