Wir sind überzeugt vom Potenzial von Gentherapien

26.04.2019
Herr Dr. Koller, der Anteil genetischer Therapien an der letztjährigen Rekordzahl von 59 Medikamentenzulassungen in den USA ist noch gering. Auf welchen weiteren Faktoren begründen Sie die Attraktivität dieses Bereichs?
Die tiefe Zulassungsquote der neuen Technologien ist auf den allgemein langen Medikamentenentwicklungszyklus zurückzuführen. Die zunehmenden Investitionen in gentherapeutische Entwicklungskandidaten spiegeln sich sowohl in der Vielzahl von klinischen Studien als auch in den Aussagen von Scott Gottlieb, dem kürzlich zurückgetretenen Leiter der US-Zulassungsbehörde, der in den kommenden Jahren mit einer steigenden Anzahl Zulassungen von genetischen Produkten rechnet. Nebst dem vielversprechenden Potenzial und dem Anreiz, schwerwiegende Erkrankungen mit einer Einmaltherapie behandelbar zu machen, sorgen Zukäufe von Pharmaunternehmen zu hohen Prämien für zusätzliches Interesse. 2018 übernahm Novartis das Gentherapieunternehmen Avexis für 8.7 Mrd. US-Dollar und kürzlich verkündete Roche seine Absicht, Spark Therapeutics für 4.3 Mrd. US-Dollar kaufen zu wollen.
Was genau machen Gentherapien eigentlich?
Vereinfacht ausgedrückt, soll mit Gentherapien eine fehlende oder fehlerhafte Funktion krankheitsverursachender Proteine langfristig mit einer einmaligen Therapiegabe ersetzt werden. Die meisten bisherigen Arzneien zielten darauf ab, diese Proteine nur temporär zu blockieren. Die Gentherapie hingegen erzielt einen stabilen Effekt, teilweise über Jahre, ohne sich aber in das menschliche Erbgut zu integrieren. Die noch komplexere Technologie der Geneditierung hat hingegen das Ziel, das menschliche Erbgut in Zellen und Organen permanent zu verändern und somit bestehende Fehler zu korrigieren oder fehlende Informationen zu ersetzen.
Das klingt ja vielversprechend. Gibt es denn auch Risiken?
Neben dem Potenzial bestehen auch Risiken und Herausforderungen wie etwa die Langzeitsicherheit, Dosierung der Einmalgabe, Effizienz der Erreichung von Zielorganen und Zellen als auch der Integration ins menschliche Genom bei den Geneditierungen bis hin zu den initial hohen Herstellungskosten.
Mit BB Biotech sind Sie ja bereits seit einiger Zeit in diverse Unternehmen investiert, die sich auf Gentherapien fokussieren.
Wir haben mit dem höchst erfolgreichen Investment in Avexis begonnen, die 2018 von Novartis übernommen wurde. Danach konzentrierte sich das Portfolio zunächst auf Voyager Therapeutics, bevor wir im 4. Quartal 2018 weitere Unternehmen mit genetischen Therapien neu ins Portfolio aufgenommen haben - darunter Audentes und Sangamo. Die Beteiligungen wurden im 1. Quartal 2019 nochmals ausgebaut. Dazu kamen haben wir zwei neue Unternehmen ins Portfolio aufgenommen. Einerseits Crispr Therapeutics, die ein Pionier im Bereich der Cas9-Genom-Editierung ist und in Zusammenarbeit mit Vertex eine Studie zu CTX001 bei Patienten mit Hämoglobinopathien wie Beta-Thalassämie und Sichelzellenanämie durchführt. Auch seine allogenen Zelltherapien der nächsten Generation in der frühklinischen Entwicklung, die vorwiegend bei Krebserkrankungen zum Einsatz kommen, treibt Crispr voran.
Das zweite neue Investment ist Homology Medicines, die derzeit eine Pipeline für Gentherapie und Geneditierung aufbaut. Im gentherapeutischen Bereich ist HMI-102 bei Erwachsenen mit klassischer Phenylketonurie (PKU) der führende Wirkstoff des Unternehmens. Im Bereich der Geneditierung widmet sich Homology Medicines der Entwicklung von HMI-103 für Kinder mit PKU.
Welchen Anteil am Portfolio machen diese Beteiligungen inzwischen aus?
Per Ende März 2019 waren wir mit ca. 4 Prozent unseres Portfoliovermögens in diesem wichtigen Subsektor für neue Technologien investiert. Wir sind überzeugt vom Potenzial dieser Therapien für Patienten und das Gesundheitssystem und betreten diesen Markt mit Entschlossenheit, aber auch mit Bedacht. Denn obwohl diese Spezialisten im Bereich der Gentherapien und Geneditierung zunehmende Fortschritte erzielen, sei dennoch erwähnt, dass sich ihre Wirkstoffkandidaten erst in der frühklinischen Phase befinden.
Rund 25 Prozent Ihres Portfoliovermögens haben Sie in Unternehmen investiert, die im Bereich von RNA-Therapien tätig sind. Was überzeugt Sie von dieser Technologie?
Die RNA-basierten Therapien sind unserer Einschätzung nach aufgrund der durch Übernahmen getriebenen Fantasie im Bereich der genetischen Therapien etwas in den Hintergrund gerückt. Sie steigern oder reduzieren mit verschiedenen genetischen Bausteinen gezielt die Produktion von Eiweissen, ohne das menschliche Erbgut zu beeinflussen. Die dabei entwickelten Substanzen lassen sich in vielen Indikationen passgenau einsetzen, angefangen bei Stoffwechselstörungen und genetisch bedingten seltenen Erkrankungen bis hin zu Krebs, Infektionskrankheiten und Nervenerkrankungen.
In welchen Unternehmen sind Sie investiert?
Unsere grösste Beteiligung Ionis Pharmaceuticals beispielsweise hat sich als weltweiter Vorreiter in der Antisense-Technologie etabliert und hat mehr als 30 Kandidaten in der Entwicklungspipeline. Der Vertriebspartner Biogen Idec hat mit dem Ionis-Präparat Spinraza zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie, einer seltenen Muskelerkrankung, eine der erfolgreichsten Umsatzentwicklungen im Bereich der seltenen Erkrankungen erreicht. Alnylam wiederum erhielt die Zulassung für Onpattro, das erste Präparat, das auf der Basis der siRNA-Technologie entwickelt wurde. Das Unternehmen hat weitere Produkte in der spätklinischen Entwicklung, darunter Fitusiran, das einen neuen Ansatz in der Therapie von seltenen Blutbildungsstörungen verfolgt. Darüber hinaus arbeitet Alnylam in einer Kooperation mit The Medicines Company an einem Produkt zur Senkung des Cholesterinspiegels.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.