Vom Rohstoff-Haus zum umfassenden Multi-Asset-Anbieter

Associate Director - Germany & Austria
ETF Securities (UK) Limited, London etfsecurities.com
16.11.2015
Herr Hein, das laufende Jahr war bei Rohstoffen turbulent. Sie zählen in der europäischen ETF- und ETC-Branche zu den besten Kennern. Hat Sie die Preisentwicklung bei Gold wirklich überrascht?
Gold ist aktuell in einer interessanten Phase, denn es hat nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht in den USA eine signifikante Reaktion gezeigt. Die oft erwartete und dann wieder verschobene Zinserhöhung der Fed scheint nun immer wahrscheinlicher noch im Dezember zu kommen und Gold rauschte im Zuge dessen wieder unter die 1.100-Dollar-Marke. Unser Research Team hat in einer Studie untersucht, wie sich die verschiedenen Anlageklassen im Anschluss einer langen Phase der Niedrigzinspolitik nach erstmaliger Zinserhöhung der Fed entwickeln. Interessanterweise hat Gold in solchen Jahren durchschnittlich 16,8 Prozent Wertzuwachs in den ersten 12 Monaten nach dem ersten Zinsschritt aufgewiesen, im Vergleich zu -0,5 Prozent im S&P 500 Index und 5,6 Prozent im MSCI World Index.
… und der Kurssturz beim Öl?
Sowohl die Nachfrage als auch das Angebot steigen aktuell, allerdings wurden durch den niedrigen Ölpreis viele Projekte auf Eis gelegt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Wood Mackenzie zeigt, dass ca. 20 Milliarden Barrel Öl im Upstream-Bereich gestoppt wurden, das entspricht ca. 200 Mrd. US-Dollar. Nicht nur Tiefseeprojekte wurden gestoppt, es kommt auch laufend zu Schliessungen von Bohranlagen in den USA. Generell sind diese Projekte langfristiger zu sehen, weswegen wir eine moderate Erholung des Ölpreises in der 2. Hälfte 2016 erwarten. Wir sehen Brent Crude bei 60 USD/bbl in 2016 und 80 USD/bbl in 2017. Investoren scheinen sich bereits jetzt «long» zu positionieren, da wir in diesem Jahr Rekordmittelzuflüsse in Öl-Produkte gesehen haben. Die erwähnte Studie unterstützt die Erwartungshaltung der Investoren, denn über den betrachteten Zeitraum der Studie stieg der WTI-Preis um durchschnittlich 11,7 Prozent.
Dann hatten Sie und Ihr Team in jüngster Zeit wohl alle Hände voll zu tun.
Das kann man so sagen: In unseren diversen Ölprodukten hatten wir in diesem Jahr Rekordmittelzuflüsse, fast ausschliesslich bei den Long-Produkten. Investoren erwarten demzufolge steigende Ölpreise. Durch die hohe Volatilität werden allerdings auch Short- und Hebelprodukte für kurzfristige Positionierungen gerne eingesetzt. Rohstoffe generell scheinen für Investoren wieder interessant zu sein, auch unser breit gestreuter ETFS Longer Dated All Commodities GO UCITS ETF, der mit 30 Basispunkten TER als Core-Allokation eingesetzt werden kann, ist aktuell sehr nachgefragt.
Was sagen Sie den Gold-Bullen - kommt bald wieder eine Hausse?
Das scheint zumindest die Erwartungshaltung einiger Investoren zu sein, denn trotz Abflüssen YTD sahen wir insbesondere in den letzten Wochen wieder vermehrt Investoren, die in Gold einsteigen. Das zeigen auch unsere Flow-Analysen. Ob die grosse Preis-Hausse eintreten wird oder nicht, so sollten Investoren sich vor den Diversifikationsaspekten der Edelmetalle nicht verschliessen.
Was läuft bei anderen Rohstoffen, beispielsweise bei den Industriemetallen?
Die Industriemetalle waren im letzten Quartal vor allem geprägt durch Sorge einer Wachstumsverlangsamung in China und der steigenden Volatilität an den globalen Aktienmärkten. Mit Ausnahme von Zinn haben Industriemetalle im letzten Quartal durchschnittlich 10 Prozent verloren, allerdings haben Fundamentaldaten für Aluminium, Kupfer und Zinn gedreht, was dafür spricht, dass im 3. Quartal der Boden erreicht wurde. Wir erwarten im 4. Quartal eine Erholung der Preise bei Industriemetallen. Noch ein Ausblick für Agrarrohstoffe: Der 2015er El Niño ist bereits der stärkste seit 1997/98 und könnte der stärkste - seit die Aufzeichnungen im Jahr 1950 begannen - werden. Historisch wirkt sich ein starker El Niño positiv für Zucker, Kakao und Mais aus. Preismildernd wirkt sich das Wetterphänomen auf Arabica-Kaffee und Soyabohnen aus bzw. eher neutral auf Weizen.
Im Sommer ist ETF Securities mit Lombard Odier eine Kooperation eingegangen. Was resultierte bis heute daraus?
Die Kooperation mit Lombard Odier Investment Managers ermöglicht es uns, Investoren fundamental gewichtete Fixed-Income-Allokationen zu liefern. Dieser Smart-Beta-Ansatz macht vor allem im Fixed-Income-Bereich so viel Sinn, da Investoren nicht wirklich in marktkapitalisierenden Indizes investiert sein wollen. Das Konzept ist sehr einfach, statt denjenigen Schuldnern mehr Geld zu geben, die die meisten Schulden haben, wird darauf geachtet, dass derjenige übergewichtet wird, bei dem die Rückzahlungswahrscheinlichkeit am höchsten ist. Ein weiterer Vorteil der Strategien ist der vorhandene jahrelange Track Record der zugrundeliegenden Indizes, und das Konzept wurde von Investoren bereits angenommen mit ca. 5 Mrd. US-Dollar investierten Geldern in existierenden Produkte.
Planen Sie weitere gemeinsame Produkte?
Kurzfristig planen wir die aktuellen Strategien auch noch als währungsgesicherte Versionen an den Markt zu bringen. Natürlich stehen unsere beiden Firmen sehr eng miteinander in Kontakt und wir beobachten das Marktumfeld und die ETF-Industrie genau. Dort, wo es für die Kunden einen entsprechenden Mehrwert bietet, würden dann auch neue Produkte aufgelegt werden.
Aber Rohstoffe bleiben Ihr Stammgeschäft. Korrekt?
Rohstoffe sind klarerweise diejenige Assetklasse, in der wir mit Abstand die meisten Assets haben. Wir wollen hier unsere Marktführerschaft logischerweise verteidigen und wenn möglich ausbauen. Neue Produkte werden Sie jedoch vor allem in den anderen Assetklassen sehen, wo wir unserem Anspruch als Innovator und Spezialist für Zugangsprodukte in vorher nicht oder nur schwer investierbare Märkte bzw. Themen gerecht werden wollen.
Jan-Hendrik Hein betreut bei ETF Securities Institutionelle und Privatkunden in Deutschland und Österreich. Er bietet in diesem Zusammenhang regelmässig Seminare über die Eignung und den Einsatz von Rohstoffen als Portfoliodiversifikator sowie den richtigen Einsatz von Short- und Hebel-ETPs an. Bevor er im Jahr 2011 bei ETF Securities anfing, arbeitete Hein bei der Commerzbank im Debt Capital Marktes Team in Frankfurt und London. Jan-Hendrik Hein hält einen BA Business Administration mit Schwerpunkt Finanz- und Betriebswirtschaft von der Amerikanischen Internationalen Universität in London, den er mit summa cum laude abschloss.