«Wir müssen nicht gegen die eigene Überzeugung handeln»

23.10.2019
Herr Dr. Koller, was unterscheidet die Beteiligungsgesellschaft von einem Investment-Fonds?
Als Beteiligungsgesellschaft sind wir nicht den restriktiven Vorgaben offener Fonds unterworfen. So investieren europäische Anleger mit der BB-Biotech-Aktie in einen börsennotierten geschlossenen Aktienfonds mit einem konzentrierten Portfolio der aussichtsreichsten Biotechunternehmen. Doch nicht nur bei der Portfoliokonstruktion sind wir flexibler als ein UCITS-Fonds, auch bei den Ausschüttungen haben wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu kommt: Bei Marktkorrekturen werden wir nicht mit Rücknahmen konfrontiert und müssen deshalb Positionen nicht gegen die eigene Überzeugung verkaufen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie die Aktie von Ionis Pharmaceuticals, heute führend im Bereich Antisense. Als wir 2010 zwei Prozent unserer Assets in das Unternehmen investierten, hatte es kaum ein Investor auf dem Radar. Seither haben wir mit dem Titel eine Rendite von über 30 Prozent pro Jahr erzielt. Zum Ende des ersten Halbjahrs 2019 hatte die Aktie im Portfolio etwas mehr als 13 Prozent Gewicht. Jeder UCITS-Fonds hätte die Position verkleinern müssen, aufgrund der Vorgabe von maximal zehn Prozent pro Titel. Wir dagegen folgen unseren seit über zwei Jahrzehnten bewährten internen Anlagerichtlinien, beaufsichtigt durch einen renommierten Verwaltungsrat. Wir haben kein Problem damit, wenn diese ausgesprochen lukrative Position auf 14 oder 15 Prozent des Portfolios anwächst.
Welche Entwicklungsschritte hat BB Biotech bislang gemacht?
Ich denke, wir waren in Sachen Biotechinvestments in Europa klar ein Vorreiter - und der frühe Start hat sich für unsere Aktionäre gelohnt. Auch bei unserem IPO Ende 1993 konnten wir schon viele Investoren überzeugen. Damals haben wir 400 Mio. Schweizer Franken erhalten, das waren umgerechnet 250 Mio. US-Dollar. Beim Börsengang 1997 in Deutschland kamen weitere 120 Mio. US-Dollar hinzu, beim Listing in Italien im Jahr 2000 nochmals 160 Mio. US-Dollar.
Aber es gab auch schwere Zeiten für Biotechinvestoren?
Nach dem IPO im Jahr 1993 bis 2001 zahlte sich die Anlagestrategie für unsere Aktionäre aus. Dann machte uns der Markt einen Strich durch die Rechnung. Nach teilweise heftigen Übertreibungen in der 2000er-Blase korrigierte der Biotechsektor und damit auch unsere Aktie, die in den folgenden Jahren unter den Buchwert fiel. Danach folgte ein Auf und Ab, zwar getrieben durch eine starke Industrieentwicklung, aber auch überlagert durch die Finanzkrise von 2008 bis 2011, bevor im Jahr 2012 ein neuer wachstumsstarker Zyklus begann. In diesem bewiesen wir, dass unser fundamentaler, langfristig orientierter Investmentansatz erfolgreich funktioniert und dass wir in der Lage sind, ein konzentriertes, von unseren Überzeugungen geprägtes Biotechportfolio erfolgreich zu verwalten.
Wie haben Sie in der Krise agiert?
In den schwierigen 2000er-Jahren wurde BB Biotech nicht mehr wie vorher mit einer Prämie auf den Buchwert gehandelt, sondern mit einem Abschlag. Einige Investoren wurden ungeduldig und als Gegenmassnahme haben wir damals begonnen, Aktien zurückzukaufen. Auch das ist eine Möglichkeit, die ein Investmentfonds nicht hat. Seit mehr als drei Jahren tätigen wir trotz offener Rückkaufslinie allerdings keine Rückkäufe mehr, denn BB Biotech wird heute wieder mit einer Prämie gehandelt. Ich finde, das ist eine schöne Bestätigung unseres Konzepts und zeigt das Vertrauen der Investoren in unser Können.
Im 3. Quartal verzeichneten die Gesundheitsmärkte Verluste. Was waren die Gründe dafür?
Die Märkte wurden von politischen Faktoren beeinflusst. Der Nasdaq Biotechnology Index büsste 8.6 Prozent in US-Dollar ein, der MSCI Healthcare Index gab um 1.1 Prozent in US-Dollar nach. Der Biotechsektor wurde besonders durch den US-Wahlkampf belastet, der die Preisgestaltung von Medikamenten thematisiert. Die Abflüsse aus Biotechaktien hielten an, was teilweise an der erhöhten Unsicherheit im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr liegt - ein Trend, der bereits vor den letzten Präsidentschaftswahlen zu beobachten war und damals im Sommer 2015 einsetzte. Diesem Trend wirken Mittelzuflüsse in Spezialfonds und Fonds von Biotechinvestoren entgegen, die durch M&A-Transaktionen dem Sektor Kapitalzuflüsse bringen, die für die vielen Börsengänge und Kapitalerhöhungen innerhalb der Branche eingesetzt werden. Das aktive Einschreiten der US-Bundeshandelskommission FTC bei unlängst geplanten M&A-Transaktionen hat das Anlegervertrauen in den Biotechsektor zusätzlich verringert.
Wie hat sich BB Biotech entwickelt?
Die Aktie von BB Biotech gab im 3. Quartal 2019 um 4.7 Prozent in Euro nach, während der Innere Wert des Portfolios (NAV) um 9.8 Prozent in Euro sank. Seit Jahresbeginn liegt die Performance der BB Biotech-Aktie immer noch im positiven Bereich. Die Gesamtrendite von 13.7 Prozent in Euro sowie der Anstieg des NAV von 8.8 Prozent in Euro spiegeln den starken Anstieg des 1. Quartals wider. Im 3. Quartal 2019 legten mehrere Portfoliounternehmen solide Zweitquartalsergebnisse vor, darunter Neurocrine und Alnylam. Andere Beteiligungen, wie etwa Radius Health und G1 Therapeutics, meldeten erfreuliche Entwicklungen bei Pipelineprodukten. Wiederum andere Titel in unserem Portfolio waren weniger erfolgreich, so etwa Myovant und Akcea, die Anzeichen von Fehlentscheidungen seitens der Unternehmensführungen erkennen liessen. Für einige F&E intensive Unternehmen wie Agios erweist sich der sich abzeichnende Kapitalbedarf als Kursbelastung.
Was erwarten Sie noch vom Rest des Biotechjahres?
Wir rechnen für das 4. Quartal mit beachtlichen Fortschritten in der Wirkstoffpipeline von Biotechunternehmen: Im Fokus stehen Sage, Halozyme, Myovant, Myokardia, Homology, Crispr Therapeutics sowie Incyte. Zulassungen werden von Intra-Cellulars Lumateperone und Alexions Ultomiris erwartet.
Wir werden die ansteigenden Bewertungslücken zwischen dem Biotechsektor sowie anderen Sektoren in der Gesundheitsbranche und den breiteren Aktienmärkten genau im Auge behalten. Während der letzten 25 Jahre haben wir immer wieder vergleichbare Schwankungen erlebt. In unseren Augen bilden die immensen grundlegenden Fortschritte auf wissenschaftlicher, medizinischer und wirtschaftlicher Ebene des Biotechsektors weiterhin die Grundlage für jene Investitionen, die wir im Interesse und zugunsten unserer Aktionäre tätigen. Politische Auseinandersetzungen und Entscheidungen werden sich weiterhin auf die oben erwähnten Bereiche auswirken, vor allem in Bezug auf die Preisgestaltung von Medikamenten und deren Vergütung. Höchste Aufmerksamkeit werden nach wie vor die zahlreichen Handelskonflikte der USA und der US-Präsidentschaftswahlkampf erfahren. Auch Regelungen zur Preisfestsetzung von Medikamenten, die Gesundheitspolitik und mögliche präsidiale Verfügungen bleiben von Interesse, obwohl sie sich zum Teil als wahltaktische Rhetorik entpuppen könnten. Kurzfristige Schwankungen an der Wall Street werden wir genau verfolgen und riskante trendbasierte Strategien meiden. Wir halten an unserem fundamentalen Ansatz mit Fokus auf echter Innovation und einem Mehrwert für Patienten, Kostenträger und der Gesamtgesellschaft fest. Wir sind überzeugt, dass dieser Ansatz und Fokus in Kombination mit unserer langfristig erprobten Bewertungsmethode uns ermöglicht, weiterhin Anlageziele mit attraktiven langfristigen Renditen zu identifizieren und in diese zu investieren.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.