Vom Rohstoff-Haus zum umfassenden Multi-Asset-Anbieter

26.10.2015
Herr Wenger, es gibt wohl wenige Akteure im europäischen Geschäft mit ETFs und ETCs, die sich an den Rohstoffmärkten so gut auskennen wie Sie. Was fällt Ihnen beim Stichwort Gold spontan ein?
Gold ist aktuell in einer interessanten Phase, es scheint so, als ob Gold im aktuellen Umfeld eher als monetäres Asset als Safe Haven gesehen wird. Die Griechenland-Krise wurde zum Beispiel ignoriert, allerdings gab es eine signifikante Reaktion als es zu keiner Fed-Zinserhöhung kam. Gold hat zudem die grossen Aktienindizes in lokalen Währungen in diesem Jahr outperformt.
… und bei Erdöl?
Sowohl die Nachfrage als auch das Angebot steigen aktuell, allerdings wurden durch den niedrigen Ölpreis viele Projekte auf Eis gelegt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Wood Mackenzie zeigt, dass ca. 20 Milliarden Barrel Öl im Upstream-Bereich gestoppt wurden, das entspricht ca. 200 Mrd. US-Dollar. Nicht nur Tiefseeprojekte wurden gestoppt, es kommt auch laufend zu Schliessungen von Bohranlagen in den USA. Generell sind diese Projekte langfristiger zu sehen, weswegen wir eine moderate Erholung des Ölpreises in der 2. Hälfte 2016 erwarten. Wir sehen Brent Crude bei 60 USD/bbl in 2016 und 80 USD/bbl in 2017. Investoren scheinen sich bereits jetzt «long» zu positionieren, da wir in diesem Jahr Rekordmittelzuflüsse in Öl-Produkte gesehen haben.
Dann hatten Sie in den letzten Monaten wohl viel zu tun.
Das kann man so sagen: In unseren diversen Ölprodukten hatten wir in diesem Jahr Rekordmittelzuflüsse, fast ausschliesslich bei den Long-Produkten. Investoren erwarten demzufolge steigende Ölpreise. Durch die hohe Volatilität werden allerdings auch Short- und Hebelprodukte für kurzfristige Positionierungen gerne eingesetzt.
Rohstoffe generell scheinen für Investoren wieder interessant zu sein, auch unser breit gestreuter ETFS Longer Dated All Commodities GO UCITS ETF, der mit 30bps TER als Core-Allokation eingesetzt werden kann, ist aktuell sehr nachgefragt.
Können Sie sich vorstellen, dass Gold bei Investoren bald wieder in Mode kommt?
Das scheint so zu sein, trotz Abflüssen YTD sehen wir in den letzten Wochen wieder vermehrt Investoren, die in Gold einsteigen. Das zeigen auch unsere Flow-Analysen.
Wie steht es um andere Rohstoffe wie beispielsweise Industriemetalle?
Die Industriemetalle waren im letzten Quartal vor allem geprägt durch Sorge einer Wachstumsverlangsamung in China und der steigenden Volatilität an den globalen Aktienmärkten. Mit Ausnahme von Zinn haben Industriemetalle im letzten Quartal durchschnittlich 10 Prozent verloren, allerdings haben Fundamentaldaten für Aluminium, Kupfer und Zinn gedreht, was dafür spricht, dass im 3. Quartal der Boden erreicht wurde. Wir erwarten im 4. Quartal eine Erholung der Preise bei Industriemetallen.
Noch ein Ausblick für Agrarrohstoffe: Der 2015er El Niño ist bereits der stärkste seit 1997/98 und könnte der stärkste - seit die Aufzeichnungen im Jahr 1950 begannen - werden. Historisch wirkt sich ein starker El Niño positiv für Zucker, Kakao und Mais aus. Preismildernd wirkt sich das Wetterphänomen auf Arabica-Kaffee und Soyabohnen aus bzw. eher neutral auf Weizen.
Ihr Haus ist in diesem Jahr eine Kooperation mit Lombard Odier eingegangen. Können Sie ein paar Worte dazu sagen?
Die Kooperation mit Lombard Odier Investment Managers ermöglicht es uns, Investoren fundamental gewichtete Fixed-Income-Allokationen zu liefern. Dieser Smart-Beta-Ansatz macht vor allem im Fixed-Income-Bereich so viel Sinn, da Investoren nicht wirklich in marktkapitalisierenden Indizes investiert sein wollen. Das Konzept ist sehr einfach, statt denjenigen Schuldnern mehr Geld zu geben, die die meisten Schulden haben, wird darauf geachtet, dass derjenige übergewichtet wird, bei dem die Rückzahlungswahrscheinlichkeit am höchsten ist. Ein weiterer Vorteil der Strategien ist der vorhandene jahrelange Track Record der zugrundeliegenden Indizes, und das Konzept wurde von Investoren bereits angenommen mit ca. 5 Mrd. US-Dollar investierten Geldern in existierende Produkte.
Sie haben mit diesem Schritt eine Produkt-Diversifikation vorgenommen?
Genau, wir bewegen uns sichtlich in Richtung Multi-Asset-Anbieter und haben mittlerweile ETPs auf Aktien, Renten, Rohstoffe und Währungen im Produktangebot.
Aber Ihr Hauptgeschäft sind und bleiben Rohstoffe. Ist das richtig?
Rohstoffe sind klarerweise diejenige Assetklasse, in der wir mit Abstand die meisten Assets haben. Wir wollen hier unsere Marktführerschaft logischerweise verteidigen und wenn möglich ausbauen. Neue Produkte werden Sie jedoch vor allem in den anderen Assetklassen sehen, wo wir unserem Anspruch als Innovator und Spezialist für Zugangsprodukte in vorher nicht oder nur schwer investierbare Märkte bzw. Themen gerecht werden wollen.
Bernhard Wenger ist Head of European Distribution bei ETF Securities, nachdem er zuvor für mehrere Jahre die Vertriebsaktivitäten in Deutschland, Österreich und Osteuropa geleitet hat. In seiner aktuellen Position ist er für die Vertriebsstrategie für Exchange Traded Products (ETPs) in Europa zuständig. Zudem verantwortet er die Vermögensklasse Rohstoffe, in der ETF Securities als Marktführer das umfangreichste Produktangebot bietet. In seiner 15-jährigen Kapitalmarktkarriere war er unter anderem für Organisationen wie Morgan Stanley, BNP Paribas und HSBC tätig und hielt verschiedenste Positionen im Derivatebereich und bei Strukturierten Produkten. Bernhard Wenger hält einen ‚European Master in Management“ (Paris, Oxford, Berlin) von der European School of Management (ESCP Europe).