Vom Vertriebsträger zum Kundenberater: Wie verändert das FIDLEG den Fondsvertrieb in der Schweiz? Teil III

20.08.2021
Herr Alder, die zweijährige Übergangsfrist für die Umsetzung der neuen Anforderungen für Kundenberater (ehemalige Vertriebsträger) am Point of Sale endet am 31. Dezember 2021. Wo stehen wir?
Einzelne neue Anforderungen wie beispielsweise die Registrierung im Beraterregister mussten viele Kundenberater bereits im Januar 2021 erfüllen. Diese Kundenberater haben sich daher schon mit der neuen Gesetzgebung am Point of Sale befassen müssen. Betreffend die Umsetzung der weiteren neuen gesetzlichen Anforderungen, wozu auch die Kundensegmentierung, die Aneignung von hinreichenden Kenntnissen der neuen Verhaltensregeln im Fondsvertrieb sowie die Anpassung der internen Vorschriften zählen, sehen wir aber grosse Unterschiede. Obwohl diese Anforderungen von allen Kundenberatern bis spätestens am 31. Dezember 2021 erfüllt sein müssen, gibt es einige Kundenberater (insbesondere von ausländischen Finanzdienstleistern), welche mit der Umsetzung der neuen Anforderungen noch nicht begonnen haben. Wir kennen aber auch viele Finanzdienstleister, die intensiv dabei sind, diese Anforderungen frühzeitig umzusetzen oder diese bereits umgesetzt haben.
Was ist der Grund, dass einige Kundenberater mit der Umsetzung noch nicht begonnen haben?
Der Grund ist, dass sich Finanzdienstleister bzw. deren Kundenberater weder einer Ombudsstelle anschliessen noch in einem Beraterregister eintragen lassen müssen, solange sie nur sogenannte geborene professionelle Anleger angehen und im Ausland prudentiell überwacht sind. Es gibt auch keine Behörde, welche die Umsetzung der neuen Anforderungen überwacht. Schliesslich hat auch der Vertreter der vertriebenen Fonds, welcher bisher für die Überwachung der Vertriebsträger zuständig war, am Point of Sale keine gesetzlichen Überwachungspflichten mehr. Wir müssen Kundenberater daher immer wieder darauf hinweisen, dass auch für sie die neuen Verhaltenspflichten ab dem 1. Januar 2022 in der Schweiz gelten, unabhängig davon, ob sie sich im Beraterregister eintragen lassen müssen. Auch Kundenberater von ausländischen Finanzdienstleistern müssen daher bis Ende dieses Jahres beispielsweise über die erforderlichen Kenntnisse im Fondsvertrieb verfügen.
Welches sind die erforderlichen Kenntnisse im Fondsvertrieb, über welche alle Kundenberater verfügen müssen?
Alle Kundenberater müssen einerseits über hinreichende Kenntnisse der Verhaltensregeln gemäss dem neuen Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und andererseits über das für ihre Tätigkeit notwendige Fachwissen verfügen. Im Beraterregister eingetragene Kundenberater müssen diese Nachweise bis spätestens am 31. Dezember 2021 dem Beraterregister einreichen. Während für den Nachweis des notwendigen Fachwissens betreffend kollektive Kapitalanlagen die Berufserfahrung der Kundenberater in den meisten Fällen ausreichen dürfte, ist für den Nachweis betreffend hinreichende Kenntnisse der Verhaltensregeln das Absolvieren einer anerkannten Aus- und Weiterbildung erforderlich. Diese Unterscheidung macht meiner Meinung nach Sinn, da die Fachkenntnisse zum Finanzinstrument der kollektiven Kapitalanlage unter dem neuen Gesetz unverändert sind, während sich die Verhaltensregeln am Point of Sale ab dem 1. Januar 2022 neu ausschliesslich nach dem FIDLEG richten.
In Ihrem letzten Interview auf Fundplat haben Sie in Aussicht gestellt, dass die FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG «FIFS» eine von den Beraterregistern anerkannte Aus- und Weiterbildung im Fondsvertrieb anbieten wird. Ist dies der Fall?
Ja, das ist der Fall. Wir haben bereits unter dem alten Regime Vertriebsträger betreffend Verhaltensregeln geschult, weshalb unsere Schulung - nach einigen Anpassungen an die neuen gesetzlichen Anforderungen - von den Beraterregistern als Aus- und Weiterbildung im Fondsvertrieb anerkannt wird. Unsere ersten Aus- und Weiterbildungen fanden kurz nach Zulassung der ersten Registrierungsstelle durch die FINMA im Juli 2020 statt. In der Zwischenzeit haben wir bereits mehr als 30 Schulungen durchgeführt.
Können Sie uns sagen, wie man sich eine solche Schulung in Corona-Zeiten vorstellen muss?
Vor Ausbruch der Corona-Pandemie haben wir die Aus- und Weiterbildung in der Regel in physischer Form durchgeführt. Dies war nun leider für längere Zeit nicht mehr möglich, weshalb wir diese grösstenteils via MS-Teams abhalten. Wir sind positiv überrascht von dieser Form der Schulung, auch wenn uns der ganz persönliche Kontakt zu den Kundenberatern weiterhin fehlt. In Zukunft möchten wir nach Möglichkeit auch wieder vermehrt Aus- und Weiterbildungen bei den Kunden vor Ort oder in unseren Büroräumlichkeiten anbieten.
Auf welche Gruppen von Kundenberatern zielt die Aus- und Weiterbildung der FIFS ab?
Wir haben hauptsächlich zwei Zielgruppen. Zur ersten Gruppe zählen die Kundenberater von Finanzdienstleistern, für deren Fonds die FIFS in der Schweiz auch als Vertreter agiert. Bei diesen Kunden kennen wir nicht nur die von uns vertretenen Fonds, sondern auch die Kundenberater, welche diese in der Schweiz vertreiben. Daraus entsteht eine noch engere Bindung zwischen uns und unseren Kunden, wovon alle profitieren. Zur zweiten Gruppe zählen alle Kundenberater, welche Fondsprodukte von anderen, nicht von uns vertretenen Fondsanbietern in der Schweiz vertreiben. Diese werden oft aufgrund von Empfehlungen oder via die öffentlich zugängliche Liste der Anbieter von externen Aus- und Weiterbildungen (z.B. Liste regservices.ch) auf unsere Aus- und Weiterbildung aufmerksam.
Wie unterscheidet sich Ihre Schulung von anderen Anbietern?
Wir haben festgestellt, dass die neuen gesetzlichen Anforderungen am Point of Sale für viele Kundenberater eine grosse Herausforderung darstellen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, keine E-Learning-Kurse via Selbststudium oder dergleichen anzubieten. Wir bieten ausschliesslich interaktive Aus- und Weiterbildungen an, denn nur im direkten Austausch können wir sicherstellen, dass die Kundenberater verstehen, auf was es aus regulatorischer Sicht neu am Point of Sale ankommt. Zudem bieten wir nur individuelle Aus- und Weiterbildungen an, d.h. wir schulen nicht Kundenberater von verschiedenen Finanzdienstleistern zusammen, sondern unsere Schulungen erfolgen auf individueller Basis. Unseres Wissens sind wir, wenn nicht der einzige Anbieter, dann einer der ganz wenigen Anbieter, welche eine solche interaktive Aus- und Weiterbildung auf individueller Basis im Angebot hat.
Handelt es sich bei den von den Beraterregistern akzeptierten Aus- und Weiterbildungen um eine einmalige Angelegenheit?
Dazu muss man wissen, dass eine Eintragung im Beraterregister jeweils nur für eine begrenzte Zeit gültig ist, d.h. spätestens nach 24 Monaten muss der Eintrag im Beraterregister erneuert werden, andernfalls wird der Eintrag gelöscht. Wir erwarten, dass für eine Erneuerung des Eintrags für weitere 24 Monate neben dem Nachweis einer weiterhin gültigen Berufshaftpflichtversicherung und einem aktuellen Strafregisterauszug auch ein neuer Nachweis betreffend die Absolvierung einer von den Registrierungsstellen akzeptierten Aus- und Weiterbildung eingereicht werden muss. Eine solche periodische Weiterbildung alle zwei Jahre macht für uns Sinn, denn nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Kundenberater die aktuellen regulatorischen Anforderungen am Point of Sale kennen. Wir gehen davon aus, dass die von der FINMA zugelassenen Registrierungsstellen Ende dieses Jahres im Details erläutern werden, welche Voraussetzungen für eine Erneuerung des Registereintrages konkret erfüllt sein müssen.
Noch eine Frage zu Ihrem Hauptgeschäft, der Vertretung von ausländischen Fonds in der Schweiz: Hat die neue Gesetzgebung auch Auswirkungen auf dieses Geschäft?
Sofern ausländische Fonds via Banken oder Fondsplattformen an Privatanleger in der Schweiz angeboten werden, erwarten wir keine Auswirkungen auf unser Geschäft. Der Gesetzgeber sieht aber nach Ablauf der Übergangsfrist bzw. unter gewissen Voraussetzungen bereits während dieser Frist eine Erleichterung bei den auf der Produktebene einzuhaltenden Voraussetzungen für alternative kollektive Kapitalanlagen (wie beispielsweise Hedgefonds oder Private-Equity- Fonds) vor. Konkret wird das Erfordernis der Ernennung eines Vertreters für solche Fonds aufgehoben, sofern diese nur noch sogenannten geborenen qualifizierten Anlegern angeboten werden. Nicht zu diesen zählen aber vermögende Privatpersonen oder für diese errichtete private Anlagestrukturen ohne professionelle Tresorerie, welche erst durch eine Opting-out Erklärung zu qualifizierten Anlegern werden. Wenn ein Fondsanbieter auch weiterhin diese Investorengruppen angehen will, dann verlangt der Gesetzgeber weiterhin die Ernennung eines Vertreters.
Was bedeutet dies konkret für das Vertretergeschäft Ihres Unternehmens?
Wir gehen davon aus, dass die neue Gesetzgebung keine grosse Auswirkung auf das Vertretergeschäft haben wird. Es gibt wohl einzelne Kunden, die ihre Fonds nur an sogenannte geborene qualifizierte Anleger anbieten und in diesem Fall ist rein aus gesetzlicher Sicht die Ernennung eines Vertreters nicht mehr notwendig. Der Grossteil unserer Kunden will sich aber die Möglichkeit offenhalten, ihre Fonds auch vermögenden Privatpersonen und für diese errichtete private Anlagestrukturen ohne professionelle Tresorerie anzubieten. Insbesondere für Privatpersonen errichtete private Anlagestrukturen, wozu auch sogenannte Single Family Offices zählen können, gehören in der Schweiz zu den von den Fondsanbietern stark umworbenen Kundengruppen. Da die Schweiz eine Hochburg für Family Offices ist und nur ein Teil davon über eine professionelle Tresorerie verfügt, sind wir zuversichtlich, dass unsere Kunden auch nach dem 1. Januar 2022 unsere Dienstleistung als Vertreter in Anspruch nehmen werden.
Link zum Disclaimer
Jürg Alder stiess Ende 2014 als Verantwortlicher des Bereichs Recht & Compliance zur FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG. Seit anfangs 2017 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und wurde per 1. Januar 2019 zum Geschäftsführer ernannt. Alder ist über 15 Jahre im Fondsbereich tätig, sechs Jahre davon als stellvertretender Geschäftsführer einer Schweizer Fondsleitung. Er ist in Chur aufgewachsen, hat in St. Gallen Rechtswissenschaften studiert und in Kapstadt ein Zusatzstudium absolviert.