«Wir betreiben eine aktive Vermögensverwaltung mit passiven Produkten»

20.06.2016
Herr Peer, Sie sind ein ausgewiesener Kenner des Schweizer ETF-Marktes. Was kommt Ihnen da spontan in den Sinn?
Dazu fallen mir drei Punkte ein: Erstens die schon länger geführte Diskussion, ob aktiv oder passiv der bessere Ansatz ist. Wir sind davon überzeugt, dass beide Anlagestile ihre Berechtigung haben. Unsere Portfolios bestehen zu 20 Prozent aus aktiven Fonds, der Rest aus Indexprodukten. Ausserdem muss der Begriff «Passiv» richtig interpretiert werden. Wir betreiben eine aktive Vermögensverwaltung mit passiven Produkten.
Punkt zwei: Indexprodukte werden vermehrt in der Anlagestrategie eingesetzt. Aus einer Umfrage unter Schweizer Pensionskassen geht hervor, dass 47 Prozent den Anteil passiver Anlagen erhöhen möchten. Laut einer Schätzung von Greenwich Associates sollen bis 2020 jährlich 300 Mrd. US-Dollar in ETFs fliessen. Indexprodukte sind also aus dem Anlageuniversum nicht mehr wegzudenken. Bei den privaten Anlegern ist der Nachholbedarf noch gross. So haben nur 7 Prozent der Schweizer Geld in ETFs investiert.
Und drittens das Thema rund um Digitalisierung der Vermögensverwaltung. Wir sehen Chancen in der Zusammenarbeit mit einem Robo-Advisor. Die persönliche Beziehung wird durch den Vermögensverwalter erbracht, die technische Abwicklung der Anlagestrategie erfolgt beim Robo-Advisor. Leider ist das Anlageuniversum oder die Auswahl der Emittenten bei den in der Schweiz tätigen Robo-Advisor noch sehr beschränkt. Eine offene Plattform kann für diesen ein zusätzliches Marktpotenzial erschliessen.
Schauen Sie sich jedes neue Produkt an?
Grundsätzlich ja, sofern es nicht das x-te Produkt auf einen bekannten Index ist. Nebst den neu an der SIX kotierten ETFs sehen wir uns auch an, was in Europa auf den Markt kommt. Dort gibt es viele Neuemissionen, welche gerade für einen in Euro denkenden Kunden sehr interessant sind.
Welche Produktinnovation der letzten Monate finden Sie am nützlichsten?
Das ist schwierig zu sagen, da dies wahrscheinlich jeder Investor etwas anders sieht. Ausgehend von der gewählten Anlagestrategie und den Anlageklassen wird dieses oder jenes neue Produkt als nützlicher angesehen. Für uns interessant sind die Produkte, die Lücken im Bondbereich geschlossen haben, sowie weitere Aktien-ETFs, welche Sektoren abdecken. Froh sind wir über die steigende Zahl von währungsgesicherten ETFs, sowohl im Aktien- wie auch im Bondbereich.
Nutzen Sie ETFs mit Währungsabsicherung?
Sicher und zwar in grosser Anzahl. Unsere Portfolios für Schweizer Kunden sind zwischen 80 und 95 Prozent in Schweizer Franken investiert. Da im aktuellen Umfeld im Markt schon genug Risiken bestehen, möchten wir wenigstens eines davon soweit wie möglich minimieren.
Was sagen Sie zu Faktor-ETFs?
Gerade im ersten Halbjahr sind viele Neuemissionen Faktor-ETFs. Wir schauen uns diese zwar ebenfalls an, haben aber noch nicht investiert. Die Grundlagen der verschiedenen Investmentstile sind bekannt und können auch über Jahre verfolgt werden. Wir behalten die Entwicklung im Auge und schauen, ob der Inhalt auch liefert, was die Verpackung verspricht. Zudem ist es fraglich, ob alle diese Produkte auch genug Volumen generieren werden. Da wird sich in den nächsten Jahren die Spreu vom Weizen trennen.
Andri Peer, Jahrgang 1966, blickt auf über 30 Jahre Bankerfahrung zurück. Nach Lehr- und Wanderjahren bei der UBS, welche nach fast 20 Jahren im Bereich Private Banking Schweiz endeten, war er nach einem Abstecher zur Bank Leu (heute Credit Suisse) von 2002 bis 2008 als Niederlassungsleiter der Migros Bank in Chur tätig. Die letzten drei Jahre bis zur Gründung seiner eigenen Vermögensverwaltung peersuna AG war er zuerst als Team Head Private Banking Schweiz und bis kurz vor der Integration in die Credit Suisse als Department Head Private Clients Schweiz bei Clariden Leu beschäftigt. Das fachliche Rüstzeug hat er durch diverse interne und externe Aus- und Weiterbildungen ergänzt.