«Wir sehen eine starke Nachfrage nach Faktor-Investing»

20.01.2017
Herr Haede, was hat MSCI dazu bewogen, sich mit Faktoren als Basis für die Zusammensetzung von Indizes zu beschäftigen?
Die Entwicklung der MSCI Indexmethodiken sowie unser Research richten sich nach dem Interesse unserer Kunden aus. In den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach Faktorindizes seitens institutioneller Investoren wie beispielsweise Pensionsfonds stark zugenommen. Getrieben wurde die Diskussion, die ihren Ursprung in der akademischen Welt hat, von dem Wunsch, nicht marktbezogene Renditequellen (Alpha) von systematischem «Beta» zu trennen. Durch den Einsatz von Faktor-Indizes können Anleger stärker darauf Einfluss nehmen, welche Faktoren im Rahmen der Investmentstrategie stärker oder weniger betont werden sollen. Letztendlich, und das befeuert aktuell den Faktortrend, bieten sich attraktive Kostenvorteile.
Hat die Nachfrage nach Faktor-Indizes zuletzt stärker zugenommen als bei Ihren klassischen Indizes, deren Zusammensetzung sich am Börsenwert der Unternehmen orientiert?
Prozentual gesehen ja. In den Jahren 2013 bis 2015 ist das Anlagevermögen in MSCI Faktor-Indizes um ca. 50 Prozent pro Jahr gewachsen. Absolut gesehen stellen die ca. 170 Mrd. US-Dollar in MSCI Faktor-Indizes derzeit ca. 1 Prozent des Volumens dar, das insgesamt mit MSCI Indizes verglichen wird. Im Jahr 2016 haben Minimum-Volatility-Strategien den stärksten Zuwachs erfahren und führen nun die Liste von Faktoren-Indizes an, gefolgt von den MSCI High Dividend Yield Indizes. Nach wie vor bilden jedoch die Klassiker MSCI World, MSCI Emerging Markets und MSCI ACWI (die Kombination von World und Emerging Markets) die breite Basis der meisten institutionellen Investoren. Insgesamt vereinen diese drei Indizes knapp 7 Bn. US-Dollar auf sich.
Sind vor allem US-Investoren an Faktor-Investing interessiert oder kommt die stärkste Nachfrage inzwischen aus Europa oder anderen Regionen?
Der Trend hin zum Faktor-Investing ist ein globaler, wir sehen starke Nachfrage sowohl aus Europa als auch seitens asiatischer Kunden. Als Gradmesser hierfür kann man unter anderem die Dynamik am Markt für Exchange Traded Funds (ETFs) heranziehen. Von den insgesamt 850 ETFs auf MSCI Indizes basieren mittlerweile bereits 175 verschiedene ETFs auf MSCI Faktor-Indizes. Von den ca. 50 Neuauflagen von Faktor ETFs im zurückliegenden Jahr entfallen über 40 Prozent auf Europa und immerhin 10 Prozent auf Asien.
Wird der Run auf Minimum-Volatility-Indizes auch von aktiv gemanagten Fonds getragen?
Ja, das ist teilweise der Fall. Während MSCI Faktoren wie Value oder gleichgewichtete Indizes fast ausschliesslich in Form passiver Fonds angeboten werden, sind 25 Prozent der Minimum-Volatility-Investmentprodukte aktiv. Der überwiegende Teil unserer Kunden entscheidet sich hierbei für die Variante, bei der wir neben den Volatilitäten der einzelnen Aktien im Ausgangsindex auch die Korrelationen der Aktien untereinander berücksichtigen. Mit dieser Methodik lässt sich die Volatilität des Index um ca. 25 bis 30 Prozent reduzieren.
Einige der Faktoren wie Value, Dividende oder Qualität sind auch Investmentkriterien von Value-Fonds. Wieso also sich mit Faktor-Indizes beschäftigen?
Zum einen können Faktor-Indizes Investoren als Benchmark helfen, Value-Fonds hinsichtlich ihrer Rendite und Renditequellen zu analysieren und zu vergleichen. Andererseits erweitern sich durch das breite Angebot von MSCI Faktor-Indizes die Möglichkeiten, sich als Anleger zwischen aktiv gemanagten und passiven Fonds zu entscheiden.
Wie lassen sich Faktor-Indizes for Multi-Asset-Strategien einsetzen? Welche Trends werden wir auf Sicht der nächsten drei Jahre bei Indizes sehen und wie stellt sich MSCI darauf ein?
Als global führender Indexanbieter werden wir auch künftig daran gemessen, mit welchem Qualitätsanspruch neue Investmentideen umgesetzt werden. Seit 2004 ist die Firma Barra, einer der Pioniere im Bereich Faktormodelle, Faktoranalyse und Portfoliokonstruktion Bestandteil von MSCI. Mit Hilfe des Barra Integrated Models (BIM), das zu den Branchenstandards im Bereich Multi-Asset-Modelle gehört, sind wir in der Lage, das Faktor Thema auch auf andere Anlageklassen anzuwenden.
Marc Haede ist als Executive Director für das Index Client Coverage-Team in Westeuropa verantwortlich. Er trat 2003 bei MSCI ein und arbeitete eng mit europäischen Vermögensverwaltern, Banken, Pensionskassen und Versicherungen in den Bereichen Benchmarkauswahl, Risikomanagement, Portfolioaufbau und Performance Attribution zusammen. Er hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und Finanzwesen von der Universität Trier (Deutschland) und hat seine Ausbildung an der University of North Carolina in Greensboro durch ein akademisches Stipendium der Deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung ergänzt.