«Vier Kriterien sprechen für steigende Kurse»

05.03.2021
Herr Husain, eignen sich Anleihen angesichts der ultraniedrigen Renditen noch zur Diversifizierung?
Die Tatsache, dass beispielsweise der deutsche Leitindex im ersten Quartal 2020 um 25 Prozent eingebrochen ist, Bundesanleihen aber lediglich um 2 Prozent zugelegt haben, deutet darauf hin, dass die Diversifizierungskraft von Anleihen viel weniger stark sein könnte. Anleger sollten daher abgesehen von Staatsanleihen nach Alternativen Ausschau halten, um ihr Portfoliorisiko zu mindern. Für Festzinsanleger wird es in diesem Jahr entscheidend darauf ankommen, neue Diversifizierungsquellen zu finden und das Portfolio so aufzustellen, dass auf Basis eingehender Analysen relative Wertpotenziale, Volatilitätsschübe und potenzielle Kursverwerfungen flexibel genutzt werden können.
Werden die bereits rekordtiefen Renditen weiter sinken?
Da die Corona-Pandemie weiterhin für Unsicherheit sorgt, könnte sich der Abwärtstrend, wenngleich in geringerem Masse, fortsetzen. Die Anleihenrenditen könnten weiter unter Druck geraten, wenn die Regierungen, die zuletzt wegen der Corona-Krise Ausgaben in schwindelerregender Höhe stemmen mussten, weitere fiskalpolitische Finanzhilfen auf den Weg bringen. In diesem Umfeld könnte sich die Volatilität bei Staatsanleihen weiter fortsetzen, vor allem am langen Ende der Zinskurve.
Was raten Sie Anlegern vor diesem Hintergrund?
In diesem Jahr dürfte es daher mehr denn je auf eine aktive Zinskurvenpositionierung und auf die Fähigkeit ankommen, die Duration des Portfolios deutlich zu verändern. Zudem könnten in diesem Umfeld inflationsgebundene Anleihen interessant sein.
Sind Anleihen noch ausreichend liquide?
Im März 2020 erlebten sogar einige Segmente des US-Treasury-Marktes Preisverwerfungen. Dies macht deutlich, dass Liquidität immer gerade dann knapp wird, wenn sie dringend benötigt wird. Sie ist derzeit vor allem jenseits der Anleihenmärkte zu finden, beispielsweise bei Devisen oder derivativen Instrumenten, darunter synthetische Kreditindizes. Beide Segmente gehörten zu den wenigen Ausnahmen, die im letzten Jahr ihre Liquidität nicht eingebüsst haben. Eine weitere Möglichkeit, abrupte Volatilitätsschübe im weiteren Jahresverlauf zu nutzen, sehen wir zudem im verstärkten Einsatz von Optionen.
Was kann ein Absolute-Return-Ansatz dazu beitragen, den von Ihnen aufgezeigten Herausforderungen zu begegnen?
Das Ziel unserer Dynamic-Global-Bond-Strategie besteht in einer beständigen und nachhaltigen Performance durch Kuponerträge und Kapitalzuwachs, flankiert durch eine länder- und branchenbezogene Diversifizierung. Dieser Ansatz ist zudem darauf ausgerichtet, die Verlustrisiken zu minimieren und das investierte Kapital zu erhalten, beispielsweise durch die Steuerung der mit potenziellen Zinssteigerungen verbundenen Risiken. Dabei haben wir grossen Spielraum, um die Gesamtduration schnell und flexibel zu regulieren, wenn sich das Marktumfeld oder der Marktzyklus ändern. Der dritte Teil unserer Strategie zielt darauf ab, für beständige Renditen zu sorgen, wenn die Aktien- und Risikomärkte fallen. Hierzu setzen wir eine Reihe defensiver Absicherungsinstrumente ein, beispielsweise Short-Positionen auf Schwellenmarktwährungen, Engagements an Märkten mit defensiven Eigenschaften oder Long-Positionen auf Volatilität mittels Optionen.
Wie hat sich Ihre Strategie im besonders heiklen Jahr 2020 bewährt?
Bei allen Volatilitätsschüben und unterschiedlichsten Marktphasen, mit denen uns das Jahr 2020 konfrontiert hat, hat sich der «Dynamic Global Bond (USD Hedged) Composite» in jedem einzelnen Quartal deutlich besser entwickelt als der Drei-Monats-USD-Libor. Dank unseres taktischen Durationsmanagements, insbesondere durch den Übergang von einer durationsbezogenen Short- auf eine Long-Ausrichtung am US-Markt, verzeichnete der Strategie-Composite im ersten Quartal eine positive Performance, während sich viele andere Festzinsanleger schwertaten.
Wie beurteilen Sie die Perspektiven für dieses Jahr?
Unsere Analysen zeigen, dass vier Faktoren für einen bullischen Ausblick sprechen: die ultralockere Geldpolitik, die expansive Fiskalpolitik, der enorme Nachholbedarf im Dienstleistungsgewerbe und die steigende Aussicht auf eine «Rückkehr in die Normalität» durch Impfstoffe. Solange diese vier Kriterien intakt sind, dürfte sich der positive Trend an den Finanzmärkten fortsetzen. Im weiteren Verlauf dieses Jahres kommt es vor allem darauf an, beweglich zu sein. Daher blicken wir auch optimistisch auf unsere Strategie, da sie schnell und flexibel angepasst werden kann, wenn sich die Marktbedingungen verändern.
Link zum Disclaimer
Arif Husain leitet den Bereich International Fixed Income bei T. Rowe Price. Er ist Co-Portfolio Manager für die Strategien «International Bond und Institutional International Bond»; zudem ist Arif Husain leitender Portfolio Manager für die «Dynamic Global Bond Strategy» und die «Global Aggregate Bond Strategy».