«Wir erwarten schnelle Erholung des Healthcare-Sektors»

Portfolio Management Healthcare Funds & Mandates
Bellevue Asset Management AG, Küsnacht ZH
bellevue.ch
19.03.2020
Herr Blum, der Kurseinbruch an den Börsen infolge der Coronavirus-Pandemie versetzt die Finanzmärkte in Schockstarre. Wagen Sie einen Ausblick?
Wegen der aktuell eingeschränkten Informationslage lassen sich die globalen wirtschaftlichen Konsequenzen der Viruserkrankung Covid-19 noch schwer einschätzen. Ob sich die Aktienmärkte kurzfristig stabilisieren werden, hängt weitgehend davon ab, wie der Infektionsverlauf dahingehend beeinflusst werden kann, dass es zu keinen gravierenden Engpässen in der Patientenversorgung kommt. Dies betrifft vor allem auch die USA.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Gesundheitssektors ein?
Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte hat aber auch gezeigt, dass sich der Gesundheitssektor in Phasen mit starken Korrekturen an den Börsen besser entwickelt und schneller erholt hat. Diese Kurserholung setzt bei Medizintechnikfirmen und Gesundheitsdienstleistern dann ein, wenn sich nach einer ersten Schockphase die fundamentale Verfassung der Firmen einschätzen lässt Die Nachfrage ist wenig abhängig von konjunkturellen Einflüssen, nur geringe Einbussen bei der Ertragskraft, solide Bilanzen mit geringer Verschuldung und hohem Cashflow, zahle sich gerade in Krisenzeiten aus.
Wie ist Ihr Fondsportfolio derzeit positioniert?
Grosskapitalisierte Unternehmenswerte sind mit über 80 Prozent im Portfolio gewichtet und sorgen für einen defensiven Charakter und höchste Liquidität des Portfolios. Wachstumsmärkte wie digitale Gesundheit, die zu 30 Prozent des Portfolios abbilden, sind kaum von konjunkturellen Zyklen beeinflusst. Viele dieser Portfoliounternehmen erwirtschaften abonnementbasierte Erträge und einige profitieren sogar von der Coronakrise. Besonders interessant sind die Telemedizinanbieter Teladoc, Ping An Healthcare Technology und One Medical (1Life Healthcare) aufgrund der Möglichkeiten, Patienten virtuell behandeln zu können.
Herr Dr. Lach, Sie decken ja mit Ihrem Fonds die Medikamentenhersteller ab. Wo sehen Sie die interessanten Player?
Die Coronakrise rückt wieder stärker die Entwickler von antiviralen Therapien in den Blickpunkt der Investoren. Besonders Innovatoren dürften profitieren können. Allerdings könnten sich unter den Medikamentenfirmen anhaltende Verzögerungen in der Lieferkette negativ auf diejenigen auswirken, die ihre Wirkstoffe in China und Indien produzieren lassen. Davon sind in erster Linie westliche Spezialpharmaunternehmen betroffen, vor allem, wenn sie aktuell auf Refinanzierungen angewiesen sind.
Und wie ist der Fonds derzeit aufgestellt?
Das Portfolio enthält aktuell zu 28.5 Prozent Firmen, die in irgendeiner Form mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Verbindung stehen. Grösstenteils handelt es sich dabei um Medikamentenentwickler, aber auch Diagnostikspezialisten und Dienstleister für klinische Studien sind darin enthalten.
Welche Einzeltitel sind es im Konkreten?
Im Einzelnen sind es acht Unternehmen, von denen die Biotechschwergewichte Gilead Sciences und Regeneron die grössten Positionen bilden. Nach meiner Einschätzung hat der Wirkstoff Remdesivir von Gilead die besten Aussichten, als erstes Medikament gegen das Coronavirus die Zulassung zu erhalten. Ähnlich wie das Grippemittel Tamiflu ist Remdesivir ein Virostatikum, welches die Vermehrung der Viren blockiert. Positive Szenarien gehen davon aus, dass Remdesivir im Herbst die Zulassung erhalten könnte.
Gibt es weitere vielversprechende Ansätze in der Bekämpfung des Coronavirus?
Daneben werden auch Wirkstoffe, die bei der Behandlung von HIV oder Hepatitis zum Einsatz kommen, auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. So wird das bereits als Aidsmedikament zugelassene Wirkstoff Kaletra, eine Kombination von Lopanivir/Ritonavir, des Biopharmakonzerns Abbvie gegen Covid-19 getestet. Die Biotechfirma Alnylam verfolgt mit der RNA-Interferenz einen Ansatz auf genetischer Ebene, in Kooperation der Antikörperfirma Vir Biotech. Grosse Hoffnungen ruhen auch auf Wirkstoffen, welche die überschiessende Immunreaktion des Körpers kontrollieren könnten, die bei schweren Verläufen auftritt. Dazu gehören Regenerons Antikörper Sarilumab oder Chugais Tocilizumab. Mit diesen hofft man die Schädigung der Lungen zu verhindern, um die Heilungschancen zu verbessern.
Einen Schritt früher, und zwar bei der Verhinderung einer Infektion über die Atemwege, setzen Impfstoffe an. Gibt es hierzu Neuigkeiten?
Ziel ist es ja, über eine aktive Immunisierung den Körper dauerhaft schützen, indem der Körper lernt, selbst Abwehrstoffe zu produzieren oder einen zeitlich befristeten Schutz zu erreichen, eine sogenannte passive Immunisierung. Die verschiedenen Ansätze reichen von Antikörpern und Immunglobulinen für eine passive Immunisierung über RNA-Vakzine und klassische Impfstoffe für einen aktiven Schutz. Ihnen gemein ist, dass die klinischen Studien eben erst begonnen haben oder in Kürze starten werden. Bis zu einer Zulassung dürften mindestens noch 12 bis 18 Monate vergehen. Zu den Vorreitern zählen hier Moderna Therapeutics, Regeneron und Wuxi Biologics.
Link zum Disclaimer
Stefan Blum trat 2008 bei Bellevue Asset Management ein und ist Portfolio Manager der beiden Fonds BB Adamant Medtech & Services und BB Adamant Digital Health. Er verfügt über 16 Jahre Berufserfahrung im Bereich Healthcare.
Dr. Christian Lach ist seit 2015 Senior Portfolio Manager Healthcare Funds & Mandates und war von 2008 bis 2014 Senior Portfoliomanager Biotechnologie bei Adamant Biomedical Investments AG, bis zu deren Übernahme durch Bellevue.