«Wir machen teure Fonds günstig und damit gut»

09.12.2021
Herr Masarwah, Sie zählen in Deutschland zu den besten Kennern des Fondsmarktes. Macht das Jahr 2021 Ihnen durchwegs Freude oder finden Sie eine Fliege in der Suppe?
Ich bin zwar inzwischen Unternehmer und als solcher von Natur aus Optimist, aber wenn Sie mich als Beobachter des Fondsmarkts fragen, der ich ja nach wie vor bin, finde ich natürlich eine Fliege in der Suppe! Viele Anleger haben im Verlauf der unglaublichen Hausse alle Vorsicht über Bord geworfen und zocken, was das Zeug hält. Kryptos, Meme-Stocks, Unternehmen wie Rivian, die nicht einmal Umsätze erzielen, wurden in den vergangenen Monaten hochgekauft. Das ist gefährlich und inzwischen sieht man, dass in einzelnen Bereichen ziemlich viel Schaden entstanden ist. Die klassischen Aktienindizes notieren zwar immer noch nahe ihrer Höchststände, aber unterhalb des sanften Wellenschlags an der Oberfläche geht es in manchen Marktsegmenten ziemlich volatil zu. Die Korrektur bei Wachstumsunternehmen hat manche Anleger inzwischen richtig viel Geld gekostet. Schauen Sie sich einmal das Portfolio des «ARK Innovation ETF» an, da rappelt es gerade mächtig.
Aber die Fliegen sollten das Positive nicht vergessen machen…
Richtig, gut, dass Sie das ansprechen! Anleger haben in diesem Jahr - wie übrigens auch 2020 - mit breit gestreuten Aktienportfolios eine phantastische Rendite erzielt, vorausgesetzt, sie haben nicht hektisch auf Marktumschwünge reagiert. Von denen gab es einige, aber ich sehe mit Erleichterung, dass gerade viele jüngere Investoren stark auf Aktien setzen und laufend investieren. So gesehen ist dieses Jahr lehrbuchmässig verlaufen für die These, dass stabile, breit diversifizierte Portfolios beste Renditechancen haben.
Was schauen Sie genauer an: aktive oder passive Fonds?
Beide. Ohne ETFs geht es nicht, aber ohne aktive Fonds meines Erachtens auch nicht. Auch wenn viele Anleger inzwischen offenbar glauben, dass ETFs auf Wasser gehen können, zeigt die teils gruselige Performance von ETFs in etlichen Kategorien, dass passive Fonds eben nicht immer die beste Lösung sind. Ich habe dazu zuletzt einiges an Research verfasst, in dem ich Kategorie für Kategorie durchgegangen bin, wie sich ETFs so geschlagen haben. Die Zahlen zeigen, dass man mit pauschalen Aussagen als Anleger nicht weiterkommt. Die Frage «Aktiv oder Passiv?» greift viel zu kurz.
Kommen wir zu Ihrem Unternehmen: wo setzen Sie die Schwerpunkte?
Envestor ist eine Plattform, auf der Anleger Fonds und ETFs handeln können. Wir haben den Anspruch, Privatanlegern bei Fonds die besten Konditionen am Markt zu bieten. Es fallen prinzipiell keine Ausgabeaufschläge an, und Selbstentscheider erhalten von uns die Bestandsprovisionen zurück, die ja bekanntlich nicht ausgewiesen werden, aber einen erheblichen Teil der Management Fee ausmachen. Wir behalten lediglich 0.19 Prozentpunkte, was nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass die Vertriebsgebühren teilweise 1.0 Prozentpunkte betragen - pro Jahr! Damit adressiert Envestor das grosse Problem, das aktiv verwaltete Fonds haben: sie sind zu teuer. Aber wir machen teure Fonds günstig und tragen somit dazu bei, dass Anleger ihre Rendite systematisch verbessern.
Machen Sie das besser als Ihre Wettbewerber?
Da sage ich ganz unbescheiden: ja! Die allermeisten Vertriebe, sei es eine Fondsplattform, eine Filialbank oder eine Direktbank: Alle kassieren die Vertriebsprovisionen, auch dann, wenn sie nicht beraten. Bei Banken kommt hinzu, dass sie unverändert Ausgabeaufschläge erheben. Das Agio ist also mitnichten verschwunden. Das ist ein krasser Anachronismus, bedenkt man, dass Banken ohnehin die Hand bei den Vertriebsgebühren aufhalten.
Sie verschenken also Geld. Rennen Ihnen Privatanleger jetzt die Tür ein?
Wir wachsen in diesem Jahr zwar sehr ordentlich, aber es könnte schon mehr sein, wenn man bedenkt, dass wir den Anlegern tatsächlich Geld schenken, indem wir ihnen die Vertriebsprovisionen weiterleiten. Fondsanleger, die bei ihrer Bank keine Beratung in Anspruch nehmen, berappen viel Geld - für nichts und wieder nichts! Diese Anleger müssten eigentlich alle umgehend ihre Depots zu uns transferieren. Aber leider gehen viele Anleger viel zu unkritisch mit den Kosten von Fonds um, vermutlich aus Unwissenheit. Aber mit unserem Content und unserer Medienarbeit bekommen wir viel Aufmerksamkeit, und steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein. Ich bin optimistisch, dass immer mehr Anleger uns entdecken und unser Angebot wahrnehmen.
Welche Ziele setzen Sie für 2022?
Wir haben uns sehr viel vorgenommen. Wir heben Anfang des nächsten Jahres ETF-Modelportfolios auf unsere Plattform. Mit Gesamtkosten von 0.5 Prozent inklusive Produktkosten und Rebalancing werden sie günstigster sein als die meisten Robo-Advisor am Markt. Dann werden wir auch im ersten Quartal eine sehr günstigste fondsgebundene Rentenversicherung auf ETF-Basis lancieren. Die Gesamtkosten werden da bei rund 0.7 Prozent pro Jahr liegen. Solche Produkte sind für die Altersvorsorge auch aus steuerlicher Sicht interessant in der Rentenbezugsphase. Auf envestor.de tut sich also einiges, schauen Sie doch mal rein - oder registrieren Sie sich für unseren wöchentlichen Newsletter!
Link zum Disclaimer
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Partner bei der konzernunabhängigen digitalen Fondsplattform Envestor. Zu den Kerndienstleistungen von envestor.de zählt, Privatanlegern einen sehr günstigen Zugang zu Fonds zu eröffnen. Investoren, die keine Beratung brauchen, erhalten einen Grossteil der laufenden Vertriebsgebühren zurück. Auch anlegernahes Research zählt zum Angebot von envestor.de. Ali Masarwah zählt zu den langjährigen Kennern des deutschen und europäischen Fondsmarkts. Bis Frühjahr 2021 war er im Fondsresearch bei Morningstar tätig und als Chefredakteur für die deutschsprachigen Personal-Finance-Websites des US-Research-Hauses verantwortlich. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin Ende der 1990er-Jahre fand der Sozialwissenschaftler zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der damaligen Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt. Danach verantwortete er bei Morningstar zwischen 2011 und 2021 die Personal-Finance-Websites für die deutschsprachigen Länder.