«Was man von Fussballprognosen fürs Anlegen lernen kann»

21.06.2018
Herr Härter, was haben Fussballprognosen mit Anlegen zu tun?
Auf den zweiten Blick mehr, als man meinen könnte. Fussballergebnisse sind konkrete Realisationen von Zufallsvariablen, Renditen von Aktien ebenfalls. Sowohl Aktienrenditen als auch Fussballergebnisse sind äusserst schwierig zu prognostizieren. Die Trennung von Noise und Signal fällt sehr schwer. Beim Investieren und Fussball spielen Dramen, oftmals Tragödien - manchmal auch Komödien, kurz gesagt Emotionen eine grosse Rolle. Beim Platzieren von Fussballwetten und beim Investieren sollten jedoch die eigenen Emotionen gerade keinen Einfluss auf die Fussballwetten und natürlich die Anlageentscheide haben. Eine Aktie steigt nicht, weil man sich in diese verliebt hat. Eine Fussballnationalmannschaft wird nicht gewinnen, weil man Angehöriger dieser Nation ist und sein Land liebt. Die im Beitrag «optimale Fussballprognosen» verwendeten statistischen Ansätze können und sollten auch zur optimalen Prognose von Renditen auf den Finanzmärkten verwendet werden. Last, but not least, Anlegen und Fussball ist spannend, gerade weil der «General Zufall» eine wichtige Rolle spielt und oftmals den besten Analysen einen Strich durch die Rechnung macht. Es gibt auch eine Verbindung zwischen der Fussball-WM und Syrien.
Welche Anlagen entsprechen dann den WM-Favoriten Brasilien, Deutschland, Spanien und Frankreich?
Oftmals ist es einfacher, die Antifavoriten zu bestimmen. Deshalb möchte ich damit anfangen. Da gibt es dann durchaus Gemeinsamkeiten mit der saudischen Nationalmannschaft und den Eidgenossen. Damit meine ich natürlich nicht die Schweizer Nationalmannschaft, sondern die schweizerischen, länger laufenden Staatsanleihen. Aufgrund der negativen Verzinsung werden Investoren mit Sicherheit Verluste erleiden, Saudi-Arabien wird sicher nicht Weltmeister. Währungen, Aktien und Anleihen von Schwellenländern könnten durch den in 2019 anstehenden Liquiditätsentzug der Zentralbanken und die Zinserhöhungen der Fed unter Druck kommen. Vielleicht entsprechen Schwellenländerwährungen, Aktien und Anleihen mittelfristig somit den drei WM-Teilnehmern mit den geringsten Chancen auf den WM-Titel.
Welche Mannschaften sind das?
(lacht)… das möchte ich gerne für mich behalten.
Aber Sie sollten noch auf die Frage antworten, welches Ihre Anlagefavoriten sind!
Ich erlaube mir zuerst nochmals «konstruktiv auszuweichen». Es ist natürlich viel einfacher zu prognostizieren, welche Mannschaften nicht Fussballweltmeister werden. Es ist ebenfalls einfacher zu prognostizieren, welche Anlagen nicht besonders gut performen werden. Anlageerfolg kann auch darin bestehen, dass man gewissen Anlagen nicht hält und Zeit damit verbringt, sich zu überlegen, in was man nicht investieren möchte. Es ist im Vergleich zur Weltmeisterprognose zwar vielleicht nicht so sexy, sich Gedanken über die drei schlechtesten Fussballmannschaften zu machen, aber definitiv keine schlechte Anlagestrategie, sich zunächst einmal Gedanken darüber zu machen in was man auf keinen Fall investiert sein sollte. Die meisten Menschen haben sehr klare Vorstellungen über das, was sie auf keinen Fall wollen, aber nur vage Vorstellungen darüber, was sie eigentlich wirklich wollen. Leider wenden viele Investoren viel zu wenig Zeit für die Beantwortung der Frage auf, in was man denn nun auf keinen Fall investieren sollte.
Jetzt zur Beantwortung der Frage, unterschieden nach dem Zeithorizont:
Unsere kurzfristigen Favoriten sind: Megatrend Aktien, Technologieaktien Welt mit Value- Bias, europäische Versicherungen, Wandelanleihen.
Unsere langfristigen Favoriten mit einem Zeithorizont WM 2026 sind: russische, griechische, polnische, spanische Aktien sowie Tabak-Unternehmungen.
Aber, ganz wichtig, US-Aktien sind extrem überteuert. Die langfristigen Favoriten dürften erst nach einer unvermeidlichen grösseren Aktienbaisse, die zu einer vernünftigen Bewertung von US-Aktien führt, richtig gut laufen. Geduld wir sich auszahlen. Es gibt keinen Grund vergangener Performance hinterherzurennen. Wir halten deshalb auch eine deutlich höhere Cashquote, die uns ermöglichen soll, unsere Aktienquote in Zukunft wieder auf «Neutral» oder «Übergewichten» zu erhöhen.
Und wer wird Weltmeister?
Ich kann Ihnen eine lange Liste schicken, wer auf keinen Fall Weltmeister wird, nein Scherz…
Ich bin in der komfortablen Situation, dass mein emotionaler Nationalangehörigkeitsbias, von dem ich mich auch nicht ganz befreien kann, nicht zu einer schlechteren Fussballprognose führen muss, deshalb setze ich auf Deutschland.
Wichtiger als ein deutscher Sieg ist mir allerdings, dass es im Endspiel zu keiner Komödie oder Tragödie kommt, sondern aufgrund Ausgeglichenheit und Spannung zu einem noch nie dagewesenen epischen Drama bis zur letzten Sekunde, auch wenn die Endspielbegegnung Brasilien vs. Schweiz sein sollte, wo ich mir dann denn Endstand 9:10 wünschen würde.
Thomas Härter ist seit Oktober 2016 CIO bei Aquila AG. Davor arbeitete er als CIO für Wellershoff & Partners und als Anlagestratege für Swisscanto, Bank Leu (heute Credit Suisse) und die UBS. Er hat in Freiburg im Breisgau VWL studiert und ist Finanz- und Anlageexperte (SFAA).