«Wer Krypto zur Spekulation nutzt, braucht Nerven wie Drahtseile»

02.02.2021
Herr Borini, Sie sind ein Spezialist für «Digital Finance». Die Börsenkurse der Kryptowährungen schossen in jüngster Zeit in die Höhe. Ist das gut für Ihr Geschäft?
Für unser Geschäft spielen die Kurskapriolen bei Kryptowährungen keine Rolle. Wir vertreten die Devise: Krypto ist gekommen, um zu bleiben. Wir spüren aber stark, dass das Interesse bei Anlegern steigt. Das führt wohl auch dazu, dass Mitarbeitende in der Finanzindustrie verstärkt sich mit diesem Thema beschäftigen, weil Kunden danach fragen. Damit meine ich nicht, dass Kunden auf Teufel komm raus investieren wollen, vielmehr wollen sie verstehen. Deswegen sehen wir seit Jahresbeginn einen massiven Anstieg an Anfragen für unseren Lehrgang «Certified Crypto Finance Expert» (CCFE), die schweizweit erste und einzige zertifizierte Weiterbildung zu Krypto-Banking. Aber letztlich ist Krypto nur ein Element unserer Aktivitäten, die wir unter «Next Generation» zusammenfassen.
Eine alte Börsenweisheit besagt: Was schnell steigt, kann auch schnell fallen. Ist es diesmal bei Bitcoin & Co. anders?
Im Gegenteil! Gewisse Kryptowährungen haben zu Beginn des Jahres neue Allzeithöchst erreicht und einige Tage später tauchten die Kurse, teilweise massiv. Die ersten Wochen des neuen Jahrs waren vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Bitcoin nochmals auf die 20‘000er Marke fällt, doch langfristig wird der Kurs bedeutend höher sein als heute. Aber man sollte auch die Welt von «Decentralized Finance» beachten. Da hat es viel Schrott aber auch einige sehr interessante Projekte. Zum Lernen habe ich einige Coins gekauft und gewisse gingen ja ab wie eine Rakete, da ist die Bitcoin-Performance gerade nichts dagegen. Wer Krypto also rein zur Spekulation nutzt, braucht Nerven wie Drahtseile. Aber wir sollten nicht auf dieser Spekulationsthematik rumhacken, wir sollten das grosse Ganze betrachten und uns vertieft mit der Materie Krypto-Assets auseinandersetzen, das ist bedeutend mehr als nur Bitcoin. Und ich sage immer: Wer Bitcoin & Co. nicht versteht, soll die Hände davonlassen.
Eine persönliche Frage: Wie erleben Sie den Lockdown in Zürich? Sie geben ja auch Unterricht an einer hiesigen Hochschule.
Ich komme sehr gut damit zu recht. Ich nerve mich eigentlich nur ab der teilweisen Unfähigkeit unserer Politik und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Doch das ist ein anderes Thema. Generell ist einfach die Planungsunsicherheit supermühsam und ab und an auch zermürbend. Wir müssen enorm agil sein und in Plan A, B und C denken. Das gilt auch für meine Tätigkeiten an der HWZ Zürich. Seit November sind wir wieder im Distance-Learning-Modus. Die Qualität der Vorlesungen leiden aber nicht, im Gegenteil: Wir alle, Dozierende wie Studierende, lernen ganz viel Neues dazu. Die Learning Curve 2020 war wie das Virus: exponentiell. Vieles, was ich gezwungenermassen lernen musste, kann ich in mein Unternehmen einbringen. Das finde ich superspannend.
Sie sind bekannt als sehr umtriebiger Unternehmer. Können Sie etwas den Schleier lüften - was für Projekte liegen auf Ihrem Tisch?
Wir haben vor wenigen Tagen den «Executive CCFE», ein massgeschneidertes Programm zum Thema Krypto-Banking für Führungskräfte in der Finanzindustrie lanciert. Dies basiert auf dem bereits erwähnten CCFE-Lehrgang. Die ersten Reaktionen zeigen: Wir haben den richtigen Zeitpunkt erwischt. Das Interesse ist gross. Wir haben noch weitere Pfeile im Köcher. So bringen wir das «Finance 2.0 - Studio» ein hybrides, multimediales Eventformat für «Digital Finance»-Themen. Das basiert auf unseren Learning der verschiedenen virtuellen Formate, die wir in den letzten zwölf Monaten umgesetzt haben. Für Investoren werden wir ebenso ein spannendes hybrides Format lancieren, damit können wir die ganze Schweiz erreichen. Und last but not least haben wir still und leise an der Zürcher Langstrasse das schweizweit erste Pop-up Ladenlokal für Krypto & Blockchain-Themen gestartet, das «House of Satoshi». Momentan haben wir einfach einen Bitcoin-ATM und diverse Bücher, Hardware Wallets und Merchandising vor Ort. Die Idee geht viel weiter als einfach nur ein Ladenlokal für Krypto, aber ich muss auch sagen: Es ist auch ein Experiment.
Wenn Sie drei Wünsche für 2021 offen hätten: wie würden die lauten?
Möglichst rasch diese Pandemie besiegen und einigermassen wieder einen Normalzustand haben. Zweitens, dass wir alle aus dieser Krise viel mitnehmen und nicht, dass wir wieder in alte Muster zurückfallen. Und drittens, dass wir alle gesund bleiben und uns auf eine Zeit nach Covid-19 freuen können.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer des Beratungs- und Medienhauses Scarossa, Das Unternehmen setzt den Fokus auf digitale Transformation der Finanzindustrie sowie «Next Generation Invest» und betreibt unter anderem die Anlegerplattform «10x10.ch» und die Veranstaltungsplattform «Finance 2.0». Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich und ist Verwaltungsratspräsident beim digitalen Vermögensverwalter Descartes Finance. Im Herbst 2020 hat ihn das Wirtschaftsmagazin «BILANZ» zu den «Digital Shapers 2020» gekürt, also den 100 wichtigsten Köpfen, die die Digitalisierung im Land vorantreiben.