Vorbeugen ist die beste Medizin

Portfolio Manager, RobecoSAM Sustainable Healthy Living Strategy
RobecoSAM AG, Zürich
robecosam.com
05.01.2018
Herr Dullinger, was hat den Anstoss zur Entwicklung der Sustainable Healthy Living Strategie gegeben?
Die Idee, eine fokussierte Anlagestrategie mit dem Thema gesünder Leben zu lancieren, kam uns 2007, als sich die Hinweise auf eine globale Ausbreitung der Fettleibigkeit mehrten. Angesichts der rasanten Veränderung der Ernährungsgewohnheiten mit den neuen Schwerpunkten Convenience Food, Fast Food und Softdrinks und dem Trend zu immer weniger körperlicher Aktivität erkannten wir das Potenzial von Initiativen zur Förderung eines gesünderen Lebensstils.
Während über Massnahmen zur Verhinderung weiterer Kostenexplosionen im Gesundheitswesen diskutiert wurde, richtete sich der Blick zunehmend auf eine wachsende Zahl von Unternehmen, die spezifische Lösungen zur Verbesserung der Nahrungsmittelqualität und -sicherheit, zur Förderung körperlicher Aktivität und zur Weiterentwicklung der Diagnostik bereitstellten. Die Konstruktion eines Portfolios von Unternehmen, die einen gesünderen Lebensstil und wirkungsvolle Präventionsmassnahmen fördern, erschien uns als attraktive Alternative zu traditionellen Gesundheitsfonds, deren Fokus ausschliesslich auf dem Behandeln der Krankheiten lag.
Was macht die RobecoSAM Sustainable Healthy Living Strategie zu einer attraktiven Option für Anleger?
Die Sustainable Healthy Living Strategie hat das Ziel, mit einem Portfolio wenig beachteter und unterbewerteter Qualitätsaktien attraktive risikoadjustierte, langfristige Erträge zu generieren. Als Themen-Strategie liegt ihr Schwerpunkt auf einer breiten Auswahl von Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, mit denen sich chronische Erkrankungen - die grössten Kostentreiber im Gesundheitswesen - verhindern lassen. Die Vielfalt der Unternehmen und Präventionsansätze sorgt für eine attraktive Kombination defensiver Merkmale mit erheblichem Rendite-Potenzial - bei einer niedrigen Volatilität.
Die Innovationsstärke des Unternehmens ist ein wichtiger Renditetreiber. Healthy-Living-Unternehmen entwickeln Produkte mit beträchtlichem Wachstumspotenzial - von einfachen Technologien, die sich schnell am Markt durchsetzen können, wie Gesundheits-Apps für Smartphone oder Tablet über Fitness-Tracker bis hin zu anspruchsvolleren molekularen Markern und genetischer Sequenzierung im Biotech- und Pharmabereich. Gleichzeitig setzt die Strategie auf beständiges Wachstum durch Investitionen in stabile Basiskonsumgüterunternehmen, deren hochwertige Ernährungs- und Gesundheitsprodukte die Gesundheit von Menschen in aller Welt fördern. Die Wachstumsperspektiven dieser Marktsegmente sind sehr attraktiv. Das gilt vor allem für die Schwellenländer, in denen eine wachsende und zunehmend gebildete Mittelschicht mehr Geld für Produkte ausgibt, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden verbessern.
Nachhaltigkeitsorientierten Investoren bietet die Healthy Living Strategie eine Möglichkeit, ihre Anlagen mit ihren Prinzipien abzustimmen. Im Fokus der Strategie stehen Unternehmen, deren Wertschöpfung auf der Bereitstellung von Lösungen für eine nachhaltig gesunde und produktive Gesellschaft basiert. Zudem reduzieren nachhaltige Unternehmen das Risiko und ermöglichen überdurchschnittliche langfristige Anlageerträge, da hocheffiziente Unternehmen mit überlegenen Geschäftspraktiken eine überdurchschnittliche Kursentwicklung verzeichnen.
Wie sind Sie als Portfoliomanager auf das Anlagethema Healthy Living gekommen? Was hat Ihr Interesse an diesem Thema geweckt?
In meinen späten Teenagerjahren habe ich Leistungssport betrieben. Um im Wettkampf meine Bestleistung abzurufen, musste ich gesund und fit sein. Als Sportler hat man ein stärkeres Bewusstsein dafür, wie wichtig die Gesundheit für die Leistung ist. Natürlich sind auch der Lebensstil - zum Beispiel ausreichender Schlaf - und die Gesamtfitness wichtig. Den entscheidenden Unterschied zwischen Mittelfeld und Spitze macht aber die Ernährung.
Aus meinem Freizeitinteresse an Gesundheit wurde ein berufliches Interesse, als ich meine Karriere als Aktien-Analyst für den Gesundheitssektor bei einem Broker begann. Ich erweiterte mein Wissen über Gesundheit durch Unternehmens- und Branchenanalysen, lernte, wie man komplexe Geschäftsmodelle im Gesundheitssektor analysiert und schärfte meine Kompetenzen in der Identifizierung unterbewerteter Anlageideen. Dabei sah ich die Dinge erstmals auch sehr deutlich aus der Makroperspektive und erkannte, welchen enormen Einfluss die Gesundheitsindustrie auf die Produktivität einer Volkswirtschaft hat.
Was unterscheidet die Sustainable Healthy Living Strategie von ähnlichen Investmentfonds?
Die Healthy Living Strategie sticht durch zwei Besonderheiten aus dem Universum von Gesundheits- und Themen-Investmentfonds heraus. Erstens legt sie den Fokus bewusst auf die gesellschaftliche Herausforderung «Zivilisationskrankheiten» wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs, die vor allem auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen sind. Zweitens investieren wir nicht ausschliesslich in Unternehmen, die chronische Erkrankungen nur behandeln; bei unserem Investmentansatz geht es vor allem darum, Unternehmen zu finden, die helfen, diese Erkrankungen zu verhindern. Diese Unternehmen lassen sich vier Anlagebereichen zuordnen: Ernährung, Aktivität, Hygiene und Körperpflege sowie effiziente Diagnostik als Mittel zur Bekämpfung der Ursachen steigender Gesundheitskosten.
Durch unsere Betonung der Prävention halten wir vor allem Ausschau nach Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, die Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Unsere Anlagephilosophie gründet auf der Überzeugung, dass nachhaltige Unternehmen langfristig eine bessere Performance erzielen als weniger nachhaltige Firmen. Wir erfassen und analysieren finanziell relevante ESG-Informationen und integrieren diese in unseren fundamentalen Investmentansatz. Das Ergebnis ist ein konzentriertes Portfolio fundamental solider Unternehmen, die an der Börse unter ihrem intrinsischen Wert notieren.
In wohlhabenden Gesellschaften gesund zu leben ist eines - wie aber fördert die Strategie auch in Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen eine gesündere Lebensweise?
Die Frage danach, wie den eigentlichen Ursachen gesundheitlicher Defizite beizukommen ist, gehört überall zu den grossen Nachhaltigkeitsherausforderungen - in den Entwicklungs- und Schwellenländern genauso wie in den Industrieländern. Im weiteren Sinne adressiert die Healthy Living Strategie so auch zwei der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen: Keine Hungersnot (SDG 2) und Gute Gesundheitsversorgung (SDG 3).
Unternehmen im Bereich Healthy Living nutzen neueste ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse, um die miteinander verknüpften Themen Ernährungsunsicherheit und Nahrungsmittelqualität zu adressieren: Sie verändern die Lebensmittelrezepturen so, dass der Gehalt an schlechten Inhaltsstoffen wie Salz, Zucker und Transfetten reduziert und durch gute Inhaltsstoffe wie Kalium, Folsäure und Eisen ersetzt wird.
Gerade in den Schwellenländern ist die Verbreitung von Infektionskrankheiten ein weiteres wichtiges Thema. Auch hier leisten Healthy Living-Unternehmen mit Basisprodukten für den Haushalt wie günstiger Seife, Zahnpasta, Desinfektionsmitteln oder Reinigungsprodukten einen wichtigen Beitrag - einfachen, aber wirkungsvollen Ansätzen, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten einzudämmen.
Eine Volkswirtschaft ist nur dann gesund, wenn auch die Bevölkerung gesund ist - was gut für die Gesundheit ist, ist demnach auch gut für die Firmen.
Wie sieht das typische Profil eines Unternehmens aus, in das Sie investieren? Wann ist ein Unternehmen für Sie attraktiv bewertet?
Unser Fokus liegt auf Unternehmen mit einer hohen Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Capital), nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, niedriger Verschuldung und soliden Marktanteilen in gesunden Sektoren. Die Analyse von wesentlichen Nachhaltigkeitsinformationen hilft uns die zugrunde liegende Qualität des Management-Teams und des Geschäftsmodells einzuschätzen. Auf kurze Sicht werden die Aktienkurse häufig durch Emotionen gesteuert. Langfristig aber nähern sich die Aktienbewertungen zumeist dem intrinsischen Wert der Unternehmen. Genau diese Fehlbewertungen durch kurzfristige Überreaktionen versuchen wir zu nutzen, um qualitativ hochwertige Geschäftsmodelle zu einem Abschlag gegenüber dem von uns geschätzten intrinsischen Wert - unserer Sicherheitsmarge - zu kaufen.
Damit enthalten die meisten unserer Positionen mit einer hohen Portfoliogewichtung ein «Contrarian»-Element, also eine Positionierung gegen den Trend. «Contrarian» bedeutet nicht notwendigerweise, dass wir der Marktwahrnehmung komplett widersprechen oder dass der Kurs der betreffenden Aktie unter erheblichem Druck steht. Es bedeutet einfach nur, dass der Markt die langfristige Wettbewerbsstärke eines Geschäftsmodells nicht richtig versteht. Manchmal sehen sich Unternehmen mit Problemen konfrontiert, die aber lösbar sind und die wirkliche langfristige Ertragsstärke des Geschäftsmodells verdecken, oder die Firmen sind einfach gerade ausser Mode.
Unser nachhaltiger Fokus im Investmentprozess hilft uns, bei der Suche nach übersehenen und missverstandenen Investitionsmöglichkeiten, die Marktinformationen unbefangen, mit einem langfristigen Investmenthorizont und einem klaren Fokus auf die Unternehmenszahlen zu verarbeiten.
Welche Faktoren haben die Performance der Unternehmen in diesem Bereich in den vergangenen drei bis fünf Jahren (positiv und negativ) beeinflusst?
Das Healthy Living-Anlageuniversum wird von Unternehmen dominiert, die von strukturellen Wachstumstreibern profitieren und stabile Free Cashflows generieren. Neben Bewertungs- und Nachhaltigkeitserwägungen, halten wir eine aktionärsfreundliche Kapitalallokationsstrategie für den wichtigsten Performancetreiber. Wie bevorzugen Unternehmen, die ihre Cashflows in neue Projekte mit hoher Kapitalrendite reinvestieren, sowie Firmen, die Dividenden zahlen. Dagegen meiden wir Aktien von Unternehmen, deren Managementteams «Empire Building» betreiben und immer wieder zu viel Geld für wertvernichtende Unternehmenskäufe in die Hand nehmen.
Eine weitere wichtige Erwägung ist die Wettbewerbsposition des Unternehmens. Wir bewerten den Wettbewerbsvorteil der Unternehmen, um ihre nachhaltige Ertragskraft über lange Zeithorizonte zu ermitteln. Der Markt neigt dazu, Wettbewerbskräfte zu unterschätzen, und in den letzten Jahren sind die Kurse vieler einstmals angesehener Unternehmen ins Bodenlose gefallen.
Können Sie einige der zentralen «Healthy Living»-Trends in Bezug auf das Konsumverhalten nennen?
An erster Stelle würde ich hier die Tatsache nennen, dass heutige Konsumenten zunehmend gut informiert und motiviert sind. Die Leute nutzen Gesundheitswebseiten, soziale Medien und Blogs, um sich über alle möglichen Gesundheitsthemen zu informieren und auszutauschen, zum Beispiel über Ernährung, Krankheiten, Fitness und Wellness. Dank nutzerfreundlicher Plattformen sind die Hürden, die einem gesunden Lebensstil entgegenstehen, heute deutlich niedriger und machen einfach mehr Spass. Aus Informationsströmen wie Herzschlägen pro Minute, Schritten pro Tag und Kalorien pro Mahlzeit könnten schnell implantierbare Smart-Chips entwickelt werden, die frühe Anzeichen für chronische Erkrankungen messen, diagnostizieren und behandeln.
Über die Zukunft der Krankenversicherung wird kontrovers debattiert. Klar dürfte sein, dass der Einzelne künftig mehr aus eigener Tasche bezahlt. Gesundheitsanbieter werden sich beim Einzelhandel abschauen müssen, wie sie die digitale Transformation für ihre Zwecke nutzen. Auf der Gewinnerseite werden sich diejenigen wiederfinden, die mit Hilfe von «Big Data» neue Geschäftsmodelle entwickeln, durch die Einzelne und die Gesellschaft von besseren Produkten, Behandlungsmethoden und Gesundheit profitieren.
Welche Healthy Living-Produkte nutzen Sie regelmässig?
Ich nutze immer noch die alten Adidas-Gewichtheberschuhe, die ich vor rund 15 Jahren für meine Wettkämpfe gekauft habe. Ich bin Mitglied in einem Fitness-Studio, welches mit Nautilus-Kraftgeräten und Technogym-Kardiogeräten ausgestattet ist. Die Fitness-Tracker von Fitbit habe ich mir genauer angeschaut. Da sie aber nicht wasserfest sind, habe ich mir lieber ein Gerät von Polar gekauft. Was die Ernährung angeht, mag ich die Milchprodukte von Danone besonders gerne, vor allem die Sojaprodukte der Marke Alpro. Bei der Körperpflege verwende ich Zahnpasta von Colgate, eine elektrische Zahnbürste von Philips, das Axe-Deo von Unilever und ein Shampoo von Procter & Gamble.
Moritz Dullinger ist ein Portfoliomanager für die RobecoSAM Sustainable Healthy Living Strategie. Neben seiner Rolle als Portfoliomanager ist er Senior Equity Analyst für den Sektor Healthcare im RobecoSAM Investment Management Team. Vor seiner Zeit bei RobecoSAM war Dullinger als Projektmanager für strategische Investitionen im Gesundheitswesen bei einem Portfoliounternehmen des Private-Equity-Riesen The Carlyle Group tätig. Er begann seine Karriere als Sell-Side Equity Research Analyst bei Kepler Capital Markets für europäische Healthcare-Aktien. Moritz Dullinger erwarb seinen Bachelor of Science in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hagen (Deutschland) und ist CFA und CAIA Charterholder.