«Wir bieten für zinshungrige Investoren eine interessante Alternative»

22.06.2015
Herr McNeil, Smart Beta ist derzeit das Zauberwort unter den ETF-Produkten. Wie sind Sie in diesem Bereich aufgestellt?
Unsere derzeitigen an der SIX Swiss Exchange gelisteten ETFs umfassen zwei unterschiedliche Strategien: Die Equity-Income-Strategie fokussiert sich auf Unternehmen, die relativ zum Aktienkurs die höchsten Dividenden ausschütten. Die Strategie ist eher defensiv, da überwiegend grosse Konzerne mit diversifizierten Geschäftsprofilen oder Unternehmen in stabilen Sektoren den Aktienkorb bilden. Die Small-Cap-Dividend-Strategie setzt auf kleine Unternehmen, die aufgrund ihrer Dividendenpolitik dem Investor ein stabiles Wachstumspotenzial bieten können. Bei beiden Gruppen findet der Prozess der Selektion und Gewichtung, auch Rebalancing genannt, jährlich statt.
Inwiefern sind diese Produkte smart?
Dafür gibt es drei Gründe: Erstens basiert die Zusammensetzung (Selektion und Gewichtung) nicht auf der Marktkapitalisierung, sondern auf Bardividenden. Daher sind Aktien, die keine Dividenden ausschütten, nicht Bestandteil unserer ETFs. Mit dem jährlichen Rebalancing verfügen unsere ETFs nachhaltig über eine hohe Dividendenrendite. Das bietet gerade für zinshungrige Investoren eine interessante Alternative.
Zweitens wird das Bewertungsrisiko jedes Jahr durch das Rebalancing beseitigt. Dadurch werden die hochbewerteten, also teuren Aktien untergewichtet und die niedrigbewerten Aktien übergewichtet. Mit den ETFs erhalten Anleger jedes Jahr einen angepassten Aktienkorb, der die Schere zwischen Marktwert und Fundamentalwert schliesst. Anleger sind dadurch grossen Kursschwankungen über mehrjährige Investmentperioden weniger stark ausgesetzt.
Drittens werden interessante Aktien aus der wachstumsstarken Technologiebranche aufgrund der «lockeren» Aufnahmebedingungen frühzeitig in den Aktienkorb aufgenommen. Dadurch profitieren Investoren rechtzeitig von strukturellen Wenden am Aktienmarkt.
Dividendenstrategien sind in aller Munde. Zurecht oder haben wir es hier mehr mit einer Marketingstory zu tun?
Eine statistische Untersuchung über dividendenzahlende Unternehmen und Nichtzahler durch Eugene Fama und Kenneth French im «Journal of Financial Economics» im Jahr 2001 mit dem Titel «Disappearing dividends: changing firm characteristics or lower propensity to pay?», zeigt, dass Dividendenzahler rentabler sind als Unternehmen, die niemals Dividenden ausgeschüttet haben. Während des Untersuchungszeitraums (1963 bis 1998) erwirtschafteten dividendenzahlende Unternehmen eine jährliche Kapitalrendite (RoA) von 7,82 Prozent, derweil Nichtzahler 5,37 Prozent pro Jahr erzielten. Unter den Nichtzahlern, die früher Dividenden ausgeschüttet haben, ihre Ausschüttung jedoch einstellen mussten, fiel die RoA mit 4,54 Prozent p.a. sogar noch geringer aus. Während Anleger Unternehmen, die keine Dividenden zahlen, häufig als typische Wachstumstitel betrachten, belegen die Statistiken, dass die Rentabilität in dieser Kategorie mit jährlich 6,11 Prozent hinter derjenigen der Dividendenzahler von 7,82 Prozent zurückblieb.
Und weiter?
Was die Auswirkungen von Dividenden auf die Kursentwicklung betrifft, lohnt sich ein Blick auf die bahnbrechende Analyse des Wharton-Professors Jeremy Siegel in seinem Buch «Future for Investors». Darin schlüsselt Professor Siegel, Senior Investment Strategy Advisor von WisdomTree, die Performance dividendenzahlender Aktien des S&P 500 Index auf. Das erste Quintil, das Aktien mit der höchsten Rendite umfasst, übertraf die Benchmark im Laufe der Zeit und wies zudem ein geringeres Risiko auf. Auch die Gruppe der Aktien aus dem zweiten Quintil toppte den S&P 500 und demonstrierte ebenso ein deutlich geringeres Risiko. Bei den annualisierten Renditen schnitten die Aktien aus dem ersten Quintil im Zeitraum von 1957 bis 2014 jährlich 2,30 Prozent besser als der Index ab, die Aktien aus dem zweiten Quintil 2,04 Prozent. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Phänomen, das bereits in der Vergangenheit Bestand hatte, auch in jüngster Zeit vorherrschte.
ETFs sind europaweit auf dem Vormarsch. Wie sehen Sie die Zukunft der aktiv gemanagten Fonds?
Ich sehe die Vorteile ganz klar bei ETFs. Denn meist fehlt es den aktiven Fondsmanagern an Mut, um von der Benchmark stark abweichende Positionen einzugehen. Daher zahlt sich das sogenannte «Benchmark-hugging» nicht aus, wenn ETFs kostengünstiger dieselbe oder eine bessere Performance erwirtschaften und das oft sogar mit einem geringeren Risiko.
Zudem lassen sich Fondsmanager von aktiv gemanagten Fonds anders als bei den Smart-Beta-Strategien zu oft von Emotionen am Markt leiten und weichen von ihrer Anlagestrategie ab. Bei den Smart-Beta-Strategien hingegen hat die ETF-Verwaltung das Mandat, die Strategie systematisch, konsequent und präzise durchzuführen. Sie steht nicht unter dem ständigen Druck, in relativ kurzer Zeit die Benchmark schlagen zu müssen. Die Anleger können zudem genau verfolgen, welche Aktien jedes Jahr neu in den Aktienkorb kommen und welche herausgenommen werden.
Schliesslich stellen wir fest, dass sich einzelne Aktien im Kursprofil schon längst nicht mehr so stark unterscheiden wie vor 20 Jahren. Denn unter anderem synchronisiert die Liberalisierung der Kapitalmärkte zunehmend die Zu- und Abflüsse der Geldströme zwischen den einzelnen Märkten. Dieser Trend erschwert es für die aktiv gemanagten Fonds, kurz- bis mittelfristig eine Outperformance zu erwirtschaften.
Hector McNeil, 1968, ist Co-CEO von WisdomTree Europe. Er ist ein führender Experte im Markt von Exchange Traded Products (ETPs) mit über zwölf Jahren Erfahrung in diesem speziellen Sektor. Er startete seine Karriere bei der London Stock Exchange. Als Managing Director von ETF Securities war er zuständig für Sales und Marketing und einer der Treiber für die einmalige Wachstums-Story der Gesellschaft.
Hector McNeil hält einen BA in Economics and Social History der University of Hull, einen MBA der Warwick Business School und ist Mitglied des Securities Institute. Er hat drei kleine Kinder, seine Frau betreibt und leitet eine Montessori Pre-school. McNeil’s Hauptinteresse neben seiner Arbeit gilt dem Rugby, wo er sich als Non-Executive CEO des London Skolars Rugby League Club engagiert.