«Wir nutzen Quant in allen Assetklassen»

15.02.2019
Herr Bichsel, warum hat die BCV eine Niederlassung in Zürich?
Ein relevanter Asset Manager in der Schweiz muss auch in der Deutschschweiz präsent sein, denn der Westschweizer Markt ist mit einem Anteil von rund 20 Prozent am Schweizer Vorsorgemarkt relativ klein. Zudem ist die Kundennähe wichtig für uns. Wir sind zuverlässig, kompetent und schnell. Bei Fragen erhalten die Kunden spätestens am nächsten Tag eine nützliche Antwort. Damit können wir uns bereits abheben.
Wie läuft die Entwicklung des Asset Managements der BCV in Zürich?
Wir haben 2011 mit zwei Personen in eigenen Büroräumlichkeiten angefangen. Das Geschäft hat sich positiv entwickelt. Die Equipe ist polyvalent und mit breitem Know-how gut aufgestellt. Dank dem erfreulichen Wachstum haben wir das Team inzwischen verdoppeln können.
Wie hoch ist die Bedeutung des Zürcher Marktes für das Asset Management der BCV?
Die Hälfte unserer neuen Assets stammen heute aus der Deutschschweiz. Wir bieten dem Wholesale, aber auch den Family Offices und Pensionskassen die ganze Palette eines modernen Asset Managements an. Das kann in verschiedenen Formen erfolgen: Mandate, Fonds, Strukturierte Produkte, insbesondere auch aktiv gemanagte Zertifikate. Ein anderer Bereich im Asset-Management-Kontext, in dem die BCV gut unterwegs ist: Die Hälfte der Schweizer Immobilienfonds nutzen uns als Depotbank.
Was sagt die Zürcher Kantonalbank zu Ihrem Engagement?
Was wir verkaufen, ist komplementär, die Konkurrenz ist anderswo. Ich war gerade bei der ZKB zum Lunch und unser Austausch ist freundschaftlich und wird beidseitig geschätzt.
Was sind die Besonderheiten der BCV in diesem hart umkämpften Markt?
Es ist heute wichtig, dass der Kunde sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren kann und sich wohl fühlt. Als Unternehmen zeichnet uns insbesondere eine klare Strategie sowie auch Stabilität und Vertrauenswürdigkeit aus. Die BCV ist ein attraktiver Arbeitgeber, welcher seine Mitarbeiter nicht durch exorbitante Löhne, sondern durch Nachhaltigkeit, ein konstruktives Umfeld und attraktive Projekte erfolgreich bindet. Entsprechend gelingt es uns, viele Schweizer und internationale Talente anzuziehen, die uns voranbringen.
Unsere Expertise im Risikomanagement und der Portfoliokonstruktion hat uns zu einer starken Position verholfen und bei den Kern-Assetklassen (Schweizer Aktien, Schweizer Obligationen und Schweizer Immobilien) befinden wir uns im Konkurrenzvergleich regelmässig im Top-Quartil. Im Bereich indirekte Schweizer Immobilienanlagen gehören wir seit langem zu den Besten: Darüber hinaus haben wir heute eines der stärksten Quant-Teams des Landes, das eine Vielzahl attraktiver Produkte in allen Assetklassen hervorbringt.
Ihr Asset Management ist eingebettet in die zweitgrösste Kantonalbank der Schweiz. Ein Nachteil?
Im Gegenteil: Unser Unternehmen ist erfolgreich, wir sind eine der rentabelsten Banken in der Schweiz. Wir verfügen über ein AA-Rating - dies ohne Staatsgarantie, welche die BCV übrigens seit ihrer Gründung nie hatte. Das macht uns zu einer der sichersten Banken überhaupt. Die Aktie ist als «Value Stock» gut positioniert mit einer Performance, die weit über allen relevanten Indizes liegt. Nach UBS, CS und Julius Bär weist die BCV die viertgrösste Börsenkapitalisierung unter den Schweizer Banken aus. Zudem haben wir den Willen und eine gute Grösse, die es erlaubt, eine echte Asset-Management-Kultur aufzubauen und zu leben.
Müssen Sie oft mit der Kantonsregierung sprechen?
Das ist Aufgabe des VR-Präsidenten. Im Übrigen haben wir klare, moderne Corporate-Governance-Regeln, die mit SIX- und FINMA-Anforderungen im Einklang stehen. Der Kanton ist der grösste Aktionär und wird als solcher behandelt.
Wie wichtig ist bei Ihnen der Einsatz von Technologie?
Ein Grossteil unserer Prozesse, Selektionen und Risikokontrollen basieren auf Quant-Ansätzen. Unser akademisches Umfeld (EPFL, UNIL) liefert dafür einen hoch qualifizierten Talentpool. Wir haben viele Dissertationen unterstützt und beschäftigen aktuell zwei Professoren im Asset Management, welche die direkte Verbindung von Forschung und Praxis sicherstellen.
Was ist der Platz für Nischenplayer in einem Markt, in dem die Riesen des passiven Managements immer mehr Gewicht haben?
ETFs und andere passive Produkte bereiten uns keine grossen Bauchschmerzen, denn wir bauen diese, wo sie sinnvoll sind, in die Portfoliokonstruktion ein. Passive Produkte vermitteln wir respektive kaufen wir ein, denn eigene Indexprodukte anzubieten ergibt bei unserer Grösse nur ausnahmsweise Sinn. In den meisten Fällen ist aber unsere Expertise gefragt.
Bleiben Ihnen neben den günstigen ETFs nicht nur die Brosamen?
Unser Unternehmen hat eine Grösse (rund 90 Mrd. Schweizer Franken verwaltete Vermögen), in der wir mit «Brosamen» - wie Sie sagen - gut leben können. Das Angebot an Indexprodukten sowie deren Volumina sind in den letzten Jahren tatsächlich enorm gewachsen. Wir positionieren uns dem gegenüber mit Added-Value-Produkten. Natürlich müssen wir den Nutzen dokumentieren und unsere Versprechen halten können. Dieser Ansatz funktioniert und ermöglicht es uns, nach Abzug der Kosten sehr oft besser als der Index zu sein. Wir weisen ein rentables Wachstum aus und gewinnen Marktanteile, obwohl das Volumen des Gesamtmarkts schwergewichtig mit Indexprodukten wächst.
Wenn Sie sich am Morgen im Spiegel betrachten: Wieso soll ein Kunde die BCV wählen?
Wie bereits vorher erwähnt, wollen wir uns durch unsere Stabilität, unsere Zuverlässigkeit und Kompetenz von den Mitbewerbern abheben. Die BCV ist sehr serviceorientiert, und die Mitarbeitenden verbindet eine starke Unternehmensphilosophie, in welcher die definierten Werte (Professionalität, Kundennähe, Verantwortung und Performance) täglich gelebt werden. Das sind nicht bloss Worte. Viele Mitarbeitende in Schlüsselpositionen arbeiten schon über 30 Jahre bei der BCV. Wir wollen weiter wachsen und Marktanteile gewinnen, und dies mit für unsere Kunden passenden Lösungen und rentablen Produkten.
Was halten Sie von ESG? Ist die BCV auch schon auf den ESG-Zug aufgesprungen?
Als ich bei der Swissca arbeitete, waren wir mit unserem «Green Invest Aktienfonds» unter den Ersten. Sarasin und SAM waren damals die starken Konkurrenten. SAM wurde von Robeco gekauft und Sarasin von Rabobank und später von J. Safra. Die Swissca hatte zu dieser Zeit eine Kooperation mit dem WWF und lancierte demzufolge Produkte, die viele Kunden ansprachen. Nach dem anfänglichen Hype ging die Nachfrage zurück und es fand keine grosse Entwicklung mehr statt. Das ist aus Schweizer Asset-Management-Sicht schade, weil wir hier international gesehen die ersten ernstzunehmenden Anbieter waren. Einer der Gründe für diese Stagnation war sicher, dass sich die verschiedenen Anbieter weder auf eine gemeinsame Terminologie noch eine messbare Darstellung des Nutzens einigen konnten. Jeder hatte Recht - und keiner kam so richtig vorwärts.
Was die BCV betrifft, so haben wir ESG-Anlagen mit unserer konsequenten «Open Architecture» immer angeboten, jedoch war die Nachfrage weder bei privaten noch bei institutionellen Anlegern gegeben. Seit etwa zwei Jahren hat der politische Druck zugenommen und dieser wurde auf grosse Vermögensverwalter und Pensionskassen übertragen. Ich glaube, dass der Trend diesmal anhalten wird. Entsprechend positioniert sich die BCV zu diesem Thema heute systematischer. In einer ersten Phase setzen wir ESG-Kriterien verantwortungsvoll in unseren Prozessen ein, ohne dafür einen Performanceverlust zu riskieren. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit dem Stimmrecht an Generalversammlungen. Waren es früher ausschliesslich die Kriterien des Finanzanalysten, die bei der Stimmabgabe berücksichtigt wurden, so kommen heute auch ESG-Kriterien dazu. Darüber hinaus wollen wir unsere Kunden in ihrer Ambition und Sensibilität für dieses Thema begleiten und ihnen die Konsequenzen ihrer Wahl aufzeigen.
Was sind die aktuellen Trends im Asset Management?
ESG ist heute ein klarer Trend. Weiter gibt es eine starke Tendenz zur Vereinfachung, weil viele als kompliziert empfundene Ansätze enttäuscht haben. Investoren sind heute auf der nicht einfachen Suche nach Rendite bei einem vernünftigen Risikoprofil. Obligationen sind ein Minenfeld geworden. Immobilien sowie auch Aktien bewähren sich dagegen immer noch gut und sind zu bevorzugen.
Gibt es ein Produkt bei der BCV, das Investoren besonders lieben?
Wir haben dafür verschiedene Beispiele. Eines ist der «Hedge Fund Replicator» (Liquide Alternative Beta LAB). Nachdem «Funds of Hedge Funds» wegen hoher Kosten, begrenzter Liquidität und Transparenz unter Druck gekommen sind, haben wir gemeinsam mit der Universität Lausanne ein Quant-Modell entwickelt, das mit derivativen Instrumenten die Hedge-Fund-Performance abbildet. Damit können die Eigenschaften der Anlageklasse und ihr Nutzen in eine Portfoliostruktur integriert werden, aber zu tiefen Kosten und mit täglicher Liquidität. Das aktuelle Fondsvermögen dieses UCITS-Fonds liegt bei rund 300 Mio. Schweizer Franken.
Link zum Disclaimer
Stefan Bichsel, geboren 1955, studierte Recht an den Universitäten Lausanne, Bern und Georgetown (Washington, D.C.) und kam 1982 zur UBS, bevor er in New York bei der Anwaltskanzlei Gibney, Anthony & Flaherty tätig war und später in die Schweiz zu Pictet nach Genf zurückkehrte. 1994 wurde Bichsel erster CEO der Swissca Holding AG (später Swisscanto). Von 1998 bis 2001 war er Präsident der Swiss Funds Association (SFA, heute SFAMA). 2002 wechselte er als Mitglied der Generaldirektion zur Robeco Group in Rotterdam, wo er für sämtliche Auslandaktivitäten zuständig war. Von 2005 bis 2007 war er Präsident der European Fund and Asset Management Association (EFAMA). 2006 stiess Stefan Bichsel als Partner und Mitglied des Group Managements zu Lombard Odier Darier Hentsch & Cie in Genf, bevor er 2009 als Generaldirektor zur Banque Cantonale Vaudoise (BCV) wechselte, wo er seither die Division Asset Management & Trading leitet.