«Wir rechnen mit einer kontinuierlichen Evolution im amerikanischen Gesundheitswesen»

20.07.2018
Herr Dr. Koller, das 1. Halbjahr ist bereits wieder vorüber. Wie ist es für BB Biotech gelaufen?
Der Biotechsektor litt im 2. Quartal unter schwierigen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Diskussion über die Einführung von Preiskontrollen durch die US-Regierung sowie allgemein ein Ende der Marktrally. Insgesamt sind Aktien in etwa wieder auf das zu Jahresbeginn verzeichnete Niveau zurückgekehrt. In der ersten Hälfte des Jahres gab es an den Märkten jedoch aufgrund von makroökonomischen, branchen- und titelspezifischen Ereignissen deutliche Schwankungen. Die Komplexität von Investments im Biotechsektor wurde im 2. Quartal 2018 auch für BB Biotech nur allzu deutlich. Im Zeitraum von April bis Juni verzeichnete die BB Biotech-Aktie eine leicht negative Entwicklung, für das 1. Halbjahr konnte aber eine Rendite in Schweizer Franken von mehr als 8 Prozent erzielt werden.
Der Sektor verzeichnet seit einigen Monaten Mittelabflüsse. Was ist der Grund dafür, und sind diese gerechtfertigt?
Politische Drohungen, gesundheitspolitische Berichte sowie gewisse Tweets des US-Präsidenten belasteten die Aktien aus dem Arzneimittelsektor. Vieles deutet auf die Einführung von Preiskontrollen durch die US-Regierung hin. Vor allem geht es aber wohl darum, im Vorfeld der Zwischenwahlen Ende des Jahres Wahlkampfplattformen zu schaffen. Die Anleger sind angesichts der Gefahr gesetzlicher Preiskontrollen skeptisch, was zu Mittelabflüssen führt. Diese Reaktionen der breiten Anlegerschaft sind durchaus nachvollziehbar, wir sind jedoch auch der Ansicht, dass einige der im US-Gesundheitssektor diskutierten strategischen Ideen konstruktiv sind, andere dagegen nicht. Wir halten wenig von kurzfristigen, schlecht informierten, übereilten Entscheidungen oder unverantwortlichen Preiserhöhungen, die nachhaltiges Wachstum untergraben und die Mittelzuflüsse in den Biotechnologiesektor bremsen.
Wie schlägt sich das US-Gesundheitsministerium unter Trump?
Das US-Gesundheitsministerium hat bislang einen stabilisierenden Einfluss auf das Weisse Haus gehabt. Im Arzneimittelbereich ist die US-Arzneimittelbehörde FDA ein klarer Befürworter echter Innovationen, obgleich sie Schwierigkeiten hat, genügend Experten an Bord zu holen, und zusätzliche Mittel benötigt werden. Sowohl die FDA als auch das übergeordnete Gesundheitsministerium werden eine entscheidende Rolle spielen, wenn die US-Regierung ihre Position gegenüber der Arzneimittelindustrie definiert. Wir rechnen konkret damit, dass es vernünftige staatliche Massnahmen geben wird, um die Arzneimittelentwicklung zu verkürzen, die Komplexität zu verringern und Kosten zu senken. Geistige Eigentumsrechte dürften so vergeben werden, dass Innovationen belohnt werden. Es sind Bestrebungen im Gange, die Preistreiberei zu bekämpfen und Licht in einige obskure Anreize in der Wertschöpfungskette auf dem US-Markt zu bringen, um so die Gesundheitskosten, die die Patienten aus eigener Tasche bezahlen, sowie auch die Rabatte für Zwischenhändler zu verringern.
Was erwarten Sie für Änderungen im US-Gesundheitssystem, und was bedeutet das für Biotechunternehmen?
Wir rechnen trotz der um Wählerstimmen bangenden Politiker mit einer kontinuierlichen Evolution statt radikaler Revolution beim Arzneimittelzugang, bei den Preisen und bei der Kostenerstattung. Das US-Gesundheitssystem wird sich nach unserer Einschätzung neu strukturieren bzw. organisieren und die Mittel stetig und erfolgreich neu verteilen, um einen zunehmend wettbewerbsfähigen, gut informierten, effizienten und wertbasierten Markt zu schaffen. Diese Veränderung ist in mehrfacher Hinsicht bereits Realität. Neue Akteure wie Alphabet, Apple, Amazon, Berkshire Hathaway und andere mehr propagieren aktiv neue Wege in der Gesundheitsversorgung, wobei noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgereizt sind. Für intelligente Biotechnologiefirmen sind diese Ansätze eher verlockend als bedrohlich. Denn die US-Regierung wird zwar ihr Augenmerk weiterhin auf den Biotechsektor richten, aber die Marktkräfte dürften gegenüber den staatlichen Interventionen als Gewinner hervorgehen.
Haben Sie Ihr Portfolio im 2. Quartal angepasst?
Angesichts der beschriebenen Herausforderungen an den Biotechmärkten haben wir die Unternehmen erneut analysiert und das Portfolio umgehend und entschieden angepasst. Wir haben die Positionen in RNA-Plattformen durch Rückkauf der zuvor zu höheren Kursen verkauften Alnylam-Aktien aufgestockt und die Beteiligung an Wave Life Sciences erhöht. RNA-basierte Therapien werden noch lange eine wichtige Rolle spielen. Wir haben unser Engagement beim Spezialisten für Gentherapie Voyager ausgebaut, da das Unternehmen gute Fortschritte macht und die FDA derart ehrgeizige Innovationen unterstützt. Wie üblich haben wir kurzfristige Überreaktionen am Markt ausgenutzt und Esperion und Tesaro nach deren Wertverlust aufgestockt, da wir die bedeutenden Produkte und das Wertschöpfungspotenzial optimistisch einschätzen. Bei den Positionen in Agios, Novo Nordisk und Halozyme wurden im Gegenzug Gewinne mitgenommen, während die Position in Probiodrug aufgrund eines Strategiewechsels reduziert wurde. Ausserdem haben wir Positionen eröffnet in besonders innovativen kleinen Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial. Im Einzelnen handelt es sich dabei um G1 Therapeutics, Exelixis, Nektar Therapeutics und Myokardia.
Was erwarten Sie vom 2. Halbjahr?
Wir erwarten einige Pipeline-Fortschritte sowie wichtige Produktzulassungen und Daten von Phase-III-Studien für neue Medikamente in den USA und in Europa. Die Bewertungen haben sich von den 2016/17-Höchstständen inzwischen deutlich verabschiedet, sodass unsere Analysen optimistisch stimmen. Ausgewählte M&A-Aktivitäten dürften Chancen schaffen, um sich von einigen Portfoliopositionen zu trennen. Bis dahin prognostizieren wir attraktives fundamentales Wachstum im Biotechsektor und werden unser Portfolio weiterentwickeln. Unter anderem sind neue Beteiligungen bei führenden kleinen und mittleren Unternehmen mit hohen Wachstumsraten geplant. Wie immer setzen wir auf eine innovationsbasierte Anlagestrategie und werden weiter Ausschau nach führenden Unternehmen halten, die an kosteneffizienten Technologien zur Schliessung medizinischer Bedarfslücken arbeiten, um erstklassige Renditen für unsere Aktionäre erwirtschaften.
Im Juni konnte Sie ausserdem die Aufnahme der BB Biotech in den SMIM Index vermelden…
Darüber freuen wir uns sehr. Die Aufnahme in den SMIM Index bestätigt unsere erfolgreiche Performance im Wachstumsmarkt Biotechnologie. Mit knapp 25 Jahren Erfahrung und rund 3.5 Mrd. Schweizer Franken Anlagevermögen sind wir einer der weltweit grössten Anleger in diesem Bereich und bereits seit 2014 ist BB Biotech aufgrund der gestiegenen Börsenkapitalisierung und der höheren Liquidität im Stoxx Europe 600 Index vertreten.
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.