«Wer ein sauberes Hemd hat, braucht keine weisse Weste»

08.12.2014
Herr Baumann, bei einem Blick auf Ihr Portal sieht man sofort, da hat sich im laufenden Jahr viel getan. Was haben Sie erreicht?
In diesem Jahr gelang es uns, den Traffic auf monatlich mehr als 180’000 wiederkehrende Besucher (Unique Clients) und knapp eine Million Seitenzugriffe (Page Impressions) zu steigern. Zum Vergleich: In der Schweizer Finanzbranche arbeiten etwa 220’000 Personen. Mit finews.ch decken wir also dieses Zielpublikum schon ziemlich gut ab.
Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Auf verschiedene Massnahmen: So haben wir in diesem Jahr mit der Genfer Dukascopy Bank einen TV-Kanal gestartet, über den wir Interviews mit Branchenvertretern und eine wöchentliche Presseschau ausstrahlen. Wir haben ein Deutschland-Fenster geschaffen und darüber hinaus unsere Präsenz in den Sozialen Medien (Facebook, Twitter, etc.) intensiviert. Zudem haben wir in Zusammenarbeit mit der Migros Bank erstmals das Finanz-Wort des Jahres erkoren. Es fiel auf den Begriff «Nullzinspolitik»; für die Jury konnten wir unter anderem Ex-UBS- und CS-CEO Oswald J. Grübel gewinnen. Auch das ist ein Vertrauensbeweis in unsere Firma.
Beim Personal haben Sie ebenfalls aufgestockt…
Stimmt. Dem Ausbau ging der Entscheid voraus, wirklich gute und erfahrene Journalisten zu engagieren. Von der «Handelszeitung» kam der frühere Finanzressort-Leiter Samuel Gerber zu uns, und Anfang nächsten Jahres stösst Frédéric Papp von «Cash online» zum Team. Dank den höchst erfreulichen Werbeeinnahmen sind wir auch in der Lage, solche Journalisten gut zu bezahlen und weiterhin höchst profitabel zu arbeiten. Ich denke, es gibt nur wenige Newsportale, die das von sich behaupten können.
Ende November hat finews.ch auch noch einen Journalistenpreis in Deutschland gewonnen. Können Sie dazu ein paar Worte sagen?
Es hat uns ausserordentlich gefreut, dass wir nun auch in Deutschland so viel Beachtung finden. Beim 9. Finanzjournalisten-Wettbewerb der State Street Corporation gewannen wir den erstmals verliehenen Medienpreis für Finanzblogs und -webseiten. In einem so grossen Markt wie Deutschland eine solche Auszeichnung zu gewinnen, entfaltet eine enorme Breitenwirkung. Die Reaktionen auf finews.ch in Deutschland sind riesig und überaus wohlwollend. Man mag uns Schweizer dort halt schon sehr.
Welche Bedeutung hat denn der deutsche Finanzmarkt für Ihre Berichterstattung?
Wir haben im vergangenen März - wie erwähnt - ein so genanntes Deutschland-Fenster auf unserer Website geschaffen. Darin berichten wir laufend über die Aktivitäten der Schweizer Finanzinstitute in unserem nördlichen Nachbarland - und da tut sich einiges, immerhin ist Deutschland der grösste Private-Banking-Markt Europas. Über unser Deutschland-Fenster decken wir ein klar definiertes Thema (Schweizer Banken, Vermögensverwalter und Versicherungen in Deutschland) kompakt und lesefreundlich ab. Das stösst auf enorm viel Interesse. Darum wollen wir im nächsten Frühjahr dieses Fenster noch ausbauen.
Der 2. Dezember 2014 war bestimmt ein grosser Tag für Sie persönlich. Sie haben im Zürcher Hotel Widder Ihr neues Buch «Robert Holzach: Ein Schweizer Bankier und seine Zeit» einem grossen Publikum vorgestellt. Was hat Sie zu dieser Biographie motiviert?
Robert Holzach (1922 bis 2009) war der letzte grosse Schweizer Bankier, und ich stellte fest, dass es überhaupt kein Buch über ihn gibt. Dabei stand er fast 50 Jahre lang im Dienst der Schweizerischen Bankgesellschaft, der heutigen UBS, zuletzt als Verwaltungsrats- respektive als Ehrenpräsident. So erfolgreich wie zu seiner Zeit war die Bank später nie mehr. Spannend bei der Arbeit an diesem Buch war vor allem, dass er seine Berufung zum Bankier immer sehr grosszügig und als Dienst an der Gesellschaft verstanden hat.
Was meinen Sie damit?
Robert Holzach engagierte sich weit über das Banking hinaus. So initiierte er beispielsweise das SBG-Ausbildungszentrum Wolfsberg im Kanton Thurgau, die James-Joyce-Stiftung und das gleichnamige Pub in Zürich oder auch die Max-Bill-Pavillonskulptur an der Bahnhofstrasse. Er hat zahlreiche Künstler persönlich unterstützt und zwei Kulturstiftungen ins Leben gerufen. Auch die Sanierung des Zürcher Augustinerquartiers und der Bau des Hotels Widder gehen auf seine Bestrebungen zurück.
Wäre ein solches Engagement heute überhaupt noch denkbar für einen Top-Manager?
Ich glaube nicht, allein schon aus unternehmensrechtlichen Gründen (Corporate Governance). Aber die Werte, die dieser «Gentleman-Bankier» vorgelebt hat, sind aktueller denn je. Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Integrität. Schon in den 1980er-Jahren warnte er geradezu prophetisch vor möglichen Exzessen in der Finanzbranche und forderte Verhältnismässigkeit, Vernunft und Redlichkeit. Sie werden es nicht glauben, aber vor exakt dreissig Jahren schrieb Holzach in sein Tagebuch: «Wer ein sauberes Hemd hat, braucht keine weisse Weste.» Als der Präsident einer anderen Schweizer Grossbank unlängst sagte, er habe eine weisse Weste, obschon «seine» Bank in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eben verurteilt worden war, musste ich schon etwas den Kopf schütteln.
Ihre Holzach-Biographie aus dem NZZ-Verlag ist gewiss ein schönes und geistreiches Weihnachtsgeschenk. Wo kann man sie erwerben?
Online oder in jeder guten Buchhandlung. Übrigens hat kein Geringerer als der frühere amerikanische Aussenminister Henry Kissinger das Vorwort verfasst. Er war über viele Jahre mit Robert Holzach befreundet. Auch das zeigt, in welcher Liga Holzach spielte. Der Schweizer Bankier lud den Amerikaner mit deutschen Wurzeln sogar einmal nach Trogen im Kanton Appenzell Ausserrhoden (AR) an die Landsgemeinde ein. Kissinger war von dieser urdemokratischen Veranstaltung begeistert. Als ich ihn angefragt habe, ob er ein Vorwort schreiben wolle, hat er sofort zugesagt.
Claude Baumann, geboren 1962 in Zürich, ist Finanzjournalist. Er arbeitete als Redaktor für die «Weltwoche», «Finanz und Wirtschaft» und die «Handelszeitung». Er war Mitgründer des Schweizer Verlags Nagel & Kimche und lancierte 1989 das Geschäftsreisemagazin «Arrivals». Im Jahr 2009 startete er finews.ch, das heute führende Online-Portal für die Beschäftigten in der Schweizer Finanzbranche. Er ist Autor mehrerer Bücher über die Bankbranche und wurde für seine journalistische Arbeit mit verschiedenen Medienpreisen ausgezeichnet.