«Wir erwarten für das neue Jahr eine noch positivere absolute Performance des Sektors»

Portfoliomanager - Bellevue Diversified Healthcare Fonds
Bellevue Asset Management AG, Küsnacht ZH
bellevue.ch
02.02.2023
Herr Dr. McManus, in einem für Aktien schwierigen Jahr 2022 haben sich Gesundheitstitel gut geschlagen. Handelt es sich hierbei um eine klassische Rotation in defensive Werte?
Im vergangenen Jahr erfüllten Gesundheitsaktien ihre Rolle als sicherer Hafen in diversifizierten Anlegerportfolios, wobei der Sektor relativ betrachtet besser als die breiteren Aktienmärkte abschnitt. Die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen präsentiert sich im Wesentlichen unelastisch und daher sehr widerstandsfähig. Das erkannten im Jahr 2022 auch die Anleger, was den defensiven Bereichen des Sektors, wie etwa Biopharmariesen und Managed-Care-Unternehmen, eine verhältnismässig solide Wertentwicklung bescherte. Wir erwarten für das neue Jahr eine noch positivere absolute Performance des Sektors, begünstigt durch ein konstruktiveres Makroumfeld für Aktien.
Halten Sie die Bewertungen nach der soliden relativen Performance für überzogen?
Der Gesundheitssektor beendete das Jahr mit einer geringen Bewertungsprämie gegenüber den breiteren Märkten. Damit ist die obere Grenze der Bewertung aber weder auf relativer noch auf absoluter Basis erreicht. Es gab bereits in der Vergangenheit viele Phasen, in denen der Sektor mit deutlich höheren Prämien gehandelt wurde. Das gilt vor allem für Phasen mit hoher wirtschaftlicher Unsicherheit, aber auch für solche mit niedrigem Risiko von Gesundheitsreformen. Darüber hinaus erwarten wir für 2023 einige bedeutende Fortschritte bei der klinischen und kommerziellen Entwicklung von Medikamenten, die dazu beitragen dürften, die bestehende Dynamik innerhalb des Sektors aufrechtzuerhalten.
Werden Gesundheitsaktien in Anbetracht der zahlreichen möglichen Konjunkturszenarien weiterhin eine bedeutende Rolle spielen?
Wir haben Anfang Januar bereits heftige Faktorrotationen innerhalb des Marktes und des Gesundheitssektors erlebt. Diese Volatilität könnte anhalten. Gesundheitstitel bieten dennoch Lösungen, und zwar unabhängig davon, welcher Anlagestil für das vorherrschende Aktienmarktumfeld gefragt ist. Folgt in den USA eine flache Rezession oder gar eine weiche Landung im Sinne eines Goldilocks-Szenarios, wird dies eine starke Rotation in Wachstumsaktien nach sich ziehen. Im Falle eines solchen Szenarios können Anleger Portfolioanpassungen vornehmen und verstärkt in wachstums- oder konjunkturabhängige Teilindustrien des Gesundheitssektors wie etwa Molekulardiagnostik, Genomik, Tiergesundheit und Zahnmedizin investieren.
Welche bewertungsrelevanten Katalysatoren zählen in Ihren Augen 2023 zu den bedeutendsten?
Zwei Faktoren werden 2023 eine wesentliche Rolle spielen: die Erschliessung wichtiger kommerzieller Märkte und eine stärkere Marktakzeptanz für aussergewöhnliche neue Wirkmechanismen. So stellt beispielsweise die Zulassung des ersten klinisch erprobten, krankheitsmodifizierenden Alzheimer-Medikaments für betroffene Patienten einen positiven Schritt nach vorn dar und könnte langfristig zur Erschliessung eines grossen Marktes führen. Darüber hinaus könnte das Thema Adipositas, dem ich beachtliches kommerzielles Potenzial einräume, meines Erachtens die Story des Jahres 2023 werden. Im Bereich der klinischen Entwicklungen dürften die Anwendungsgebiete für Präparate, die auf komplexen Technologien wie etwa Gen-, Zell- und RNA-Therapien basieren und bereits für Nischenindikationen zugelassen sind, in Zukunft voraussichtlich auf allgemeinere Krankheitsbilder mit grösseren Patientenpopulationen ausgeweitet werden.
Wie stufen Sie die Aussichten für die übrigen Subsektoren ein?
Wir gehen davon aus, dass die Auslastung von Kliniken im Jahr 2023 wieder wenigstens Vor-Covid-Niveau erreicht, nachdem ein Arbeitskräftemangel die Erholung verzögert hat. Dies würde sich positiv auf den Subsektor Medtech auswirken. Eine Prognose für Life Science Tools fällt mit Blick auf der coronabedingt anspruchsvollen Vergleichsbasis und eine starke Korrelation mit Makrofaktoren schwieriger. Frühindikatoren lassen jedoch auf eine anhaltend starke Entwicklung der zugrundeliegenden Endmärkte schliessen. Für alle Subsektoren wäre eine Wiedereröffnung Chinas mittelfristig ein willkommener Impulsgeber, sobald die dortige derzeitige Covid-19-Welle abgeebbt ist.
Erwarten Sie für den Sektor einen deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten?
Ja. In Anbetracht der vollen Kassen grosser Pharmakonzerne und Biotechs sowie moderaterer Bewertungen von Small- und Mid-Caps rechnen wir für 2023 mit verstärkten M&A-Aktivitäten. Des Weiteren gehen wir von anhaltenden Desinvestitionen und Restrukturierungen aus.
Wie wirken sich diese Entwicklungen auf Ihre Portfoliostrategie aus?
Wir setzen beim «Bellevue Diversified Healthcare Fonds» zu Jahresbeginn auf eine recht ausgewogene Allokation in Subsektoren und Stilfaktoren, berücksichtigen aber bestimmte Schlüsselkennzahlen (KPIs), um eventuell erforderliche Portfoliostrukturierungen vornehmen zu können. Angesichts der vielen für 2023 erwarteten klinischen Entwicklungen dürften unsere Bottom-up-Titelauswahl und das profunde Know-how unserer Experten als wichtige Performancetreiber fungieren. Unter den Anlagethemen gilt unser Fokus zwei bedeutenden Krankheitsbereichen: der Adipositas und der Alzheimer-Krankheit.
Link zum Disclaimer
Dr. Terence McManus kam im Jahr 2022 zu Bellevue Asset Management und ist Portfoliomanager des «Bellevue Diversified Healthcare Fonds». Er verfügt über zwölf Jahre Erfahrung im Bereich Healthcare-Investments und -Analysen, die er bei Jefferies Investment Bank, Credit Suisse, Julius Baer und zuletzt bei J. Safra Sarasin sammeln konnte. Bei J. Safra Sarasin verwaltete er einen nachhaltigen Gesundheitsfonds. Terence McManus begann seine Karriere als Wissenschaftler, der sich auf die Wirkstoffentdeckung konzentrierte. Er promovierte in Neurowissenschaften an der University of Southampton, UK.