«Wir sind verpflichtet, in Talente zu investieren»

29.05.2020
Herr Piacentini, was sind die wichtigsten Kennzahlen von DECALIA?
Wir haben DECALIA vor fünf Jahren gegründet. Heute beschäftigen wir mehr als 40 Mitarbeitende in Genf, Zürich und Mailand. Das verwaltete Vermögen beläuft sich auf 4,2 Mrd. Schweizer Franken. Unser Business-Modell umfasst drei Geschäftsbereiche: Private Banking, Asset Management und Private Markets. Auf das Private Banking entfällt etwa ein Drittel unseres verwalteten Vermögens und auf Private-Markets-Strategien etwa ein Viertel. Die Palette der DECALIA-Fonds, die vor allem aus klassischen Long-Only-Fonds besteht, kommt nun auf knapp eine Milliarde Schweizer Franken.
Was motiviert Sie am meisten an DECALIA?
Als ich bei der Bank Syz aufgehört habe, wollte ich eine Art erweitertes Multi-Family-Office gründen. Dabei wollte ich mich vor allem auf die Verwaltung meiner Guthaben und derjenigen meiner Partner sowie einiger guter Kunden konzentrieren, mit denen wir dieselbe Anlagephilosophie teilen. Kurz, wir bevorzugen einen analytischen, sehr strukturierten Ansatz mit Schwerpunkt Multi-Asset, bei dem auch Private-Debt- und Private-Equity-Lösungen eingesetzt werden, um in einem Niedrigzinsumfeld Renditen zu erzielen. Durch das Hinzukommen weiterer Partner wie Xavier Guillon, der für die Fonds-Palette zuständig ist, wurde DECALIA rasch zu einer «Multi-Management-Einheit» und bekam eine KAG-Lizenz von der FINMA.
Ich kann nicht sagen, dass wir mit DECALIA bei null angefangen haben, aber ich habe auch nicht mit einem derart raschen Wachstum gerechnet. Mit unserem Bereich Private Markets konnten wir jedoch in einem Umfeld niedriger Zinsen und schmaler Renditen ein attraktives Angebot entwickeln, das einem Diversifizierungsbedarf entsprach. Private Markets Investments haben zwar den Nachteil, nicht so liquide zu sein, aber sie generieren gleichbleibende Performance. Das kommt bei unseren Kunden natürlich gut an.
Was möchten Sie mit DECALIA erreichen, was Sie bei Syz nicht umsetzen konnten?
Zunächst möchte ich unterstreichen, dass ich mit dem, was wir bei der Syz-Bank erreicht haben, sehr zufrieden bin. Aber es war eine andere Zeit, und die Welt hat sich in wenigen Jahren stark verändert. Was mir bei DECALIA wirklich gefällt, ist, dass ich mich wieder auf den Kern meines Berufs, die Vermögensverwaltung, konzentrieren und gemeinsam mit meinem Partner Rodolfo de Benedetti den Geschäftsbereich Private Markets aufbauen konnte. Diesen Bereich gab es bei Syz nicht. Er hat im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine echte Daseinsberechtigung. Man muss sich eben entschliessen, die Rentabilität anderweitig, als in den traditionellen Anlageklassen, zu suchen. Derselben Logik entsprechend haben wir unser Asset-Management-Angebot thematisch ausgerichtet und nicht in klassischer Weise mit Bezug auf die üblichen Indizes.
In diesem Zusammenhang: Welche strategischen Ausrichtungen geben Sie Ihrem Geschäftsbereich Asset Management?
Wie ich bereits sagte: Wir wollen uns durch eine Positionierung auf originelle und interessante Anlagethemen unterscheiden, die für unsere Portfolios Mehrwert generieren. Wir werden bestimmt nicht den x-ten traditionellen Fonds mit US- oder europäischen Aktien auflegen. Es gibt grosse Häuser, die das sehr gut können. Sie wissen, wie man Grosskunden anzieht. Wir werden auf diesem Gebiet nicht mit ihnen konkurrieren. Dagegen können wir uns durch originelle, clevere Produkte mit ganz bestimmten Themen von der Masse abheben und so auf dem Radar sichtbar werden. Es gibt heute Nischen, die nichts anderes sind als die Wachstumssektoren von morgen - und da können wir einen Unterschied machen.
Wie sehen diese Nischenprodukte von DECALIA aus?
Ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen. Als wir mit DECALIA anfingen, haben wir den Fonds «DECALIA Silver Generation» ins Leben gerufen. Dieser setzt - wie der Name schon sagt - auf die Überalterung der Bevölkerung, eine leider unumkehrbare Tendenz. Danach haben wir den «DECALIA Millennials-Fonds» aufgelegt. Da waren wir bei den Ersten, die sich mit diesem Thema befasst haben. Wir haben in den darauffolgenden Monaten schnell Nachahmer gefunden - und nicht die geringsten. Vor zwei Jahren haben wir die Reihe mit dem Fonds «DECALIA Circular Economy» fortgesetzt. Auch hier sind wir Pioniere.
Was uns an der Kreislaufwirtschaft interessiert, ist die Wiederverwendung von Ressourcen und mehr noch die veränderten Konsummuster, die mit dem endenden Zyklus des Hyperkonsums einhergehen. Generell sind es diese Trendänderungen, auf die wir unser Augenmerk richten, und die vielfältigen Anlagechancen, die sich daraus unweigerlich ergeben. Es reicht nämlich nicht, eine gute Idee zu haben: Man muss sie auch umsetzen können. Deshalb umgeben wir uns mit hervorragenden Portfolio Managern. Wir sind verpflichtet, in Talente zu investieren.
In welchem Sinne?
Das Management unserer Themenfonds verlangt eine sehr strukturierte, fundamentale Herangehensweise. Die für diese Fonds zuständigen Portfolio Manager waren zunächst als Analysten tätig. Sie beherrschen beide Dimensionen. Dabei denke ich zum Beispiel an Jean-Christophe Labbé, der den Fonds «DECALIA Millenials» managt. Er hat nahezu 20 Jahre lang sowohl im Bereich Investment als auch in der Wertpapieranalyse gearbeitet. Bevor er zu DECALIA kam, war er bei Goldman Sachs in New York tätig, wo er den «GS Global Millennials» managte und einen ausgezeichneten Track Record erzielte.
Clément Maclou, der ein ähnliches Profil hat, kommt mir ebenfalls in den Sinn. Er leitet unser Team: Konsumtrends und managt gleichzeitig den Fonds «DECALIA Circular Economy». Er war elf Jahre bei CPR Asset Management, das zur Amundi-Gruppe gehört. Dort hat er unter anderem die weltweit grössten Fonds zum Thema Überalterung der Bevölkerung verwaltet. Auf lange Sicht ist es für DECALIA wichtig, hervorragende Spezialisten wie diese zu beschäftigen. Dadurch unterscheiden wir uns!
Sind bei Ihnen neue Fonds in Vorbereitung?
Auf jeden Fall. Im Juni legen wir einen Fonds mit Schwerpunkt Private Credit auf. Das ist ein besonders günstiger Zeitpunkt. In diesem Segment eröffnet sich ein fabelhaftes Zeitfenster, wie das auch 2008 infolge der Finanzkrise der Fall war. Damals handelte es sich um eine Bilanzkrise. Heute haben wir es eher mit einer Cashflow-Krise zu tun. Aber im Ergebnis stehen wir demselben Finanzierungsbedarf gegenüber, den die Banken nun nicht mehr decken können. Nach 2008 haben die Private-Credit-Fonds das Geschäft der Banken übernommen und dies wird sich in den nächsten Jahren wiederholen. Dazu ein paar Zahlen: Zwischen 2008 und 2019 hat sich das von Private-Credit-Fonds verwaltete Vermögen von 234 Mrd. auf 819 Mrd. US-Dollar erhöht, also mehr als verdreifacht. Ich möchte nicht behaupten, dass in der nahen Zukunft mit ähnlich hohen Zuwächsen zu rechnen ist. Aber wir sehen sehr schöne Anlagechancen, die sich vor allem im Bereich der Spezialkredite abzeichnen.
Auch hier haben wir in einen Fondsmanager investiert. Wir konnten Reji Vettasseri für uns gewinnen, der zuvor bei Morgan Stanley Alternative Partners in London tätig war. Dort fungierte er als einer der Leiter des Teams, das für den Aufbau diversifizierter Investmentportfolios im Bereich Private Markets zuständig war. Er leitete das Investment in den Bereichen Private Debt und Special Situations in Europa. Vor Morgan Stanley hatte er fünf Jahre bei Goldman Sachs gearbeitet und konnte zudem auf eine Beratertätigkeit bei Bain & Company zurückblicken. Wir freuen uns sehr, dass er bereit war, zu DECALIA zu kommen!
Haben Sie vor, später noch einmal eine Banklizenz bei der FINMA zu beantragen?
Angesichts unserer Metiers - in erster Linie Private Banking, Asset Management und Private Markets - halte ich eine Banklizenz nicht für unerlässlich. Sie ergibt jedoch nur bei einem bestimmten Umfang an verwalteten Vermögen einen Sinn. Heute ist das vielleicht für uns noch verfrüht, zumal keine Notwendigkeit besteht. Wenn wir jedoch unser Wachstum im jetzigen Masse fortsetzen, könnten wir gegebenenfalls unseren Standpunkt überprüfen und diese Möglichkeit in Betracht ziehen.
Link zum Disclaimer
Alfredo Piacentini ist geschäftsführender Partner, Mitglied des Vorstands, Mitglied des Exekutivausschusses und Mitglied des Strategie- und Investitionsausschusses der Finanz-Boutique DECALIA. Er arbeitete neun Jahre bei Lombard Odier in Genf und London, zunächst als Finanzanalyst, dann als Fondsmanager, bevor er 1995 die Banque SYZ mitgründete. Als Teilhaber und Generaldirektor der Gruppe war er für das Private Banking, die zentrale Verwaltung und das Anlagefondsgeschäft verantwortlich. Er war bis 2016 Präsident des Verwaltungsrats der Banca Albertini Syz in Mailand und ist weiterhin Mitglied des Verwaltungsrats. Alfredo Piacentini verfügt über einen Master-Abschluss in Internationalen Beziehungen des Graduate Institute of International Studies in Genf.