«Wir sehen Potenzial und vielversprechende Entwicklungen auf dem Kontinent Afrika»

Portfoliomanager, BB African Opportunities Fonds
Bellevue Asset Management AG, Küsnacht ZH
bellevue.ch
26.09.2019
Herr Bou-Diab, Afrika ist seit einiger Zeit aus dem Blickfeld der Investoren verschwunden. Zu Recht?
In den letzten 10 bis 15 Jahren hat Afrika durch Investoren eine grosse Umwälzung erlebt. Anfänglich waren die Erwartungen grösstenteils zu hoch und sogar unrealistisch. Man hat die Abhängigkeit grosser Wirtschaften wie Nigeria, Angola und Südafrika von den Rohstoffen nicht eingepreist und auch nicht gemerkt, dass der wirtschaftliche Aufschwung nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugutekam. Dieser Über-Optimismus war nicht hilfreich, weil es einerseits zu einer Enttäuschung der Investoren geführt hat und anderseits falsche Signale an die lokalen politischen Kräfte gesendet hat. Die Korrektur der Rohstoffpreise sowie die politischen und sozialen Spannungen führten zu einer pessimistischen Stimmung. Im Perzeptionzyklus ist man jetzt an einen Punkt gelangt, wo praktisch nichts mehr Positives aus Afrika erwartet wird. Man hört und liest nur über die Herausforderungen wie zum Beispiel den Einfluss durch die globale Klimaänderung. Über das Potenzial und die positiven Entwicklungen in gewissen Ländern während der letzten Jahre ist nichts mehr zu vernehmen.
Warum investiert Bellevue trotzdem in Afrika?
Uns war immer klar, dass der Weg zu einer wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents lang, riskant und turbulent wird. Also waren wir in der Euphoriephase der Afrika-Investments vorsichtiger und konservativer. Wir teilen auch den heutigen Pessimismus nicht und sehen weiterhin interessantes Potenzial und vielversprechende Entwicklungen auf dem Kontinent. Länder wie Ägypten, Marokko, Kenia und Äthiopien erhöhen Investitionen in die Infrastruktur substanziell. Studien der Harvard University Center for International Development deuten darauf hin, dass Länder wie Uganda, Ägypten Tansania und Kenia über das nötige Know-how verfügen, um die Industrialisierung voranzutreiben, wodurch sie stark wachsen dürften. China kommt mit einem neuen Entwicklungsansatz, der den Schwerpunkt auf Infrastruktur und industrielle Produktion setzt. Der Finanzsektor steht vor einer Beschleunigung des Wachstums dank neuer IT-Investitionen, der Verbreitung der Smartphones und regulatorischer Reformen. Nicht zuletzt sehen wir auch die Geburt der neuen afrikanischen Freihandelszone.
Dies sind fundamental betrachtet alles positive Signale, wie hat sich denn der Aktienmarkt entwickelt?
Wenn wir auf die letzten zwölf Jahren blicken, haben wir eine globale Rezession erlebt, 2011 kam es zu den Revolutionen in Nordafrika, 2015 kollabierten die Rohstoffpreise. Trotzdem konnten wir ähnliche Renditen wie der MSCI EM Index erwirtschaften, und dies bei einer besseren Risikostatistik. Afrika bleibt für uns spannend, wir möchten langfristig investiert bleiben und Erfahrungen sammeln mit dem Ziel, die besten Entscheide für unsere Kunden zu treffen.
Wie genau machen Sie das, was ist Ihre Investmentstrategie?
Afrika ist eben nicht nur ein Rohstoffthema. Wir glauben an das afrikanische wirtschaftliche Potenzial, aber es wird sich nur materialisieren, wenn die Regierungen wirtschaftliche, gesetzliche und regulatorische Reformen einführen. Also sind wir mehrheitlich nur an Ländern interessiert, deren Regierung eine Vision für das Land hat, und die politisch in der Lage ist, Reformen korrekt durchzuführen. Dies ist nicht einfach und braucht wiederum Zeit, da Reformen kurzfristig schmerzhaft und unattraktiv für die Bevölkerung sind und erst später ihre Früchte tragen. In diesen reformfähigen Ländern suchen wir transparente, robuste und professionell verwaltete Unternehmen, die die Opportunitäten, die durch Reformen entstehen, identifizieren und effizient in attraktiven Renditen für Aktionäre umwandeln.
Weshalb ist Ägypten ganz oben auf Ihrer Agenda?
Nach den politischen Turbulenzen geriet die ägyptische Wirtschaft in eine gefährliche Schieflage, mit hohen Defiziten des Budgets und der Leistungsbilanz, einem blühenden Fremdwährungsschwarzmarkt und einer kräftigen Energiekrise. In den letzten fünf Jahren hat die Regierung viele dieser Probleme effizient adressiert. Mit der Unterstützung eines IWF-Programms sind die Defizite unter Kontrolle gebracht worden, das primäre Defizit ist wieder positiv. Eine Abwertung der Währung hat Fremdwährungzuflüsse in das Bankensystem gebracht und die Fremdwährungsreserven sind rasant gestiegen. Mit der Hilfe von Siemens und der deutschen Regierung wurde die Stromgenerationskapazität kurzfristig verdoppelt. Neue Anreize für Öl- und Gasförderung haben das Land wieder zu einem Exporteur gemacht und einen Hub für den Gashandel in der Region geschaffen. Eine Reihe von administrativen Reformen wurden durchgeführt, um das Investmentumfeld zu verbessern. Die Früchte der Reformen kommen langsam zum Tragen, mittlerweile ist die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts wieder bei über 5 Prozent. Dazu kommt, dass die Regierung viele Staatsfirmen privatisiert und an die Börse in Kairo gebracht hat. Auch Privatfirmen gehen vermehrt an die Börse, um Kapital für ihre Wachstumspläne zu beschaffen.
Ist im Land eine Aufbruchsstimmung spürbar? Was sind Ihre persönlichen Eindrücke aus den Aufenthalten in Ägypten?
Bei den persönlichen Treffen mit der Regierung, vom Präsidenten bis zu den verschiedenen Ministern, war ich beeindruckt vom Mut und starken Willen, Reformen erfolgreich durchzuführen. Die wirtschaftlichen Probleme wurden identifiziert und die Lösungsvorschläge sind rational, durchgedacht und sollten auf Dauer nachhaltig wirken. Man spürt deutlich, dass die Wirtschaft hinter den Reformen steht, auch wenn das momentan hohe Zinsenumfeld schmerzhaft für verschuldete Firmen ist. Banken weisen eine sehr hohe Profitabilität mit ROEs über 30 Prozent aus, Immobilienfirmen verbuchen Rekordverkaufszahlen und lokale Industrien sind mit der Devaluation der Währung global sehr kompetitiv geworden. Schwieriger ist das Umfeld im Konsumbereich, da die Konsumenten nach der Abwertung an Kaufkraft verloren haben, die durch Lohnerhöhungen nicht kompensiert worden ist. Dazu kommt, dass viele Konsumgüterfirmen zum Teil sehr importabhängig waren und nicht auf einen erhöhten Wettbewerb vorbereitet waren. Natürlich arbeiten die Managementteams daran, diese Situation zu korrigieren und mehr innovative Produkte auf dem Markt zu bringen.
Welch positiven Effekte könnten kurzfristig noch eine Rolle spielen? Gibt es Momentum?
Wie vorhin erwähnt, sind die hohen Zinsen der Zentralbank belastend für die Privatwirtschaft. Interessanterweise ist nach der letzten Treibstoffpreiserhöhung Ende Juni die Inflation im Juli gesunken, statt wie erwartet gestiegen. Dies hat die Zentralbank veranlasst, die Zinsen um 200 Basispunkte zu senken, was zu einem Kursgewinn an den Aktienmärkten von über 10 Prozent im August geführt hat, während der MSCI EM Index mehr als 5 Prozent einbüsste. Im August sank die Inflation weiter auf 7.5 Prozent und die Zentralbank-Depotzinsen liegen immer noch auf 14.25 Prozent. Da ist eindeutig noch Spielraum für Zinssenkungen.
Der Primus in Afrika ist aber Marokko. Was macht das Land im Maghreb so besonders?
Marokko hat, eher untypisch für Afrika, eine hohe politische und makroökonomische Stabilität. Die Regierung hat konsistent über die Jahre kleine Reformschritte eingeführt. Der Bau des Tanger-Med Hafens zum Beispiel hat zu einer blühenden Autoindustrie geführt. Da sieht man klar, zu welchen Resultaten gut ausgewählte Infrastrukturprojekte führen. Das Land verfügt über ein entwickeltes und stabiles Bankensystem, das erfolgreich geholfen hat, das Wohnungsnotproblem der Mittelschicht zu lösen. Dieses Modell versuchen die Marokkaner nach Westafrika zu exportieren. Viele Banken und Immobilienfirmen haben Filialen in Senegal und der Elfenbeinküste eröffnet, was nun neue interessante Wachstumsopportunitäten bringt.
Warum werden andere Frontier Markets dennoch positiver gesehen?
Märkte wie Pakistan, Argentinien, Saudi-Arabien und Kuwait sind von MSCI zu Emerging Markets befördert worden und haben in diesem Prozess viel Aufmerksamkeit gewonnen und Gelder von Investoren angelockt. Der Grund dafür ist, dass die Passivgelder im EM-Bereich viel höher sind als im Frontier-Bereich, also haben viele Investoren auf höhere Aktienkurse spekuliert. Fundamental betrachtet hat man im Nachhinein festgestellt, dass Länder wie Pakistan und Argentinien auch unter grossen Problemen leiden. Kurz nach der Beförderung zum Emerging Market hatte Pakistan eine Währungskrise und musste IWF-Hilfe beantragen. Argentinien musste seine Schuldenrestrukturierung aufgeben und hat wieder Kapitalkontrollen eingeführt. Anderseits profitieren gewisse asiatische Märkte wie Bangladesch und Vietnam von der Nähe zu China und ihrer Präsenz in Asien, eine Region, die für von Investoren als attraktiv wahrgenommen wird. Afrika liegt leider momentan im Schatten des globalen Investitionsumfelds, aber eine deutliche Erfolgsgeschichte aus dem Kontinent könnte dies schnell ändern.
Link zum Disclaimer
Malek Bou-Diab stiess Mitte 2009 als Senior Portfolio Manager für den Bereich New Markets zu Bellevue Asset Management, wo er die Verantwortung für den BB African Opportunities Fonds innehat. Davor managte er bei Julius Bär einen Afrika-Fonds. Von 2003 bis 2007 arbeitete er als quantitativer Risiko-Analyst bei der Deutschen Bank in London. Zwischen 1999 und 2003 promovierte Malek Bou-Diab in theoretischer Physik an der ETH Zürich. Er verbrachte einen Grossteil seiner Jugend im Mittleren Osten, wo er eine international ausgerichtete Ausbildung genoss und Arabisch studierte.