Wie dieses kleine Team zu einem der Top-Unterzeichner der «UN Principles for Responsible Investment» (PRI) wurde

CFA, CEFA, CSIP Managing Partner
ESG Portfolio Management GmbH, Frankfurt esg-portfolio-management.com
26.11.2020
Herr Klein, was hat Sie dazu bewogen, ESG Portfolio Management zu gründen?
Ich bin seit mehr als 20 Jahren im Portfoliomanagement tätig, und seit über zehn Jahren beschäftige ich mich mit nachhaltigen Investitionen. Im Jahr 2009 starteten wir den ersten ESG-Kreditfonds und ab 2010 gehörte ich der PRI-Arbeitsgruppe für festverzinsliche Wertpapiere an. Das waren noch die Anfänge - wir brachten Fallstudien ein, erstellten einige Handbücher und so weiter. Ich habe immer gerne publiziert und auf Konferenzen gesprochen - zudem habe ich interne Kreditratingmodelle entwickelt. Im Jahr 2015 lud mich das CFA Institute ein, auf seiner Jahreskonferenz über die ESG-Umsetzung und festverzinsliche Wertpapiere zu sprechen. Sie mochten meine Arbeit und beschlossen, sie in ihrem vierteljährlichen Bericht zu veröffentlichen. Diese wurde vom Japanese Government Pension Investment Fund (GPIF) und der Weltbank zitiert. Es war schön, diese internationale Reichweite und das positive Feedback zu erhalten. Dies gab mir weiteres Selbstvertrauen, dass ich mit dem Anlageprozess, dem Datenmanagement und der Analyse auf dem richtigen Weg bin, um mein eigenes Unternehmen zu gründen. Das Unternehmen wurde 2018 gegründet.
Mit dieser Firma wollten wir ein Maximum an Nachhaltigkeit erreichen. Das Unternehmen ging sehr schnell sogar über ESG hinaus. Als wir ESG Portfolio Management 2018 gründeten, erkannten wir, dass auch die Messung der Wirkungen auf die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sehr wichtig ist. Wir wollten, dass unsere Portfolios die höchsten ESG-Qualitäten, sehr positive SDG-Wirkungen und sehr geringe Klimarisiken aufweisen. Wenn wir sehen, dass es Probleme mit einem Vermögenswert gibt, oder denken, dass ein Unternehmen nicht gut genug ist, kaufen wir es einfach nicht. Zusätzlich haben wir auch bei unserer eigenen Berichterstattung darauf geachtet, dass wir sehr transparent sind. Und all dies haben wir von Anfang an in unserem Unternehmen umgesetzt. Mit diesem «Extrem» wollten wir uns jedoch nicht kompromittieren. Ich möchte auch anmerken, dass es für ein kleineres Unternehmen oder eine Boutique, wie wir es sind, einfacher ist, so zu handeln und einen äusserst strengen Investitionsprozess zu verfolgen.
Können Sie uns ein wenig über Ihr Unternehmen erzählen und wie es sich von traditionellen Vermögensverwaltungsunternehmen unterscheidet?
Wie ich bereits sagte, wollen wir in vielen Dimensionen auf positive Art und Weise bis zum Äussersten gehen. Dafür haben wir einen klaren Prozess und ich betrachte dies als ein Puzzle. Zuerst haben wir mit einer Liste von 20.000 Firmen begonnen. Nachdem wir eine lange Ausschlussliste durchgegangen waren, blieben nur etwa 3.800 Unternehmen übrig. Bei diesem Ausschlussschritt stellten wir sicher, dass wir kein Öl, keine Kohle, Atomkraft usw. kauften. Von diesen 3.800 Unternehmen hatten etwa 1.500 eine hohe ESG-Qualität. Danach wiesen 400 bis 500 davon einen positiven SDG-Effekt auf. Darüber hinaus waren 250 der 400/500 Unternehmen bezüglich ihrer Emissionen mit den Pariser Klimazielen vereinbar. Von diesen konnten wir etwa 100 Unternehmen auswählen, deren Aktien oder Unternehmensanleihen wir für besonders attraktiv halten. Dies ist wichtig, weil wir am Ende immer noch sicherstellen müssen, dass wir Erträge und Leistung erzielen. Wenn wir nur «die Allerbesten» in Bezug auf ESG kaufen, sind diese manchmal teuer und haben daher nur geringe Chancen auf weitere Performance.
Wir glauben auch fest an aktives Engagement und sinnvolle Stimmrechtsvertretung. Wir sind überzeugt von konstruktiven Dialogen - wenn wir Unternehmen anhalten, besser zu werden, sie zu einem noch höheren ESG-Rating anspornen oder ihren Einfluss auf die SDG‘s zu verbessern, dann wird auch der Kurs der Aktie oder der Unternehmensanleihe steigen. Dies hat ein geringeres Risiko und ein gesteigertes Potenzial zur Folge. Für ein solches Engagement verwenden wir einen Grossteil unserer Zeit.
Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, ESG in den Anlageprozess zu integrieren?
Es gibt eine grosse Meta-Studie, die zu Recht eine Menge fantastisches Feedback erhalten hat. Sie wurde von Gunnar Friede, Timo Busch und Alexander Bassen verfasst. Sie analysiert rund 2.000 Forschungsarbeiten über die Beziehung zwischen ESG und Anlageperformance. Ihr Ergebnis war sehr bedeutsam und eindeutig - die Beziehung ist nicht negativ. Viele Menschen sind immer noch der Meinung, dass man auf Renditen verzichten muss, wenn man sich nachhaltig orientiert. Dies ist einfach nicht wahr. Ich persönlich verstehe ESG als eine Erweiterung des Risikomanagements, da es hilft, die negativen Auswirkungen einer Investition zu verringern. Auf der anderen Seite geht es bei der Wirkungsanalyse der SDG’s darum, die positive Seite zu verbessern. Für uns ist ESG Risikomanagement, aber SDG ist das, was uns in diesem Unternehmen antreibt und der Grund dafür ist, dass wir morgens aufstehen. Wir wollen einen positiven Einfluss auf das Leben vieler Menschen haben.
Können Sie uns mehr über Ihr Engagement und den Prozess der Stimmrechtsvertretung erzählen?
In unserer Analyse gehen wir über die reine Betrachtung von ESG-Scores oder Ratings hinaus. Wir schauen uns auch einzelne Faktoren wie Vorfälle, Kontroversen, Schwächen, die Aussagen der NGOs usw. genau an. Wir versuchen, tief zu graben. Normalerweise beginnen wir das Engagement, indem wir dem Unternehmen eine E-Mail mit drei bis vier Punkten schreiben, von denen wir glauben, dass das Unternehmen sie verbessern kann. Dann hängt es davon ab, was das Unternehmen tut. Wenn wir eine Antwort erhalten, gehen wir dem nach. Wir überprüfen, ob wir messen können, was sie vorgeben. Wir wollen herausfinden, ob es sich nur um Behauptungen handelt oder ob wir tatsächlich relevante Aktionen sehen können. Wenn wir mit den Verbesserungen nicht zufrieden sind, versuchen wir, weiter mit dem Investor-Relations-Team zu kommunizieren.
Engagement kann sehr wirkungsvoll sein. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel nennen. Als ich einmal in den USA war, sah ich eine Kellogg’s-Cornflakes-Packung, welche für eine einzelne Person bestimmt war. Die Unterseite war aus Plastik, und auf der Oberseite befand sich ein Aluminiumdeckel. Also beschloss ich, ein Foto zu machen, und schrieb an Kellogg’s, um sie zu fragen, wie ihre Verpackungsstrategie aussieht und wann diese Schachtel kompostierbar sein wird. Ich erhielt keine Antwort. Ich schrieb wieder und wieder - bekam jedoch keine Antwort. Das war wichtig für mich. Die Ozeane sind mit Plastik gefüllt und wir müssen etwas dagegen unternehmen. Also schrieb ich einen einseitigen Brief auf der Kollaborationsplattform der UN PRI, in dem ich erklärte, warum dieser Plastikabfall ein Thema war und warum es sinnvoll war, Kellogg’s ins Visier zu nehmen. Insgesamt sind sie ein sehr gutes Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und haben eine sehr hohe ESG-Bewertung, aber diese spezielle Verpackung ist meiner Meinung nach verbesserungswürdig. Wir schickten eine Einladung an alle PRI-Unterzeichner, sich diesem Engagement anzuschliessen, und wir erhielten schliesslich eine Antwort von mehreren Investoren, die rund 60 Mrd. US-Dollar in Assets under Management (AuM) repräsentieren. Nun reagierte Kellogg’s und wir haben nicht nur mit ihrem Investor-Relations-Team, sondern auch mit ihrem globalen Leiter für Nachhaltigkeit gesprochen.
Solche Diskussionen sind sehr positiv und ermutigend. Es spielt keine Rolle, wie klein ein Investor oder Unternehmen ist! Wenn sie sich anstrengen und motiviert sind, können sie etwas erreichen. Das ist eine gute Botschaft. Es sind nicht nur die Grossen, die die Dinge vorantreiben können. Jeder trägt Verantwortung und zusammen mit der Hilfe von Organisationen und Netzwerken sind wir alle in der Lage, etwas zu tun.
Glauben Sie, dass die Covid-19-Pandemie dazu beiträgt, die Entwicklungen im ESG-Bereich zu beschleunigen?
Die Pandemie ist ein sehr leidvolles Ereignis. Weltweit sind Menschen betroffen. Die einzige positive Seite ist vielleicht, dass die Menschen mehr und mehr darüber nachdenken, wie sich ihre Gewohnheiten und ihr Lebensstil auf den Planeten und andere Menschen auswirken können. Ein Beispiel dafür sind Textilien. Denken Sie an die Arbeitsbedingungen in Ländern wie Pakistan und Bangladesch. Warum kaufen wir in diesen Ländern hergestellte T-Shirts, die aus Kunstfasern hergestellt wurden, tragen sie zwei- bis dreimal und werfen sie dann weg? Der enthaltene Kunststoff ist oft von minderer Qualität, sodass er nicht recycelt werden kann - er ist schädlich für die Umwelt. Stattdessen sollten wir hochwertigere Textilien kaufen, diesen Arbeitern mehr bezahlen und ihnen die Freiheit geben, kreativ zu sein. Sie haben die Erfahrung und sie wollen sich selbst verwirklichen, statt in Deutschland oder den USA hergestellten Entwürfen folgen zu müssen. Warum lassen wir sie das nicht tun und etwas Schönes schaffen, das die Qualität hat, die wir ein paar Jahre lang tragen und geniessen könnten? Diese Art des Bewusstseins - des besseren Konsums, des Einflusses auf das Leben anderer Menschen - hat in den letzten Monaten zugenommen. Wir können dies auch in der Lebensmittelindustrie beobachten, wo die Menschen die schädlichen Auswirkungen für die Tiere oder das Abbrennen von Regenwäldern für die Landwirtschaft von Produkten wie Soja bemerken. Die Menschen verstehen die Gefahren des Verlusts der biologischen Vielfalt und ihre Auswirkungen auf das Klima. Covid hat diesen Prozess intensiviert und beschleunigt.
Was hat Ihre Firma dazu bewogen, UN-PRI-Unterzeichner zu werden?
Für mich war dies eine absolute Notwendigkeit. Wenn ich nachhaltig sein will, habe ich damit ein felsenfestes Fundament. Was PRI wirklich leistet, ist «Thought Leadership». Sie wenden sich an Politiker, bilden Arbeitsgruppen und betreiben fantastische Forschung. Ich habe letztes Jahr an ihrer Konferenz in Paris teilgenommen und sie war so kraftvoll, es war einfach unglaublich. Das wollte ich nicht verpassen, also bin ich sofort der PRI beigetreten.
Gibt es weitere Initiativen, die Sie unterzeichnet haben? Warum sind Sie diesen beigetreten?
Wir sind Unterstützer des CDP (Carbon Disclosure Project). Der Klimawandel ist offensichtlich eine grosse Bedrohung und wir brauchen wirklich eine Standardisierung der Berichterstattung in diesem Bereich. Ich verstehe, dass Unternehmen nicht 500 Formulare ausfüllen wollen, um ihre Emissionen zu messen. Aus diesem Grund leistet das CDP, meiner Meinung nach, wirklich gute Arbeit. Sie haben einen globalen Standard entwickelt, der dazu beiträgt, dass Tausende von Unternehmen vollständig transparente Daten liefern und erhalten. Und sie helfen uns, der Investorengesellschaft, bei der Analyse und Beurteilung von Investments. Einige andere Initiativen sind das Montreal Pledge und Climate Action 100, bei denen wir die grössten Unternehmen ins Visier nehmen, damit sie einen sinnvollen Einfluss ausüben können. Ich bin auch ein recht aktives Mitglied des CFA-Instituts, bei dem ich gerade erst in deren ESG-Fachgruppe, die demnächst beginnen wird, gewählt worden bin.
Hier in Deutschland gebe ich Kurse für Analysten und Portfoliomanager. Ausserdem bin ich an der Konzeption und Durchführung von Seminaren für Moody Analytics weltweit beteiligt. Ich geniesse konstruktive Diskussionen und freue mich, bei solchen Initiativen mitwirken zu sein.
ESG Portfolio Management ist das kleinste Unternehmen, das es in die UN PRI Leaders’ Group 2020 geschafft hat. Was hat Ihrer Meinung nach dazu geführt, dass Ihr Unternehmen eine Führungsrolle übernommen hat?
Wie ich bereits sagte, versuchen wir, so transparent wie möglich zu sein. Wir haben nichts zu verbergen und wir veröffentlichen alle unsere Berichte. Das ist der Schlüssel. Was den Inhalt betrifft, so wissen wir, dass der Klimawandel sehr wichtig ist. Für unsere diversifizierten Portfolios suchen wir nach Branchenführern mit einem starken Engagement für die Transformation zur Verringerung der Klimarisiken. Wir investieren viel Zeit in der Suche nach den richtigen Messgrössen und Methoden, um TCFD-konform zu sein - das ist für uns sehr wichtig und es hilft uns, zukunftsorientiert zu sein. Wir arbeiten mit der Firma «right. based on science», die grossartige Forschung betreibt und Publikationen anbietet, zusammen. Für unsere Fonds helfen sie uns, die Emissionen mit dem EBITDA und den Personalkosten in Beziehung zu setzen. Sie setzen zudem auf sektorale Ziele, weil zum Beispiel ein Zementunternehmen mehr Emissionen hat als ein Telekommunikationsunternehmen. Sie helfen uns zu verstehen, wie hoch die weltweiten Emissionen sein würden, wenn jedes Unternehmen so handeln würde wie Unternehmen X. Aufgrund dessen lässt sich beurteilen, wie viel Erderwärmung durch ein solches Szenario verursacht würde. Dies ermöglicht uns, bestimmte Unternehmen in unserem Portfolio mit einer Kennzahl der «Erwärmung in Grad Celsius» zu verknüpfen. Dies hat uns dabei geholfen, zu berechnen, dass alle unsere Fonds unter 1,75 Grad Celsius liegen - damit erfüllen sie die Pariser Klimaziele. Im Vergleich dazu führt der Deutsche Aktienindex (DAX) zu einer Erwärmung von 4,9 Grad.
Was reizt Sie an der Zukunft Ihres Unternehmens am meisten?
Ich hoffe, zu den Vorreitern gehören zu können, mit der Botschaft, dass jeder etwas erreichen kann, wenn er sich anstrengt. Wir sind überzeugt, in der Zukunft, in drei bis fünf Jahren, nicht mehr die kleinste Firma auf der Liste der UN PRI zu sein! Das ist sicherlich unsere grösste Erwartung. Wir möchten hoch motivierte Mitarbeiter einstellen und unser Team besser diversifizieren. Wir sind auch sehr dankbar, dass wir es auf die Leaders’ List 2020 geschafft haben und gehen davon aus, dass uns dies neue Möglichkeiten eröffnet.
Was ist Ihre wichtigste Lektion für die Investoren und Vermögensverwalter der nächsten Generation?
Für Analysten ist es lohnenswert, Zeit für die Auswahl der Methoden und die Prüfung der Datenqualität aufzuwenden und nicht nur Ratings oder Bewertungen für bare Münze zu nehmen. Schauen Sie sich die einzelnen Faktoren etwas genauer an. Und seien Sie nicht schüchtern! Seien Sie transparent - teilen und berichten Sie so viel wie möglich, und Sie werden Feedback erhalten! Es ist eine Lernkurve. Denken Sie daran, dass Fehler passieren und versuchen Sie, aus ihnen zu lernen. Bilden Sie ein Netzwerk. Eine Sache, auf die ich hinweisen möchte, ist die Fallstudie zur EU-Taxonomie, die ich dieses Jahr veröffentlicht habe. Die Einführung der Taxonomie wird nächstes Jahr das grosse Thema sein. Ich habe es in der Praxis getestet und meine Arbeit wurde veröffentlicht! Weltweit wurden nur 40 Fallstudien publiziert. Solche Fallstudien helfen Ihnen, sich eine Meinung zu bilden und davon zu lernen, wie andere vorgehen. Auch wenn Sie am Anfang vielleicht nicht ganz richtig liegen, wird Ihnen die Lektüre solcher Fallstudien helfen, sich eine Meinung zu bilden und die Dinge in Zukunft besser zu machen. Lernen Sie weiter. Nehmen Sie an Konferenzen teil und teilen Sie auch Ihre eigene Arbeit mit!
Gibt es noch etwas, was Sie hinzufügen möchten?
Ich möchte wirklich allen danken, die uns unterstützt haben. Ohne sie wären wir nicht so weit gekommen!
Aus dem Englischen übersetzt. Quelle: Nossa Data Ltd: Website, LinkedIn
Link zum Disclaimer
Christoph Klein investiert schon seit vielen Jahren besonders nachhaltig und publiziert regelmässig zu diesem Thema. Er war Managing Director bei der Deutsche Asset Management und Leiter der Bereiche Non-Financial und ESG Credit. Er unterrichtet Analysten und Portfolio Manager bei der «Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management» (DVFA) in Frankfurt und ist Referent für ESG-Seminare bei Moody’s Analytics.