Wir «slacken» und «whatsappen», «zoomen» für Meetings und ab und an treffen wir uns physisch

CEO, Betreiber der Anleger-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
07.05.2020
Herr Borini, man kennt Sie als technologisch voll auf der Höhe. Haben Sie nach all den Wochen immer noch Freude am Homeoffice oder reicht es langsam?
Die Decke fällt mir noch nicht auf den Kopf. Homeoffice ist für mich - übrigens für unsere ganze Firma - überhaupt kein Problem. Vielleicht auch deswegen, weil wir bereits vor dem Lockdown sehr digital unterwegs waren. Beim Lockdown haben wir die Stecker unserer Notebooks im Büro rausgezogen und wenige Stunden später im Homeoffice wieder eingesteckt und weitergearbeitet. Aber wissen Sie, auf was ich mich sehr freue? Auf einen guten Drink in einer coolen Bar.
Teilen Sie den Eindruck, dass bei nicht wenigen zusehends die Arbeitsdynamik der ersten Tage abnimmt?
Ich kann nur für uns sprechen, und die Motivation leidet bei keinem Teammitglied. Die Dynamik ist nach wie vor hoch. Damit aber die Dynamik hoch bleibt, muss man Voraussetzungen schaffen: wir arbeiten auf der Cloud, wir «slacken» und «whatsappen», «zoomen» für Meetings und ab und an treffen wir uns physisch, und das ist auch wichtig. Und wir sind nach wie vor neugierig, wollen besser werden, und damit bleibt die Dynamik ebenso hoch. Das hilft letztlich auch in der Weiterentwicklung unseres Angebots. Beispielsweise sind wir ja gezwungenermassen Zoom-Profis geworden. Das sind unglaublich spannende Erfahrungen für unser Webinar-Angebot.
Sie sind auch ein ausgewiesener Kenner der Crypto-Landschaft. Was ist da in den letzten Wochen so alles gelaufen?
Rückblickend haben einige Kryptowährungen stark zugelegt. Zu Beginn der Pandemie sind Bitcoin & Co. unter die Räder gekommen, doch sie erholten sich rasch. Heute steht Bitcoin rund 30 Prozent oder Ethereum fast 60 Prozent im Plus. Spannend ist der 12. Mai 2020, da findet das Bitcoin-Halvening statt. Falls Sie Zeit haben, schauen Sie in unseren Krypto-Lunch am 12.5.2020 um 12 Uhr rein. Wir diskutieren, was das Halvening bedeutet und dessen Auswirkungen. Die Krise verleiht auch verschiedenen Blockchain-Projekten neuen Auftrieb. Wir haben eindrücklich gesehen, dass internationale Lieferketten an den Anschlag kamen. Transport und Logistik sind aufgrund des grossen Anteils an manuellen Aufgaben besonders betroffen. Covid-19 hat uns vor Augen geführt, dass wir ein super ineffizientes System haben. Blockchain kann im internationalen Handel für mehr Effizienz und Vertrauen sorgen.
Man liest, das sogenannte Schweizer «Crypto Valley» in und um Zug würde bald massiv schrumpfen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Es werden ganz viele Branchen schrumpfen. Es werden leider viele Firmen verschwinden. Auch im Banking wird Covid-19 seine Spuren hinterlassen. Fakt ist, die Startup-Branche steht stark unter Druck, auch die Jungunternehmen im schweizweiten «Crypto Valley». Das schleckt keine Geiss weg.
Es kommt zu einer Bereinigung, richtig?
Ja. Das ist teilweise auch nötig, teilweise aber sehr ungewollt. Meines Erachtens greifen die vom Bundesrat beschlossenen Hilfsmassnahmen für Startups zu kurz. Die Schweiz braucht eine starke Startup-Szene und bleiben wir bei der Crypto-Szene: Unser Bundesrat hat die «Crypto Nation Switzerland» ausgerufen, und wir müssen schauen, dass die wirklich guten Innovationen, notabene «made in Switzerland», nicht durch Covid-19 im Keim zerstört werden. Ich hoffe fest, dass wir gestärkt aus der Krise kommen und die Vision der «Blockchain & Crypto Nation Switzerland» weiterverfolgen können. Der Finanzplatz Schweiz muss wieder eine führende globale Rolle spielen und Blockchain und Crypto-Assets gehören dazu.
Sie sind und bleiben also ein Optimist für Bitcoin & Co…
Natürlich, vielleicht jetzt erst recht. Covid-19 hat diverse Schwachstellen in Wirtschaft und Politik aufgezeigt. Zudem sind unsere globalen Schuldenberge noch gewaltiger als vorhin. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel wieder raus? Ich habe keine Antwort. Die neue Crypto-Welt kann in der Kombination mit der traditionellen Welt für ganz neue Möglichkeiten sorgen und das müssen wir jetzt anpacken. Das Thema ist auf dem Weg, fundamental zu werden. Es ist es jetzt noch nicht, wir sind aber auf dem Weg dorthin. Bitcoin und weitere digitale Vermögenswerte werden von den aktuellen dramatischen Entwicklungen ganz klar profitieren.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen wie die schweizweit grössten Fintech-Konferenzen, Finance 2.0. Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Zuvor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig.