Teil I: Vom Vertriebsträger zum Kundenberater: Wie verändert das FIDLEG den Fondsvertrieb in der Schweiz?

03.04.2019
Herr Alder, seit dem 1. Januar 2019 sind Sie als neuer Geschäftsführer der FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG tätig. Welches ist zurzeit Ihre grösste Herausforderung?
Als Vertreter von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen, welche in der Schweiz an qualifizierte und nicht-qualifizierte Anleger vertrieben werden, beschäftigten uns zurzeit die Auswirkungen der voraussichtlich anfangs 2020 in Kraft tretenden neuen Finanzmarktgesetzgebung auf unser Geschäft. Dazu zählt auch die Frage der zukünftigen Rolle des Vertreters bei der Vermittlung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen unter dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG).
Können Sie sagen, worin die Rolle des Vertreters zurzeit im Bereich des Fondsvertriebes besteht?
Unter dem heutigen Kollektivanlagegesetz (KAG) überwacht der Vertreter den Vertrieb von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen in der Schweiz. Daher muss jeder (in- und ausländische) Vertriebsträger mit dem Vertreter des vertriebenen Fonds einen Vertriebsvertrag abschliessen. Heute ist es die Aufgabe des Vertreters zu prüfen, ob die inländischen und ausländischen Vertriebsträger über die persönlichen und fachlichen Ressourcen für die Ausübung der Vertriebstätigkeit verfügen. Dazu zählt auch, ob das notwendige Fachwissen betreffend den gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen am «Point of Sale» vorhanden ist oder nicht. Bei Bedarf gewährleistet der Vertreter eine angemessene Unterstützung, Schulung und Ausbildung der Vertriebsträger in diesem Bereich.
Was bedeutet dies in der Praxis und wie muss man sich eine solche Unterstützung bzw. Schulung der Vertriebsträger durch den Vertreter vorstellen?
Wir haben Hunderte von Vertriebsverträgen abgeschlossen und überwachen eine vergleichbare Anzahl an aus- und inländischen Vertriebsträgern, wozu auch Schweizer Banken zählen. Bei diesen kann jedoch aufgrund ihrer andauernden Überwachung durch die FINMA davon ausgegangen werden, dass deren im Fondvertrieb tätigen Mitarbeitenden über die persönlichen und fachlichen Ressourcen für die Ausübung der Vertriebstätigkeit verfügen.
Anders sieht es bei den in der Schweiz bewilligungspflichten Vertriebsträgern und den sogenannten ausländischen Vertriebsträgern (mit Cross-Border-Aktivitäten in die Schweiz) aus. Bei diesen Vertriebsträgern sehen wir regelmässig Bedarf betreffend die Vermittlung von Fachwissen zu den am «Point of Sale» anwendbaren gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen. Wir haben deshalb in den letzten vier Jahren über 70 Vertriebsträgerschulungen mit solchen Vertriebsträgern durchgeführt. Dabei gehen wir auf die jeweilige Zielkundschaft des Vertriebsträgers (qualifizierte Anleger und/oder nicht-qualifizierte Anleger) ein und zeigen anhand von Praxisbeispielen auf, wie die gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen am «Point of Sale» einzuhalten sind.
Dazu zählt beispielsweise die Frage, welcher Disclaimer in welchen Dokumenten (Fondsprospekt, KIID, Fact Sheet, Road-Show-Präsentationen) enthalten sein muss, sofern diese interessierten Anlegern in der Schweiz abgegeben werden. Diese Dienstleistung wird von unseren Kunden sehr geschätzt. Im Gegenzug ermöglichen uns diese Vertriebsträgerschulungen, die Probleme der Vertriebsträger bei der Umsetzung der rechtlichen und gesetzlichen Vorgaben am «Point of Sale» besser zu verstehen.
Was wird sich in Zukunft unter dem FIDLEG in diesem Bereich ändern?
Da die Verordnung zum FIDLEG noch nicht finalisiert wurde (Anmerkung: die Vernehmlassungsfrist für Stellungnahmen zum Verordnungsentwurf zum FIDLEG endete am 6. Februar 2019. Die finale Verordnung wird im Verlaufe der nächsten Monate erwartet), sind die definitiven Änderungen noch nicht klar. Was sicherlich ändern wird, ist die Rolle des Vertreters bei der Vermittlung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen. Unter dem FIDLEG besteht keine gesetzliche Pflicht mehr, mit dem Vertreter einen Vertriebsvertrag abzuschliessen. Damit entfällt auch die Überwachungspflicht des Vertreters in diesem Bereich. Fraglich bleibt, ob «Vertriebsverträge» weiterhin aufgrund der Selbstregulierung erforderlich sein werden. Anstelle des Abschlusses eines Vertriebsvertrages müssen die Kundenberater der heutigen bewilligungspflichtigen und ausländischen Vertriebsträger in Zukunft aber andere Voraussetzungen erfüllen, bevor sie Kunden in der Schweiz angehen können.
Was bedeutet dies für die bewilligungspflichtigen und ausländischen Vertriebsträger gemäss KAG?
In Zukunft muss nicht mehr der Finanzdienstleister (entspricht dem heutigen bewilligungspflichtigen oder ausländischen Vertriebsträger) die Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen erfüllen, sondern direkt der am «Point of Sale» tätige Kundenberater des Finanzdienstleisters. Die damit einhergehende Registrierungspflicht für die Kundenberater in einem sogenannten Beraterregister gibt es bereits in anderen Ländern der EU. Zurzeit ist aber noch nicht bekannt, wer dieses oder diese Beraterregister in der Schweiz anbieten wird. Bekannt ist jedoch, dass eine Registrierung nur erfolgen kann, wenn der Kundenberater die gesetzlichen Registrierungsvoraussetzungen erfüllt. Zu den Registrierungsvoraussetzungen zählen unter anderem hinreichende Kenntnisse über die Verhaltensregeln gemäss FIDLEG sowie über das für ihre Tätigkeit notwendige Fachwissen.
Wie kann ein Kundenberater nachweisen, dass er Kenntnisse über die Verhaltensregeln sowie über das in der Fondsvermittlung notwendige Fachwissen verfügt?
Weder aus dem FIDLEG noch aus dem vorliegenden Entwurf zur Finanzdienstleistungsverordnung ist ersichtlich, welche Anforderungen an die für eine Registrierung erforderlichen Kenntnisse eines Kundeberaters im Fondsbereich geknüpft werden. Diese Anforderungen werden wohl erst auf Stufe Selbstregulierung definiert. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung bei der Aus- und Weiterbildung von Vertriebsträgern am «Point of Sale» im Fondsbereich sehen wir uns aber in einer guten Position, den inländischen und ausländischen Kundenberatern das notwendige Fachwissen vermitteln und diese bei der Erfüllung der Registrierungsvoraussetzung gemäss FIDLEG unterstützen zu können.
Link zum Disclaimer
Jürg Alder stiess Ende 2014 als Verantwortlicher des Bereichs Recht & Compliance zur FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG. Seit anfangs 2017 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und wurde per 1. Januar 2019 zum Geschäftsführer ernannt. Alder ist über 13 Jahre im Fondsbereich tätig, sechs Jahre davon als stellvertretender Geschäftsführer einer Schweizer Fondsleitung. Er ist in Chur aufgewachsen, hat in St. Gallen Rechtswissenschaften studiert und in Kapstadt ein Zusatzstudium absolviert.