«Will man gestalten oder auf der Seitenlinie stehen bleiben?»

11.04.2023
Herr Borini, jüngst haben Sie einen überaus erfolgreichen Event im Zürcher «Kaufleuten» durchgeführt. Erzählen Sie mal…
Mit unserer «Finance 2.0»-Plattform haben wir seit 2013 immer wieder eine Pionierrolle eingenommen. Damals starteten wir mit Fintech. Zu dieser Zeit konnten viele in der Finanzindustrie kaum Fintech richtig definieren. 2015 lancierten wir die «Finance 2.0 - Crypto Assets». Und genau dieses Thema hatten wir diesen März wieder «gespielt», mit einem Novum: Erstmals haben wir die «Swiss Crypto Awards» verliehen. Das Grossartige war, unter den Nominierten und Gewinnern gab es nicht nur Firmen aus der Kryptowelt, sondern auch etablierte Finanzdienstleister wie Maerki Baumann (Anm. d. Red.: Nominiert für «Best Crypto Offering») oder Swissquote (Anm. d. Red.: Gewinner «Best Crypto Offering»). Es war ein toller Event, rund 250 Teilnehmende aus etablierter- und neu-aufkommender Krypto-Welt.
Foto: Fredi Lienhardt Photography
Können Sie einen Stimmungsbericht geben vom sogenannten «Crypto Valley» in und um Zug? Alles scheint deutlich ruhiger geworden zu sein.
Für mich ist «Crypto Valley» die ganze Schweiz, Zug ist die «Crypto Valley»-Hauptstadt. Aber egal ob Zug, Zürich oder eben Schweiz, es läuft viel. Interessant ist, dass vor allem etablierte Finanzinstitute im Hintergrund an ihrem Krypto-Offering arbeiten. Wir werden in den nächsten 18 Monaten von einigen Banken lesen - seien es Universal-, Kantonal- oder Privatbanken -, dass sie Krypto-Assets ihren Kunden anbieten werden.
Was könnte den Krypto-Kursen wieder Leben einhauchen - einen nachhaltigen Aufwärtstrend einläuten?
Ich fokussiere mich auf den Bitcoin, er ist das Zugpferd. Und Bitcoin hat in diesem Jahr alle Anlageklassen um Weiten geschlagen, mit rund 80 Prozent Kursgewinn per 10. April 2023. Blickt man auf die Bitcoin-Adressen mit mindestens 0.1 Bitcoin-Vermögen, dann haben diese ebenso eine Rekordmarke geknackt. Mitunter konnte Bitcoin & Co. von der Bankenkrise profitieren. Ebenso spüren wir bei uns im House of Satoshi ein grosses Interesse, unser Podcast verzeichnet rekordhohe Downloads, und unsere Workshops sind ausgebucht. Immer mehr Menschen interessieren sich für Bitcoin & Co. Es bleibt aber volatil und es braucht noch mehr Wissensvermittlung, mehr Vertrauen und teilweise bessere Regulierungen.
Wagen Sie eine Kursprognose?
Nein, das wäre unseriös. Auch ich verfüge nicht über eine Kristallkugel. Was könnte für steigende Kurse in den nächsten 12 bis 18 Monaten führen, wenn man die Geschichte kennt? Das Bitcoin Halving, das im Frühling 2024 ansteht. Dadurch wird die Anzahl der neu generierten Bitcoins reduziert und das Angebot begrenzt. Dies führt langfristig dazu, dass das Angebot von Bitcoin knapper wird und somit auch das Vertrauen in die Währung gestärkt wird. Das ist ein frappanter Unterschied zu unserem Fiat-Geldsystem.
Wie ist Ihr Unternehmen unterwegs? Sie sind ja bekannt als sehr umtriebig und immer bestens informiert.
Wir sind super happy und wir können gestalten, das ist das, was uns täglich antreibt. Ich mag keine «Safe-Money-Geschäftsmodelle», die man in der traditionellen Finanzwelt stark sieht. Ich bin ein Anhänger von «Make-Money-Geschäftsmodellen», nachhaltig orientiert auf Kundenbedürfnisse ausgerichtet. Deswegen ist unsere Pipeline voll, mit dem Wissen, dass möglicherweise nicht alles funktionieren wird (lacht).
Alle sprechen von ChatGPT. Schauen Sie sich das auch an?
Wir schauen uns ChatGPT nicht nur an, sondern nutzen ChatGPT, das ist ein Unterschied. Wichtig dabei ist zu verstehen, wie ChatGPT funktioniert und was dies für uns Menschen und ein Geschäftsmodell bedeutet. Wir verfolgen diese Entwicklungen intensiv und sehen darin Riesenpotenzial. Aber wir müssen ganz viel lernen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Was wir derzeit sehen, ist, dass viele Technologien, von denen man schon lange spricht, in der Breite langsam ankommen. Das Verrückte dabei ist, dass alles zusammenkommt: Blockchain-basierte Anwendungen finden immer mehr den Weg in den Mainstream und nun kommen AI-basierte Anwendungen, die auch von Otto-Normalverbraucher genutzt werden können. Heute muss man fit sein und eine Vorstellungskraft aufbauen können, um den Anschluss und vor allem den digitalen Wandel nicht zu verpassen. Ich sage es immer wieder: Will man gestalten oder auf der Seitenlinie stehen bleiben und sozusagen «gestaltet» werden? Ich bevorzuge Ersteres.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer des Beratungs- und Medienhauses Scarossa. Das Unternehmen setzt den Fokus auf digitale Transformation der Finanzindustrie sowie «Next Generation Invest» und betreibt unter anderem die Anlegerplattform «10x10.ch» und die Veranstaltungsplattform «Finance 2.0». Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Future Banking & Digital Transformation» an der Hochschule Zürich und ist Verwaltungsratspräsident beim WealthTech Descartes Finance. Im Herbst 2020 hat ihn das Wirtschaftsmagazin «BILANZ» zu den «Digital Shapers 2020» gekürt, also den 100 wichtigsten Köpfen, die die Digitalisierung im Land vorantreiben.