«Wir bauen das Schweizer Büro mit bekanntem US-Kollegen aus»

Geschäftsführer
William Blair Investment Services (Zurich) GmbH, Zürich
williamblair.com
16.09.2020
Herr Baruffol, wie haben Sie als Manager eines US-amerikanischen Investment Managers die Krise erlebt?
Alles ging unglaublich schnell, innert dreier Tage waren alle 1’500 Mitarbeitenden im Homeoffice eingerichtet. Bereits am 2. April haben wir das erste «Homeoffice-made»- Webinar für einige hundert Kunden durchgeführt. Ende März haben wir eine neue Anlagestrategie samt Luxemburger SICAV lanciert - alles aus dem Homeoffice heraus. Ich war wirklich erfreut, wie reibungslos das alles geklappt hat. Ich habe grossen Respekt vor unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit, die das möglich gemacht haben! Aber es hat sicherlich geholfen, dass wir bereits 2019 begonnen haben, Microsoft Teams in den verschiedenen Abteilungen auszurollen. Und unsere Investment Teams arbeiten schon seit vielen Jahren mit einem Web-basierten Investment Tool, welches wir selbst entwickelt haben. Von dem her hatten wir einen gewissen Vorsprung.
Zentral bei alldem war natürlich, dass wir unsere gute Infrastruktur auch in gute Anlageresultate umwandeln konnten. In Zeiten grosser Unsicherheit und Komplexität können wir unseren Kunden besonders deutlich zeigen, weshalb unsere auf Qualität und langfristiges Wachstum ausgerichtete Art zu investieren einen signifikanten Mehrwert bietet. Und dass wir als Unternehmen eine verlässliche und hilfreiche Gegenpartei sind, die es ihnen erlaubt, Zeit- und Energiereserven freizusetzen. Es hat uns natürlich besonders gefreut, wenn Kunden inmitten der Krise ihre Positionen ausgebaut haben, weil sie der Überzeugung sind, dass wir das Richtige tun.
So wie es aussieht, sind Sie bei William Blair in der neuen Homeoffice-Welt gut zurechtgekommen. Aber Hand aufs Herz: Haben Sie den persönlichen Kontakt mit Ihren Kunden nicht vermisst? War an die Akquise von Neukunden aus dem Homeoffice heraus überhaupt zu denken?
Natürlich fehlt der persönliche Kontakt - gerade, da wir eine sehr enge Interaktion mit unseren Kunden pflegen. Besonders schade war, dass wir zahlreiche interessante und bereits vereinbarte Meetings mit Portfoliomanagern im Februar und März kurzfristig absagen mussten. Unsere Portfoliomanager haben das wirklich bedauert. Sie kommen immer sehr gerne in die Schweiz, da auch für sie der regelmässige Austausch mit den hiesigen, sehr professionellen Kunden immer bereichernd ist.
Zum Höhepunkt der Krise lag unser Fokus wie immer auf der Pflege der bestehenden Kunden. Ausschlaggebend war hier eine zielgerichtete Kommunikation. Kunden wollen in turbulenten Zeiten relevante Updates erhalten - entscheidend ist hier das Wort «relevant». Wenn ich nichts Substanzielles zu sagen habe, dann rufe ich erst gar nicht an - das ist nicht meine Art. Deshalb arbeiten wir intensiv mit den Investment Teams, um unseren Kunden transparent und greifbar aufzuzeigen, in welchen Szenarien unsere Portfoliomanager denken und wie sie die Portfolios entsprechend positionieren. Unsere Kunden haben uns in dieser Hinsicht als Sparring-Partner geschätzt. Einerseits lief das über persönliche Kommunikation, andererseits haben unsere Experten zusätzliche (hoffentlich!) originelle und relevante White Papers, Blogs & Webinare produziert. Wir haben es uns zum Ziel gemacht, Formate zu kreieren, die unseren Kunden auch tatsächlich bei ihren Anlageentscheidungen helfen. Beispielsweise haben wir ein White Paper zum Thema «Outlook for Sovereign Debt Restructurings» veröffentlicht. Oder ein Webinar rund um Covid-19, in welchem wir unsere Health-Care-Experten zu Wort haben kommen lassen. Aber auch hier haben wir nicht einfach auf allen Kanälen gesendet, sondern Inhalte nur weitergegeben, wenn diese relevant für die Empfänger waren. Wir haben von unseren Kunden hierzu sehr positives Feedback erhalten.
Sie sprachen auch die Gewinnung von Neukunden an. Neue Kunden zu gewinnen, bedeutet für mich primär aufzuzeigen, welchen Mehrwert wir bieten können und wie verlässlich wir als strategischer Partner sind. Es ist klar, dass man Vertrauen am besten über die persönliche Interaktion aufbaut. Aber in dieser Krise ging es ja allen gleich, wir mussten halt ein bisschen kreativer werden… Und tatsächlich haben sich dann auch inmitten der Krise einige neue Investoren entschieden, uns ihre Anlagen anzuvertrauen.
Sie haben jetzt mehrfach von einem Mehrwert gesprochen, den Sie bieten. In welchen Bereichen ist dann William Blair besonders stark aufgestellt?
Die Krise hat etwas bestätigt, was in Zeiten jahrelanger Bull-Märkte fast ein bisschen altmodisch gewirkt hat: Wir machen wirklich nur das, was wir können und unseren Kunden entsprechend erwartetes Alpha bieten kann. Solange alle Asset-Preise nur eine Richtung kennen, ist die Versuchung natürlich gross, neue Produkte zu lancieren, die gerade «Flavor of the Day» sind. Auch wenn man vielleicht nicht wirklich über die notwenige Expertise verfügt. Die starke Performance unserer Strategien, gerade auch in den schwierigsten Momenten der Krise, hat uns in dieser «altmodischen» Philosophie bestärkt. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir nicht hin und wieder eine zusätzliche Anlagestrategie in unser Angebot aufnehmen - aber eben nur wo passend und sinnvoll! So haben wir beispielsweise dieses Jahr erstmals Emerging-Markets-Debt-Strategien lanciert. Dies haben wir aber nur gemacht, weil sich uns ein erstklassiges Team angeschlossen hat, welches über die nötige Expertise verfügt. Das Team hat vorher bei NN Investment Partners über viele Jahre hinweg gemeinsam einen tollen Track Record erarbeitet und verfügt über unglaubliches Know-how - dieses ist sogar in multinationalen Gremien gefragt! Über Blogs, White Papers und Webinare machen wir diese Expertise auch unseren Kunden zugänglich. Es freut mich zu sehen, dass sich unsere neuen Kollegen bereits vollumfänglich eingelebt haben und einen sehr guten Start hatten. Seit dem Launch unserer Hard-Currency-Strategie Ende März konnte das Team bereits eine starke Outperformance erzielen.
Wie wichtig ist der Schweizer Finanzplatz für Ihr Unternehmen und Sie persönlich?
Ausgesprochen wichtig. William Blair ist seit über 40 Jahren in der Schweiz tätig, ich selber bin seit dem ersten Tag unserer Zürcher Niederlassung vor 25 Jahren dabei. Zusammen mit Schweizer Investoren haben wir bereits vor über 20 Jahren einige unserer erfolgreichsten institutionellen Anlagestrategien entwickelt. Auch heute kommen viele wichtige Impulse aus der Schweiz. Ich denke, auch personell sieht man das Bekenntnis der Firma zum Finanzplatz Schweiz sehr deutlich. Unser Team in der Schweiz ist nun um einen Produktspezialisten erweitert worden. Unser neues Team-Mitglied wird vielen Investoren sehr bekannt vorkommen. Beim «Neuzugang» handelt es sich nämlich um Rob Lanphier, welcher über 20 Jahre lang Co-Portfoliomanager unser US-Small-Mid-Cap-Growth-Strategie war. Zusammen mit seinen Kollegen versprach er unseren Investoren in der Schweiz und Europa bereits 1998, mindestens zweimal pro Jahr für Meetings vor Ort zur Verfügung zu stehen. Dies haben sie dann auch eisern befolgt! Ich denke, Rob bringt mit seinen mehr als 30 Jahren Investment-Erfahrung bei William Blair eine enorme Expertise und einen riesigen Erfahrungsschatz mit - von diesem werden unsere Kunden sicherlich sehr profitieren. Ich freue mich auf die nun noch engere Zusammenarbeit mit Rob.
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Langfristigkeit und Loyalität gegenüber Kunden und Arbeitgeber sind wichtig für Reto Baruffol. Bereits seit 1995 ist er für William Blair & Company tätig. Seit 2007 ist Baruffol für die Geschäftsentwicklung und Betreuung institutioneller Investoren bei William Blair Investment Management in Teilen Europas verantwortlich, nachdem er die ersten zwölf Jahre in der Sell-Side Brokerage und Research-Gruppe verbracht hatte. Vor seiner Anstellung bei William Blair im Jahre 1995 war Reto Baruffol vier Jahre lang als Assistant Manager für Brown Brothers Harriman in New York und Zürich aktiv. Er hat einen Master in Betriebswirtschaftslehre mit Fokus auf Management von der Universität Zürich.